Jan Böhmermann: Rassistische Wortgewalt mit Reichweite

Jan Böhmermann hat sich disqualifiziert. Er verteidigt die Benutzung des N-Worts, er brüllt es förmlich raus, in mehreren Tweets in den letzten zwei Tagen. Er zeigt, was er kann.

Zwischen all den Medienmeldungen zu rassistischen Anschlägen schleudert er rassistische Wortgewalt in die Öffentlichkeit, um Aufmerksamkeit zu generieren. Auf dem Rücken Schwarzer Menschen versucht er sich zu profilieren und ein paar Favs vom weißdeutschen Publikum abzukassieren. Ich höre schon die weißen Feuilletonisten fragen was Satire darf, und ob die deutsche Sprache und Kultur in Gefahr sind. Und erklären, dass der Jan Böhmermann ein ganz netter lieber Kerl ist, der das auf gar keinen Fall böse meint und doch im innersten Herzen gar kein Rassist sein kann — auch wenn er ab und zu mal gern ein bisschen provoziert. Einer, den Millionen weiße Deutsche lieben können. Ein Medienprofi eben!

Unterhaltung in Deutschland. Mit einem rassistischen Begriff, der jahrhundertelange Respeklosigkeit, Gewalt und Verachtung gegenüber Schwarzen Menschen transportiert. Was für eine Kunst, diesen Begriff als weißer Deutscher so oft sagen zu können, wie er will. Was für eine Freiheit. Böhmermann reiht sich ein neben jenen weißdeutschen KünstlERn, die das Argument der Kunstfreiheit ignorant verdrehen, um rassistische Sprache für ihre funny jokes zu verwenden. Die Meinung derer, die von dieser Form der Gewalt betroffen sind, ist — wie immer in solchen Fällen — irrelevant. Deutscher Witz geht vor. Was für ein Signal, schon wieder in Verbindung mit dem ZDF.

https://twitter.com/Afrogermanrebel/status/639062626337746944

Und hier gibt es einen Screenshot der genannten Böhmermann-Tweets in einem Tweet von @Stadtgespenst — N-Wort ausgeschrieben.

Publikation „Bedrohlich anders“ als Download

Ab sofort steht meine Arbeit „Bedrohlich anders“ als pdf zum kostenlosen Download bereit:

Bedrohlich anders [pdf, 235 S., 3 MB]

Darin geht es um Darstellungen natio-ethno-kulturell markierter Figuren in einem rumänischen und einem deutschen populären Filmbeispiel (FURIA von R. Muntean, 2002 / KNALLHART von D. Buck, 2006). In einem ausführlichen Vergleich zeige ich Überschneidungen und Unterschiede zwischen den Figurendarstellungen der beiden Filme, und wie die Herstellung von Unterschiedlichkeit durch diese Darstellungen erfolgt (Narrativierung von Differenz). Dabei ist der Zusammenhang zwischen den fiktiven Figuren und der außerfilmischen Wirklichkeit von Bedeutung. Im Ergebnis zeigt sich, dass die Figurendarstellungen des rumänischen und deutschen Films derselben symbolischen Ordnung folgen, die sich auf die Stereotypie stützt: Sie lassen sich als Bestandteile eines rassistischen Diskurses der Differenz einordnen, und zwar genauer als Inszenierungen von Weißsein.

Für Fragen, Kritik oder andere Rückmeldungen stehe ich sehr gern zur Verfügung (z.B. über die Kommentarspalte oder e-Mail).

Die Arbeit ist weiterhin auch als gebundene Printversion erhältlich: epubli / amazon.

Erfahrungen mit dem EU-Grenzregime

Die Autorin des Blogs Undercover of Color hat kürzlich die Abschiebung eines Familienmitglieds von einem EU-Flughafen erleben müssen. Über den konkreten Vorfall und den rassistischen Charakter der Grenzregime-Praxis schrieb sie nun einen Gastbeitrag im Blog Diaspora Reflektionen (auf Französisch erschienen bei Parti des Indigènes de la République):

[…] Ihm wird geantwortet: „ Nein, nein, das ist kein Mißverständnis. Das ist Betrug. Und ihr Algerier habt bekanntlich ein Problem der Aufrichtigkeit. Auf keinen Fall machen Sie eine neue Reservierung. Sie fliegen umgehend zurück nach Algerien und können dort eine neue machen. Hier nicht. Sie fliegen heute noch zurück. Mit einer gültigen Reservierung können Sie ja wieder kommen.“ Nacer versucht den Beamten zu überzeugen, dass er alle Einreisebedingungen erfüllt, aber es ist nichts zu machen.

Ein Familienmitglied mit französischer Staatsbürger_innenschaft schafft es zu ihm zu gelangen, und versucht der Polizei glaubhaft zu machen, dass eine neue Reservierung sofort gemacht, eine Verpflichtungserklärung ausgestellt und auch Bargeld hinterlegt werden könne. Die Polizei ignoriert dies und bittet die Person sich keine Sorgen zu machen und zwei Stunden später wieder zu kommen, dann sei sicher alles geklärt. Gesagt getan. Nur in dieser Zeit befindet sich Nacer allein und eingeschüchtert im Grenzbereich. Die PAF setzt ihn unter Druck, er müsse ein Papier unterzeichnen, dass seinen Rückflug legitimiert. Mehr Rechte habe er nicht. Nacer reist zum ersten Mal. Hat keine Ahnung was die Beamt_innen dürfen und was nicht. Will keinen Ärger, keine Handschellen. Unterschreibt. […]

Zum gesamten Artikel: „Wenn Sie Marokkaner wären…

ruhbarone-Beitrag zum rassismuskritischen Glossar der Neuen Deutschen Medienmacher

Ein paar Gedanken zum ruhrbarone-Beitrag, in dem Julius Hagen über die rassismuskritische Handreichung der Neuen Deutschen Medienmacher (NDM) schreibt: Besagtes Glossar der NDM für weniger diskriminierende Sprache (um das es hier nicht geht) „sabotiert“ Hagens Meinung nach „eine freie und präzise Berichterstattung“. Die Begriffe aus dem rassismuskritischen Verzeichnis passen nicht, wenn „der Journalist die Hyperkomplexität der Wirklichkeit“ für einen „gelungenen Artikel“ reduzieren will, so Hagen. Mit anderen Worten, es ist nicht mehr der Journalismus, wie Hagen ihn mag, der mit den Begriffen der NDM gemacht werden kann. Wenn Hagen die sprachkritischen Vorschläge nicht annehmen möchte, macht das ja nichts. Wo ist das Problem?

Eigene Kritik Hagens an dem Leitfaden beschränkt sich auf vage Allgemeinplätze sowie subjektive Befürchtungen vor Veränderungen. Etwa spricht er von einer drohenden „Entfremdung“ zwischen Journalismus und Leser_innenschaft durch die „manierierten Sprachcodes der Neuen Deutschen Medienmacher“. Rassismuskritsche Sprachvorschläge könnten ja als „Vorwurf“ empfunden werden. (Was die von rassistischer Sprache Betroffenen angesichts manch deutscher Traditionsvokabel empfinden, erwägt Hagen nicht.) Schon sieht Hagen „eine zentrale Planung und Normierung von Sprache“ am Horizont und warnt, dass „der Anspruch auf bürgernahe Berichterstattung“ verloren gehe, wodurch Nazi-Blogs mehr Zulauf bekämen. Dieser Logik zufolge ist Rassismuskritik schädlich für die Bürgernähe: Trotzig wenden sich weiße Deutsche den Nazis zu. Hagen spricht vom „Wasser auf die Mühlen der Rechtspopulisten und Rechtsradikalen“. Die Sorgen drehen sich um die Befindlichkeiten derer, die rassistische Sprache nutzen und von ihr profitieren. Wie gehabt.

Aber nicht nur die NDM drohen Deutschland zu überstrapazieren. Nebenbei holt Hagen gegen ganze wissenschaftliche Disziplinen aus, deren akademisches Vokabular die rassismuskritischen Begriffe erst hervorgebracht habe. Dass viele Begriffe eben nicht aus akademischen/elitären, sondern aktivistischen/emanzipatorischen Zusammenhängen stammen (und oft außerhalb Deutschlands bereits eine lange Geschichte haben), ist Hagen unbekannt oder interessiert ihn nicht. Er nennt die postcolonial studies, critical whiteness studies und gender studies, aber kritisiert deren Ansätze nicht, sondern klatscht zwei Quellen hin, laut denen die „Wissenschaftlichkeit“ dieser Disziplinen „hochumstritten“ sei. Meiner Erfahrung nach ist zum Beispiel der real existierende Kapitalismus auch hochumstritten, aber was ist das für eine Art, einfach zwei Buchtitel zum Beleg anzuführen, ohne auch nur einen Gedanken selbst nachzuvollziehen, auszuformulieren? Auf dem Niveau poltert Hagen. Und das zeigt sich auch an seinem antiquierten definitorischen Verständnis von Rassismus. Hagen scheint bei der Bearbeitung des Themas allein seinem Bauchgefühl gefolgt zu sein, seiner Sehnsucht nach einem „bürgernahen“ Journalismus.

Zwischenraum-Festival: Berlin 12.-14.09.2014

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«Die Gedanken sind frei» Angst ist Alltag für Roma in EUropa
Ein Ausstellungsprojekt von Marika Schmiedt
Grafiken – Plakate die im Sinne der Confrontage agieren

Freitag, 12.09.2014, 19:00 Uhr
Ausstellungseröffnung mit Vortrag und Diskussion zur Diskriminierung von Roma in Europa,
mit Filiz Demirova und Georgel Caldararu. derparia.wordpress.com

Dieses Ausstellungsprojekt soll als Spiegel der verbreiteten aber durchschnittlich nicht wahrgenommenen Rassismen dienen und mit der Geschichte der Verfolgung der Roma in Verbindung gebracht werden. Obwohl die gegenwärtige Verfolgung von Roma eine soziale und politische Situation hervorruft, die an die Zeit des Nationalsozialismus erinnert, hat sich die Mehrheit zu schweigen entschlossen. Meine Arbeit versucht, das Schweigen zu durchbrechen und den Rassismus zu enthüllen und gleichzeitig der fortschreitenden Diskriminierung entgegenzuwirken.

MARIKA SCHMIEDT, 1966 in Traun/Oberösterreich geboren, Künstlerin und Aktivistin. Seit 1999 Recherchen (Zeitzeugen und Gegenwart) zur Verfolgung von Roma und Sinti; die Auseinandersetzung mit der Situation der Roma vor und nach 1945 bildet einen Schwerpunkt der künstlerischen Arbeit. marikaschmiedt.wordpress.com

zwischenraum-festival-2014.de/index.php/programm.html