Abgetrennte Hoffnung

Unliebsamer Realitäten entledigt man sich durch Ignoranz und Verdrängung. Auch wenn es um Menschen geht, die unter der zynisch klingenden Überschrift „Hoffnung“ in Isolation leben.


Roma im Fernsehen – das verspricht bunte Bilder musizierender und tanzender Menschen, die jenseits der Zivilisation in althergebrachter Weise ihre von außen schwer zugängliche Kultur leben. Aber ist das die Realität?

Der Dokumentarfilm Die Stadt der Roma von Frédéric Castaignède widmet sich dem Alltag einiger Bewohner der bulgarischen Stadt Sliven. Das Viertel mit dem Namen „Hoffnung“ ist vom Rest der Stadt durch die Eisenbahnlinie und eine Mauer abgetrennt. Viele der hier lebenden Menschen haben nicht Bulgarisch, sondern Romani als Muttersprache. Neben der Armut ist die Sprache die wesentliche Eigenschaft, die die Menschen im Bezirk „Hoffnung“ miteinander gemeinsam haben. Und, dass sie hier unsichtbar für die anderen Bewohner von Sliven sind.

Der Film porträtiert einige Personen in ihrem Alltag. Obwohl diese Menschen mit alltäglicher Ausgrenzung konfrontiert sind, sind sie keine Opfer und werden auch nicht als solche dargestellt. Sie sind souveräne Akteure in ihren verschiedenen Lebenssituationen, die bewusst über ihr gesellschaftliches Randdasein reflektieren, dem sie entkommen wollen.

Die Arbeit des aus dem Viertel stammenden Schulbeauftragten hat Erfolg, die Kinder besuchen die Schule, auch wenn sie dort nicht Romani sprechen dürfen. Aber wegen ihrer Herkunft bleiben die Kinder gekennzeichnet, sie können nicht einfach „normale“ Schüler sein. Keines der bulgarischen Kinder möchte neben einem „***ner“ sitzen. Kürzlich erst sei sogar ein bulgarischer Schüler, der sich neben eine „***ner“ setzte, daraufhin selbst als „***ner“ beschimpft worden. Der Stellungskrieg zwischen den Identitätsgräben beginnt im Klassenraum der Grundschule. Nation oder „pfui“.

Der Film bleibt unsentimental, Hintergrundmusik gibt es nur sehr sparsam, eine kommentierende Stimme bleibt dem Zuschauer erspart. Die Bilder und vor allem die Menschen sprechen für sich. In frappierender Lächerlichkeit präsentieren sich die Sätze des Schuldirektors, die „***ner“ hätten ein leichteres, weil sorgloseres, von Musik geprägtes Leben, die „Psychologie ihres Volkes“ sei bestimmt von Misstrauen, all das sei Teil einer genetischen Veranlagung. Diese Aussagen brauchen keinen Kommentar.

Die im Film umrissenen Probleme sind in ihrer großen und differenzierten Gesamtheit vorwiegend sozialer Natur. Die anderthalb Stunden geben einen Ausschnitt. Wer Romani spricht, outet sich als Teil einer unbeliebten Gruppe, die im bulgarischen Identitätskonzept nicht vorgesehen ist. Ein Mann habe sogar seinen langjährigen Job verloren, weil er sich irgendwann selbstbewusst als Rom bezeichnete. Seit die Kinder täglich ihr Viertel „Hoffnung“ verlassen, um in die Schule zu gehen, meiden bulgarische Schüler die Schule zunehmend. Die bulgarischen Eltern befürchten Nachteile für ihre Kinder, oder sie wollen nicht, dass ihre Schützlinge neben „***ner“ sitzen.

Die schlammigen Straßen des Viertels werden zufällig zur Zeit der Filmaufnahmen (die gleichzeitig die Zeit des Kommunalwahlkampfes ist) geteert. Der Teil „Hoffnung“ ist von der Stadt Sliven abgekoppelt. Die Isolation des Bezirks wird gleich am Filmanfang deutlich, an den Reaktionen zweier Lehrerinnen, die nicht aus dem Viertel sind. Für sie ist die kleine Exkursion ungewohnt, sie reagieren abgeneigt auf die Umgebung. Es ist unschwer erkennbar, dass die beiden nicht gern dort wohnen würden.

Von den Schülern wird erwartet, dass sie täglich ihr Viertel verlassen, um die Schule zu besuchen. Dafür benutzen sie die lange Unterführung unter der Mauer und den Gleisen entlang. „Und ab jetzt nur noch Bulgarisch sprechen!“


Filmrezension bei dROMa-Blog

Berliner Blickwinkel

Zwei Möglichkeiten, über denselben Vorfall zu berichten, ließen sich in Berliner Printmedien (bzw. deren online-Ausgaben) finden. Der Unterschied der beiden Berichterstattungs-Varianten hatte nur eine Ursache: die Quelle


Im Tagesspiegel lautet die Überschrift: Schlägerei zwischen Autofensterputzern und BVG-Mitarbeitern. Weiter heißt es:

… Berlin – Drei Autofensterputzer haben sich am Montag eine Schlägerei mit zwei Mitarbeitern des Sicherheitsdienstes der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) geliefert. Als Polizisten eingreifen wollten, wurde eine Beamtin bei einem Sturz leicht am Knie verletzt, wie die Polizei am Dienstag mitteilte. Bei der Auseinandersetzung an einer Bushaltestelle in Kreuzberg erlitt einer der BVG-Wachmänner eine Prellung an Nasen- sowie Jochbein und wurde zur ambulanten Behandlung in ein Krankenhaus eingeliefert. Sein Kollege wurde leicht verletzt. …

Als Quelle nennt der Tagesspiegel die Polizeimitteilung sowie jz und ddp.

Die taz titelt: BVG prügelt sich mit Roma und weiß zu berichten:

… Zwei Sicherheitsbeamten der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) wird vorgeworfen, eine Gruppe von Roma am Pfingstmontag angegriffen und verprügelt zu haben. Nach Aussage des Kreuzberger Sozialarbeiters Ercan Yasaroglu, der das Geschehen zufällig beobachtet hat, attackierten zwei BVG-Sicherheitsleute kurz nach 12 Uhr einen jungen Rom an einer Bushaltestelle am Kottbusser Tor. „Die Gruppe hatte am Kotti Autofensterscheiben geputzt. Sie wurde zunächst von BVG-Beamten rassistisch beleidigt und angeschrien, später auch angegriffen“, sagt Yasaroglu am Dienstag der taz. Die BVG-Männer seien zuvor aus dem U-Bahnhof gestürmt und auf die Roma losgegangen. Wahrscheinlich um die unliebsamen Fensterputzer von der Kreuzung am Kotti zu vertreiben, vermutet er. …

Mit der Aussage eines Augenzeugen hat die taz gegenüber dem Tagesspiegel einen Vorteil – sie hat zwei Quellen für denselben Vorfall. So fiel der taz natürlich auch auf, dass der Augenzeugenbericht sich nicht mit dem Polizeibericht deckt:

… Die Polizei ordnet den Vorfall dagegen völlig anders ein. In einer am Dienstag veröffentlichten Pressemitteilung heißt es, dass zwei Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes der BVG von einer Gruppe Autofensterputzern attackiert und verletzt worden seien. Nachdem die Polizei von einem Autofahrer alarmiert worden sei, weil dieser von den „Fensterputzern belästigt wurde“, soll sich die etwa zehnköpfige Roma-Gruppe an die Bushaltestelle in der Skalitzer Straße begeben haben. „Dort kam es zu einem Wortgefecht zwischen ihnen und zwei BVG-Beamten. Im weiteren Verlauf schlugen zwei Männer sowie eine 25-Jährige auf die beiden Wachleute ein“, so die Polizei. Dabei soll ein Sicherheitsbeamter leicht verletzt worden sein, der andere einen Nasenbeinbruch erlitten haben. …

Dass sich die Polizeimeldung nicht mit dem Zeugenbericht deckt, kann dem Tagesspiegel ja nicht aufgefallen sein, da dessen Recherchen bei der Polizeimeldung endeten. Dabei ist es gerade interessant, dass die Perspektive der Polizei (und damit des Tagesspiegel) offenbar lückenhaft ist:

… Yasaroglu selbst hat als Augenzeuge vor der Polizei ausgesagt, nichts davon finde sich in der Darstellung der Polizei, sagt der Sozialarbeiter. Auch nicht, dass die beiden angegriffenen Roma verletzt wurden. … (taz)

Die taz hat aber, neben der Erweiterung der Darstellung auf auf eine zweite Perspektive, auch noch eine dritte Meinung eingeholt, die den Sachverhalt aus etwas Entfernung umso klarer auf den Punkt bringt:

… „Die Polizei muss bei solchen hastigen, voreiligen Schuldzuweisungen vorsichtig sein. Das klären bei uns immer noch die Richter“, sagt Barbara Seid, Fraktionsmitglied der Linkspartei in der Bezirksverordnetenversammlung Friedrichshain-Kreuzberg. … (taz)

Während der Berliner Tagesspiegel mit Bezugnahme auf Agentur- und Polizeimeldungen unter einer spannenden Überschrift nicht viel mehr als ein ausgeschmücktes Polizeiprotokoll bringt, wurde in der taz-Redaktion mindestens telefoniert, wenn nicht sogar das Haus verlassen, um mit dem Augenzeugen vor Ort zu sprechen.

Die zwei Berliner Blickwinkel zeigen: Die Welt ist komplex. Aber dafür ihre Darstellung nicht unbedingt – es kommt darauf an, was man seinen Lesern zumuten möchte. Und die Polizei wird von einigen Journalisten offenbar gern zur Hilfe genommen, wenn es um die Vereinfachung von Sachverhalten geht. Dementsprechend sehen dann auch die Leser-Kommentare unter dem Tagesspiegel-Artikel aus.

„Z***“ holt UEFA-Pokal

Einmal mehr – hält „der Z***“ her.


Einige europäische Journalisten nutzen für die „Belebung“ der Sprache, insbesondere bei der Beschreibung anderer Menschen, ausgewählte Elemente einer Bildsprache, die an die alten, rassistischen Stereotype vergangener Jahrhunderte erinnert. Uwe Klußmann konnte es sich nicht verkneifen, den moldauischen Präsidenten Voronin mit einem „Z***baron“ zu vergleichen, um die „Clan“-artigen Verstrickungen und die Korruption ein bisschen ethnisch zu bebildern (Medien machen Moldau) und jetzt haut Michele Brambilla in der Sportredaktion des italienischen Il Giornale in die gleiche Kerbe:

„Mircea Lucescu, der 64jährige rumänische Z*** von der Reservebank, nimmt den Pokal mit nach Hause: Schachtar Donezk schlägt Werder Bremen und gewinnt den letzten UEFA-Cup.“

Weniger aufsehenerregend wäre der italienische Artikel (Coppa Uefa Lucescu porta lo Shaktar alla prima vittoria europea), wenn Mircea Lucescu tatsächlich ein Rom wäre. Denn dann ginge es „nur“ darum, ob er sich gefallen lassen möchte, von anderen als „Z***“ bezeichnet zu werden – da das aber nicht der Fall ist, geht es darum, dass die Bezeichnung „Z***“ einen konkreten Zweck erfüllt: Genau wie beim „Z***baron“ von Klußmann soll „der Z*** von der Reservebank“ Assoziationen beim Leser wecken, die allgemein beim Begriff „Z***“ vom Leser erwartet werden. Im Falle Lucescus wird darauf angespielt, dass dieser als Trainer mehrmals die Clubs wechselte und nun den Pokal „mit nach Hause nimmt“. Beide Artikelschreiber scheinen sich auf den rassistischen Instinkt ihrer Leser im Zusammenhang mit dem Wort „Z***“ zu verlassen, oder sind vielleicht gar mitverantwortlich, dass dieser erst animiert wird.

Screenshot Johann Heinrich Zedlers Universallexicon/ Wikipedia (gemeinfrei)

Das rumänische Nachrichtenportal hotnews.ro berichtet von der Empörung, die die Bezeichnung „Z***“ für Lucescu unter den Lesern des italienischen Blattes auslöste, sowie von einem Offenen Brief der rumänischen Botschaft an die Zeitung. Für dieses offizielle rumänische Schreiben, in dem die rassistische und xenophobe Konnotation der Formulierung kritisiert wird, hat Michele Brambilla nach Angaben von hotnews.ro nur Zynismus und Ironie übrig, flankiert seine Sätze mit den Worten „liebe Freunde von der Botschaft“ und verweist reflexartig auf andere, die auch „Z***“ sagen.

Diejenigen, die ihre Sprache mit ethnischen Schubladen schmücken, berufen sich gern auf andere, die das auch tun, betonen ihre stets guten Intentionen und bewerten entgegnete Kritik als übertrieben. Diese Schutzhaltung, aber auch die Ignoranz gegenüber Minderheiten (seien sie ethnischer, religiöser, sexueller oder sonstwelcher Natur), sind symptomatisch für die Tradierung rassistischer und anderer Stereotype. Tabuisierung oder gar Verbote als Reaktionen auf derartige Entgleisungen in europäischen Medien sind Quatsch, stattdessen ist endlich die öffentliche Thematisierung von geduldetem Rassismus gegenüber Roma in der europäischen Presse nötig. Was hier in der Journalistensprache am Beispiel der „Z***“ zutage kommt, sind Mechanismen, die an anderer Stelle in Europa gern als „überwunden“ gefeiert werden.

Der europäische Rassismus ist nicht überwunden, wie der EU-Bericht über die Diskriminierung von Minderheiten kürzlich bewies (Vergessen in Europa). Die Roma brauchen kein Mitleid und keine Bewunderung, sondern Europa braucht eine ernsthafte, intensive Auseinandersetzung mit seiner Geschichte und den gesellschaftlichen Mechanismen der Ausgrenzung und Diskriminierung. Nur so könnte ein allgemeines Bewusstsein für Fälle rassistisch konnotierter Pressesprache entstehen – bis dahin aber muss auch für große europäische Medienhäuser „der Z***“ weiter herhalten.

Europäische Arroganz

Das zivilisierte Europa und die wilden Beitrittskandidaten – ein Bild von Alois Berger beim Deutschlandfunk


Um Aufmerksamkeit zu bekommen, kann man provozieren. Die Formen journalistischer Provokation mögen vielfältig sein, Alois Berger entschied sich bei seinem politischen Kommentar „In der Warteschleife“ am 4.5.2009 bei Deutschlandfunk für eine bewährte Sportart: Stereotypenreiten.

„Albanien in der Europäischen Union, das ist so etwas wie die Vollendung des europäischen Alptraums.“

Dieser erste Satz verdeutlicht sofort: hier spricht jemand Klartext. Vielleicht ist ja das mitschwingende Bild, dass die EU bereits ohne Albanien ein (wenn auch unvollendeter) Alptraum ist, sogar beabsichtigt. Weiter geht’s mit Bosnien-Herzegowina, Serbien und Mazedonien,

„aber viel besser sieht es dort auch nicht aus. Der ganze Westbalkan ist im Grunde nicht in der Verfassung, dass man sich einen Beitritt wünschen könnte.“

Selbst wenn ich Herrn Berger zustimmen würde, fehlt mir in dem Kommentar die Begründung für seine persönliche Abneigung. Aber der Autor redet lieber nicht über sich selbst, sondern über andere:

„Die EU wird die Länder auf dem Balkan irgendwann aufnehmen müssen, um diese seit Jahrhunderten unruhige Region endlich zu stabilisieren.“

Dieses Bild hängt sicherlich mit dem „Alptraum“ zusammen. Alois Berger sitzt fest im Sattel bei der Neu-Eroberung lange zerlatschter Territorien, wenn er das über 100 Jahre alte Bild des zivilisierten Europas, das den wilden Balkan zähmen muss, hervorkramt. Das Pulverfass. Wer sonst würde für Stabilität in der Welt sorgen, wenn nicht Menschen wie Alois Berger?

Demnach befände sich die EU in der Position eines Erziehungsberechtigten gegenüber den Nicht-EU-Ländern,

„dass es keine Kriege mehr in Europa gibt, keine ethnischen Säuberungen und keine Flüchtlingsströme. Dafür ist sie gegründet worden, dafür brauchen wir sie heute noch.“

Gerade mit Blick auf den Raum Ex-Jugoslawien hat die EU nicht mehr als ihre Unfähigkeit demonstriert. Sollte der Autor hier den Wunsch nach Stabilität und Demokratie-Export durch erzieherische Maßnahmen mit Luftangriffen und Stationierung von Militär implizieren, dann hätte er sich schon im 19. Jahrhundert für den Posten eines „europäischen“ Außenministers bewerben können.

„Natürlich wäre es schöner, in einer kuscheligen EU mit lauter reichen Ländern zu leben, die wir aus dem letzten Urlaub in schönster Erinnerung haben. Aber so ist die Welt halt nicht. Geschichte kann man sich so wenig heraussuchen wie seine Nachbarn.“

Wen der Autor hier mit seinem vermeintlichen Realismus ernüchtern will, ist mir unklar. Was hat Berger sich denn „sonst“ für ein Europa vorgestellt? Und wo macht er Urlaub? Wie grausam ist wohl ein Leben, in dem man sich seine Nachbarn nicht aussuchen kann? Hätte er lieber gar keine Nachbarn?

Aber als Schwarzmaler will Berger nicht gelten:

„Die Kosten sind beherrschbar. Der Beitritt Polens und selbst Rumäniens hat das EU-Budget nicht gesprengt, wie viele Wirtschaftsexperten vorausgesagt hatten. Deutschland zahlt heute ein Prozent des Bruttosozialproduktes nach Brüssel, genau so viel wie vor zehn Jahren auch.“

Und die aufgeblasene Antipathie? Doch nur journalistisches Mittel für möglichst viele nickende Radiozuhörerköpfe?

Zum Schluss deutet Berger noch vage Gründe für seine ablehnende Haltung an, indem er an Korruption und Organisiertes Verbrechen erinnert. Dieser Verweis wirkt wie die bekannte reflexartige Geste zur Ablenkung von eigenen Problemen. Aber das ist ja das Bequeme am Bild der „Anderen“, es dient als Müllkippe für das unreflektierte Bild des „Eigenen“, des „Ich“.

„Die Anderen“ sind korrupt und wir nicht – wollen „die Anderen“ mitmachen, so müssen sie unsere Regeln des fairen Miteinander akzeptieren. Es ist erstaunlich, dass diese plumpe Formel noch immer unkritisch in den Medien reproduziert wird.

„Dabei ist die Sache ganz einfach: Es reicht die Zusicherung, dass alle wirtschaftlichen und politischen Bedingungen für den Betritt erfüllt werden müssen – und zwar ohne Ausnahme. Das gibt den Ländern klare Vorgaben – und uns gibt es ausreichend Zeit, uns an den Gedanken zu gewöhnen, dass in Brüssel eines Tages auch albanische Minister mitreden.“

So einfach. Das Europa des Alois Berger.


Der Kommentar von Alois Berger kann ist nachlesbar.

Medien machen Moldau

Was Spiegel Online zu unserem Bild von einem Land (und von dem der Roma) beiträgt


Über „ferne Länder“ kann man sich oft nur indirekt informieren. Ein Mitteleuropäer, der nicht selbst an einen Ort reist oder mindestens Menschen von dort kennt, wird über diesen vornehmlich aus den Medien informiert. So entsteht ein Bild im Kopf der Zielgruppe von Medien, das schnell mit der Realität verwechselt wird, obwohl es zunächst nicht mehr als das Bild der vermittelnden Journalisten ist. Da diese Bilder nicht die Realität sind, müssen sie kritisch durchleuchtet werden.

Was für „ferne Länder“ gilt, ist auch für europäische Länder zutreffend, die einzig mit Schlagworten wie Korruption, Kriminalität und Krieg hier und da für Aufsehen in der deutschen Presse sorgen. Eine mediale Instanz ist wohl der Spiegel, der als eines unter sehr wenigen „Meinungsbildern“ hin und wieder über die Republik Moldau informiert. Während in vielen Zeitungen Randnotizen über die Ereignisse nach den umstrittenen Wahlen gelesen werden konnten, versucht Uwe Klußmann in seinem Spiegel-Online-Artikel Europas Armenhaus wird zwischen Ost und West zerrieben vom 19.4. Hintergrundinformationen zu liefern – auf eigene Weise.

Sein Artikel vermittelt einmal mehr den Eindruck, die meisten Einwohner der Moldau wünschten einen sofortigen „Anschluss“ an Rumänien. Dass ausgerechnet dieses Bild von Vladimir Voronin, dem kommunistischen Präsidenten und Sieger des angefochtenen Wahlergebnisses, persönlich mit aufgebaut wurde, das schreibt Klußmann nicht. Dabei wurde längst enttarnt, dass es eigens vom Staat zu Show-Zwecken eingesetzte Provokateure waren, die nach Vereinigung riefen und rumänische sowie EU-Flaggen schwenkten (siehe Weiter Unklarheit in Chişinău). Es ist gar nicht sicher, dass die demonstrierende Masse viel mehr wollte, als einfach nur über die schmutzigen Wahltricks der Regierungspartei aufgeklärt zu werden und faire Neuwahlen zu fordern. Das Bild der staatsgefährdenden Großrumänien-Anhänger entstand im Interesse Voronins, der seine autoritären Gebärden so angesichts eines vermeintlichen rumänisch gesponserten Putsches rechtfertigen konnte. Dass nun das Bild der Vereinigungs-Provokationen sogar bei Spiegel Online auftaucht, bedeutet sicher einen medialen Erfolg für Voronin.

Die zurecht kritisierte Korruption der Regierenden in Moldova ruft bei Klußmann weitere Bildhaftigkeit auf den Plan. Feuilletonistische Ausdrucksweisen wie der „brummelige Bonze“ mögen zum Schmunzeln anregen, wobei generell interessant ist, ob solche etwas herabschauenden Formulierungen in der deutschen Pressesprache auf Berichte über bestimmte geografische Räume reduziert sind. Schwieriger wird es dann schon mit dem Begriff „Clan“ und dem „Z***baron“, an den sich Klußmann von Voronin erinnert fühlt. Wird hier an die beim Leser vorausgesetzten rassistischen Vorurteile appelliert?

Warum sonst werden hier die „Z***“ erwähnt? Und welches Bild sollen diese genau implizieren? „Machenschaften“? „Unzivilisiertheit“? „Die Wilden da unten“? Genügt es nicht, neben dem „brummeligen Bonzen“ darauf hinzuweisen, dass dieser und auch sein Kabinett korrupt sind? Offenbar nicht, also hält „der Z***“ her. Der „Z***baron“ wohlgemerkt. In einem etablierten deutschen Medium wird im 21. Jahrhundert ein ethnisches Attribut verwendet, um eine verwerfliche Eigenschaft zu beschreiben. Bei anderen ethnischen Gruppen wäre dies tabu, die „Z***“ hingegen sind wohl noch uneingeschränkt zur Negativ-Bebilderung „nutzbar“.

Dass dann von „cleveren KP-Ideologen“ mit ihrer „Taschenspieler-Art“ die Rede ist, gehört ins selbe Bild. Das Bild von der Republik Moldau. Ein Bild.


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