Signal, 25.4.2009

Kurzfilme in Timişoara, eine Neurscheinung von Andrei Oişteanu und ein Diskussionsabend in Berlin


Die Rubrik „Infos“ wurde aufgelöst. Stattdessen erscheinen Kurzhinweise ab sofort nicht mehr separat, sondern sie werden unter der Überschrift Signal in die Artikel-Erscheinungen eingereiht. (Das alles kann per RSS-Feed abonniert werden.)

Die unregelmäßig auftauchenden Signale werden auf künstlerische, wissenschaftliche, mediale oder anders kategorisierbare Ereignisse und Vorkommnisse hinweisen.

Das heutige, erste Signal ist dreiteilig mit Anhang. Es erreicht uns aus Berlin, Timişoara, einer Lincoln-Bukarest Verbindung und durch die Ultra-Kurzwelle.

Podiumsdiskussion am 27.4.09 in Berlin: „Die rumänische Sprache: Herkunft, Entwicklung, Verbreitung – traditionelle und moderne Sichten, Kontroversen und Instrumentalisierungen“. Rumänisches Kulturinstitut Berlin und Deutsch-Rumänische Gesellschaft laden zu einer Podiumsdiskussion zwischen Larisa Schippel (Berlin) und Wolfgang Dahmen (Jena) über „eine der interessantesten romanischen Sprachen“ ein.

Neurerscheinung von Andrei Oişteanu: Inventing the Jew – Antisemitic Stereotypes in Romanian and Other Central-East European Cultures, University of Nebraska Press, Lincoln 2009. Von ihm erschien in deutscher Sprache zuletzt Das Bild des Juden in der rumänischen Volkskultur. Informationen und Kommentare zu der Neuerscheinung sowie ein Auszug sind in englischer Sprache auf der Verlags-Homepage zu finden.

Kurzfilmfestival vom 6.-10.5.09: Timishort Filmfestival in Timişoara. Und zwar zum ersten Mal, also sicherlich empfehlenswert – u.a. mit dem Film „The Sea“ von dem Berliner Schweden Jöns Jönsson. Mehr: Rumänisch bei hotnews und Englisch auf der Veranstalter-Homepage.

PS: Bei D-Radio Kultur gab es am Donnerstag eine 3-minütige Audio-Notiz zu den moldauischen bzw. rumänischen Ereignissen der letzten Tage, hier nachlesbar.

Moldawien oder Moldau und deutsche Medien

Von einem plötzlich thematisierten Land, das in der deutschen Presse zwei Namen hat


Jetzt, da es in der Republik Moldau knallt, wird in deutschen Medien nachträglich auch erwähnt, dass in dem EU-Anrainerstaat am letzten Sonntag Parlamentswahlen stattgefunden haben. Die Mehrheit der deutschen Printmedien hatte die Wahlen unter den Tisch fallen lassen, ansonsten berichteten einige Radiosender, wie mdr-Info oder auch die schweizerische NZZ – deutsche Tageszeitungen wie FAZ, FR, Süddeutsche und taz verpassten, vergaßen oder ignorierten diesen Wahltag in einem europäischen Land.

Nach wie vor ist in vielen deutschen Medien (und daran angelehnt auch bei wikipedia) von „Moldawien“ die Rede, während dieser Staat offiziell schon lange „Republik Moldau“ heißt (NZZ und FAZ sagen Moldau, Spiegel teilweise). Bei der Namenswahl von Staaten in Fremdsprachen werden die Präferenzen der bezeichneten Länder übrigens mit beachtet, die deutsche Bezeichnung ist also im Sinne der Republica Moldova.

Wer nun trotzdem noch zwischen den beiden Namen aussuchen möchte, sollte sich die Herkunft beider deutschsprachiger Bezeichnungen vor Augen führen:

Moldau: Das Problem wird in der Überschneidung mit der Bezeichnung des tschechischen Flusses gesehen. Aber der Begriff bezeichnet auch das historische „Fürstentum Moldau“ und hatte sich als solcher spätestens mit der deutschen Übersetzung von Dimitrie Cantemirs „Beschreibung der Moldau“ 1771 im deutschsprachigen Raum durchgesetzt. Dieser Begriff bildet als Übersetzung des rumänischen Namens Moldova bis heute die Grundlage für die Bezeichnung der rumänischen Region Moldau und des Staates Republik Moldau.

Moldawien: Dieser Begriff ist der Versuch einer Übersetzung der russischen Bezeichnung „Moldavija“. Das Wort Moldawien als Name verbreitete sich in der deutschen Sprache, als mit dem deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt zwischen Hitler und Stalin die Region Bessarabien (heute in etwa dem Territorium der Republik Moldau entsprechend) von Rumänien an die Sowjets ging. Damit wurde „Moldova“ zu „Moldavija“ und im Deutschen Moldau zu Moldawien. Während der Zeit Moldovas als Sowjetrepublik war Moldawien die offizielle deutsche Bezeichnung des Staates.

Der Begriff Moldawien ist nicht problematisch, weil er eine Übersetzung aus dem Russischen ist, sondern weil das benannte Land die Bezeichnung „Republik Moldau“ nach 1990 selbst mitgewählt hat. Teilweise wird im Deutschen auch der Begriff Moldova verwendet, um dem Problem der Übersetzung aus dem Weg zu gehen.

Bei der Hauptstadt Chişinău ist interessant, dass die russische Bezeichnung Kišinev (Kischinjev) in der deutschen Sprache überhaupt nicht mehr verwendet wird – angelehnt, an die heute in der Republik Moldau übliche Bezeichnung der Stadt. Aber in verschiedenen Fernsehsendungen wird einfach die deutsche Aussprache für den moldauisch/rumänischen Namen verwendet („Schisinau“) – darum hier einmal die in etwa korrekte Aussprache:
Chişinău = “ Ki-schi-näou „.


andere Artikel über Republik Moldau

Spannungen zwischen Republik Moldau und Rumänien

Anzeichen einer Kaltfront

Das angespannte Verhältnis zwischen Rumänien und der Republik Moldau wird mit Blick auf die am kommenden Sonntag (5. April) bevorstehenden moldauischen Parlamentswahlen immer kühler. Nachdem rumänischen Meldungen zufolge (hier eine auf Englisch) inzwischen mehrfach rumänischen StaatsbürgerInnen die Einreise in die Repblica Moldova verwehrt wurde, richtete der rumänische Außenminister Christian Diaconescu heute scharfe Worte an das Parlament in Chişinău. Er forderte die moldauische Regierung auf, den rumänischen Staatsbürgern das Recht auf freie Mobilität und das Einreiserecht nach Moldova zu gewähren, das in den letzten drei Tagen über 200 Personen durch die Behörden verwehrt worden sein soll.

„Wir zeigen uns enttäuscht darüber, dass die Behörden in Chişinău ihre Verpflichtungen verletzen, die sich aus dem Bündnis mit der Europäischen Union ergeben. […] Die Einschränkungen der Reisefreiheit von Bürgern im europäischen Raum zeugen vom Fehlen tatsächlichen Einsatzes auf dem Weg nach Europa, der von Rumänien in Brüssel energisch unterstützt wird.“ (die ganze Pressekonferenz als Text und Audio beim rum. Außenministerium und als Video ungeschnitten bei Antena3, beides auf Rumänisch)


Die neue Unterkühlung zwischen der Republik Moldova und Rumänien kann nur vor dem Hintergrund der Geschichte beider Länder gesehen werden, die eng miteinander verbunden ist. Die Mehrheit der moldauischen Staatsbürger braucht keine neue Sprache zu lernen, um Rumänisch zu verstehen, und doch heißt die Staatssprache der Republica Moldova „Moldauisch“. Die eigene Bezeichnung der Sprache ist in der ehemaligen Sowjetrepublik ein letztes, wenn nicht das zentrale identitätsstiftende Element, das die Abgrenzung zu Russland und Rumänien sichert, die beide historisch bedingte Verbindungen zu der Region haben (zum Problem der Nationalsprache in der Republik Moldau siehe eine überblickgebende Arbeit zu dem Thema als pdf, von 2005).


andere Artikel über Republik Moldau

Bukarest im Frühling

[Trigger-Warnung: Hinweise auf die rassistische Fremdbezeichnung von Rom_nija]

Wo verändert wird und wo nicht

Tatsächlich ist in Bukarest bereits der Frühling spürbar. Die Erneuerungen sind unübersehbar.

Die Veränderungen in dieser Stadt sind rasant, aber nicht immer im Interesse aller Bukarester. Inzwischen formiert sich Widerstand gegen die Kommerzialisierung und Entgrünung öffentlicher Plätze in der Innenstadt (siehe zwei rumänische Blogs dazu). Der rumänische PSD-Politiker Cristian Diaconescu (momentan rumänischer Außenminister) ging 2008 als Bürgermeister-Kandidat auf Wählerstimmenfang mit der Forderung, das Stadtzentrum nicht den Banken und Juwelier-Shops zu überlassen, sowie mit der Vision einer riesigen Fußgängerzone in der Calea Victoriei. Er wurde nicht Bürgermeister und seine Konkurrenten hatten andere Visionen.

Reflexartige Veränderungen sind ja in Rumänien nicht nur in der Gestaltung der Hauptstadt zu beobachten, sondern spiegeln sich auch in den Wünschen der Sprachgestaltung mit Blick auf die ungeliebte Minderheit der Roma wieder. Der neueste Coup in dieser Richtung ist eine Gesetzesinitiative („proiect de lege“) der Tageszeitung Jurnalul National, in der die Ersetzung des Terminus Roma durch den Begriff „[***]ner“ („ț[***]“) gefordert wird, um nicht den Ruf Rumäniens im Ausland zu schädigen. Im entsprechenden Artikel wird tatsächlich mit dem Hinweis auf die Wortähnlichkeit zwischen Roma und România beklagt, dass ehrlich arbeitende RumänInnen in Italien und anderen westlichen Ländern unter den kriminellen Taten „dieser Ethnie“ Roma zu leiden hätten – weshalb der Begriff „[***]ner“ endlich wieder den klaren Unterschied zur Geltung bringen solle. Mal sehen, wie weit es dieses „Gesetzesprojekt“ schafft.

In anderen Bereichen der Namens- und Sprachgestaltung ist man in Rumänien viel weniger für Veränderung bereit, im Untergrund. Schaut man sich den Plan der Bukarester Metrou an, fallen zwischen den Namen lange verwester Männer besonders die Stations-Bezeichnungen aus Zeiten des nominellen Sozialismus auf: „Platz der Helden“, „Neue Zeiten“, „Platz der Arbeit“, „Jugend“, aber auch „Verteidiger der Heimat“ und „Volksarmee“.


Metrou-Station „Jugend“


Einer der bekanntesten Treffpunkte, die Unterführung der U-Bahn-Station „Universitate“, wurde nun komplett saniert und ist ganz frisch wieder nutzbar – die Geschäfte sind noch nicht einmal wieder eingezogen. Dafür erinnert der Ort nun an eine Hotel-Lobby, und nicht mehr an eine Metrou-Unterführung.


Metrou-Station „Universität“


Nach wie vor existieren Veränderung und Stillstand in Bukarest in extremer Weise nebeneinander. Interessant sind hierbei insbesonere die Prioritäten – was muss verändert werden und was ist Nebensache. Während die Roma wieder „[***]ner“ genannt werden sollen, bleibt die „Verteidigung der Heimat“ unangetastet.

ALDI fürchtet immernoch auch deutsche Räuber

Für mehr Gleichberechtigung bei der Diskriminierung


Am Eingang einer der beiden zentralen ALDI-Filialen in Jena hängt dieses Schild:

Foto: Hendrik Kraft, sibiuaner.de, some rights reserved, Creative Commons License

Das hängt dort schon länger, aber bei genauerem Betrachten fiel mir neulich wieder auf, dass der erste Absatz auf Deutsch ist. Vermutet man den potentiellen Dieb also auch in den eigenen nationalen Reihen? In den letzten vier Absätzen werden gezielt die polnischen, türkischen, rumänischen und russischen ALDI-Kunden darum gebeten, von Überfällen abzusehen. Das ist aber diskriminierend gegenüber Franzosen, Spaniern, Italienern, Brasilianern, Schweden, Tschechen, Albanern, Chinesen, Indern, Peruanern … , denn hier wird davon ausgegangen, dass diese alle die deutsche Sprache beherrschen oder aber auf die Fremdsprachenkenntnisse hilfsbereiter ALDI-Kunden zurückgreifen. Denn wie sollen die englischsprachigen Zeilen den gesamten restlichen internationalen Kundenkreis neben Rumänen, Türken, Russen und Polen abdecken?

Bis der Absatz ins Irische übersetzt wurde, müssen zumindest jene Räuber, die im irischen Limerick vor kurzer Zeit den ALDI-Safe geklaut haben mit den englischen Zeilen Vorlieb nehmen. Es sei denn, sie entstammen einer der vier auf dem deutschen Schild angesprochenen Sprachgruppen – dann kann der irische ALDI sicherlich von der in deutschen Filialen praktizierten Völkerverständigung lernen.