Presserat rät rätselhaft

Die institutionalisierte Hüterin der Presse-Moral trifft hier und da seltsame Entscheidungen



Wenn Uwe Klußmann bei Spiegel Online (und zwar im Ressort Politik) den „Z***baron“ aus der Klischee-Kiste holt, um einen ausländischen Politiker moralisch abzuwerten, so hält das der Deutsche Presserat für einen legitimen „musikhistorisch-literarischen“ Vergleich und nicht für Rassismus. Wenn dann das Satiremagazin Titanic seinen Job macht und den Presserummel um Robert Enkes Suizid treffend karrikiert, dann sei das ein Verstoß gegen die Menschenwürde.

Diese Entscheidungen des Presserats sind die eigentliche Satire. Aber sicher unbeabsichtigte.

Untergrund-Gender

Der Ton macht die Musik


In der Berliner U-Bahn ist die weibliche Stimme von Ingrid Metz-Neun weit verbreitet für die Stations-Ansagen. Ich glaube, männliche Sprecher gibt es für die Stationen der U-Bahn in Berlin gar nicht. Aber: Einsteigen und Zurückbleiben werden von einer männlichen Stimme erbeten.


Bukarester Metrou, Bild-Linzenz: CC (Quelle: ro.wikipedia.org)


In der Bukarester Metrou werden die Warnung „Atenţie, se-nchid uşile!“ wie auch die Stationen von der gleichen, weiblichen, Stimme angesagt.

Die Verheißung zukünftiger Aufenthaltsorte wird einer Dame überlassen. Aber dem gemeinen Preußen wird nicht zugetraut, dass er sich auch von einer Frau bevormunden lässt. Da sind die Rumänen schon weiter …

Z***baron, Judenzins und N***kuss

Für den Deutschen Presserat ist die Bezeichnung „Z***baron“ nicht diskriminierend, sondern ein „musikhistorisch-literarischer Vergleich“.


In Uwe Klußmanns Artikel zur politischen Lage in der Republik Moldova vom April 2009, Europas Armenhaus wird zwischen Ost und West zerrieben, war mir die Verwendung rassistischer Stereotype unangenehm aufgestoßen (Medien machen Moldau). Im Zusammenhang mit der Korruption des „Familienclans um den Präsidenten Wladimir Woronin“ vergleicht er diesen mit einem „Z***baron“. Begriffe wie „Woronin-Clan“, „clevere KP-Ideologen“ und ihre „Taschenspieler-Art“ bestimmen die persönliche Note Klußmanns zur Beschreibung der politischen Lage in Moldova.


Screenshot von: http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,619586,00.html


Insbesondere die Bezeichnung „Z***baron“ trägt in dem Zusammenhang eine rassistische Konotation. Die von Klußmann aufgeführten negativen Eigenschaften Woronins (Misswirtschaft, Korruption, Clanstruktur, Bonzentum) werden mit einem ethnischen Attribut versehen. Wohlgemerkt geht es gar nicht um Roma in dem Artikel, sondern um einen Menschen, der als schlecht dargestellt werden soll – hierfür appelliert Klußmann mit dem Begriff „Z***“ an die beim Leser vermuteten Vorurteile. (Ein Franzosenbaron oder Schwedenkönig etwa würde die erwarteten Assoziationen nicht erbringen).

Der Deutsche Presserat, die moralische Hüterin journalistischer Standards in Deutschland, ist anderer Meinung. Im Antwortschreiben auf meine Beschwerde zum Klußmann-Artikel heißt es:

„Der Autor verwendet einen musikhistorisch-literarischen Vergleich: Der amtierende Präsident Wladimir Woronin als „Z***baron“. Der Vergleich mag unglücklich gewesen sein, eine Herabsetzung aller mit „Z***“ umschriebenen Angehörigen der Gruppe der Roma enthält er allerdings nicht.“

Die „musikhistorisch-literarische“ Aufladung des „Z***baron“-Vergleichs ergibt sich für den Presserat scheinbar aus der gleichnamigen Strauss-Operette. Dass die Verwendung des Begriffs dadurch weniger rassistisch wird, glaube ich nicht. Im Gegenteil: Brigitte Mihok und Peter Widmann beschäftigen sich mit den fest etablierten, traditionellen Vorurteilen gegenüber „Z***“. Diese Geschichte eines europäischen Rassismus ist weit mehr als nur „unglücklich“

Weil ein rassistisches Stereotyp eine literarische oder „musikhistorische“ Tradition hat, ist es keinesfalls weniger rassistisch. Oder würde man bei Spiegel-TV „Zehn Kleine N****“ als Vergleich für irgendeine Situation heranziehen, nur weil es ein traditionelles Lied ist?

Der N***kuss ist aus den Läden verschwunden. Die Z***sauce noch nicht. In diesem Sinne repräsentiert der Presserat den gegenwärtigen Umgang mit rassistischer Bildsprache.

Würden Begriffe wie „Judenzins“ und „Wucherer“ in einem antisemitischen Artikel zur Finanzkrise vom Presserat gerügt werden? Oder rassistische Begriffe wie „Kanakenbande“ und „N***kriminalität“, wenn es um Polizeistatistiken geht? Sicherlich, denn diese Begriffe geben Problemen eine unberechtigte ethnische Dimension: Sie lassen Zusammenhänge zwischen Banken und Juden oder Kriminalität und „Ausländern“ als zwangsläufig erscheinen und reduzieren die bezeichneten Gruppen auf negative Zusammenhänge. Entsprechendes Vokabular ist darum zurecht geächtet.

Aber der Z***baron zur Veranschaulichung von Clan-Korruption? Da blicken wir auf eine musikhistorische, literarische Tradition zurück, die so schnell nicht zerstört werden soll.


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„Z***“ holt UEFA-Pokal

Einmal mehr – hält „der Z***“ her.


Einige europäische Journalisten nutzen für die „Belebung“ der Sprache, insbesondere bei der Beschreibung anderer Menschen, ausgewählte Elemente einer Bildsprache, die an die alten, rassistischen Stereotype vergangener Jahrhunderte erinnert. Uwe Klußmann konnte es sich nicht verkneifen, den moldauischen Präsidenten Voronin mit einem „Z***baron“ zu vergleichen, um die „Clan“-artigen Verstrickungen und die Korruption ein bisschen ethnisch zu bebildern (Medien machen Moldau) und jetzt haut Michele Brambilla in der Sportredaktion des italienischen Il Giornale in die gleiche Kerbe:

„Mircea Lucescu, der 64jährige rumänische Z*** von der Reservebank, nimmt den Pokal mit nach Hause: Schachtar Donezk schlägt Werder Bremen und gewinnt den letzten UEFA-Cup.“

Weniger aufsehenerregend wäre der italienische Artikel (Coppa Uefa Lucescu porta lo Shaktar alla prima vittoria europea), wenn Mircea Lucescu tatsächlich ein Rom wäre. Denn dann ginge es „nur“ darum, ob er sich gefallen lassen möchte, von anderen als „Z***“ bezeichnet zu werden – da das aber nicht der Fall ist, geht es darum, dass die Bezeichnung „Z***“ einen konkreten Zweck erfüllt: Genau wie beim „Z***baron“ von Klußmann soll „der Z*** von der Reservebank“ Assoziationen beim Leser wecken, die allgemein beim Begriff „Z***“ vom Leser erwartet werden. Im Falle Lucescus wird darauf angespielt, dass dieser als Trainer mehrmals die Clubs wechselte und nun den Pokal „mit nach Hause nimmt“. Beide Artikelschreiber scheinen sich auf den rassistischen Instinkt ihrer Leser im Zusammenhang mit dem Wort „Z***“ zu verlassen, oder sind vielleicht gar mitverantwortlich, dass dieser erst animiert wird.

Screenshot Johann Heinrich Zedlers Universallexicon/ Wikipedia (gemeinfrei)

Das rumänische Nachrichtenportal hotnews.ro berichtet von der Empörung, die die Bezeichnung „Z***“ für Lucescu unter den Lesern des italienischen Blattes auslöste, sowie von einem Offenen Brief der rumänischen Botschaft an die Zeitung. Für dieses offizielle rumänische Schreiben, in dem die rassistische und xenophobe Konnotation der Formulierung kritisiert wird, hat Michele Brambilla nach Angaben von hotnews.ro nur Zynismus und Ironie übrig, flankiert seine Sätze mit den Worten „liebe Freunde von der Botschaft“ und verweist reflexartig auf andere, die auch „Z***“ sagen.

Diejenigen, die ihre Sprache mit ethnischen Schubladen schmücken, berufen sich gern auf andere, die das auch tun, betonen ihre stets guten Intentionen und bewerten entgegnete Kritik als übertrieben. Diese Schutzhaltung, aber auch die Ignoranz gegenüber Minderheiten (seien sie ethnischer, religiöser, sexueller oder sonstwelcher Natur), sind symptomatisch für die Tradierung rassistischer und anderer Stereotype. Tabuisierung oder gar Verbote als Reaktionen auf derartige Entgleisungen in europäischen Medien sind Quatsch, stattdessen ist endlich die öffentliche Thematisierung von geduldetem Rassismus gegenüber Roma in der europäischen Presse nötig. Was hier in der Journalistensprache am Beispiel der „Z***“ zutage kommt, sind Mechanismen, die an anderer Stelle in Europa gern als „überwunden“ gefeiert werden.

Der europäische Rassismus ist nicht überwunden, wie der EU-Bericht über die Diskriminierung von Minderheiten kürzlich bewies (Vergessen in Europa). Die Roma brauchen kein Mitleid und keine Bewunderung, sondern Europa braucht eine ernsthafte, intensive Auseinandersetzung mit seiner Geschichte und den gesellschaftlichen Mechanismen der Ausgrenzung und Diskriminierung. Nur so könnte ein allgemeines Bewusstsein für Fälle rassistisch konnotierter Pressesprache entstehen – bis dahin aber muss auch für große europäische Medienhäuser „der Z***“ weiter herhalten.

Medien machen Moldau

Was Spiegel Online zu unserem Bild von einem Land (und von dem der Roma) beiträgt


Über „ferne Länder“ kann man sich oft nur indirekt informieren. Ein Mitteleuropäer, der nicht selbst an einen Ort reist oder mindestens Menschen von dort kennt, wird über diesen vornehmlich aus den Medien informiert. So entsteht ein Bild im Kopf der Zielgruppe von Medien, das schnell mit der Realität verwechselt wird, obwohl es zunächst nicht mehr als das Bild der vermittelnden Journalisten ist. Da diese Bilder nicht die Realität sind, müssen sie kritisch durchleuchtet werden.

Was für „ferne Länder“ gilt, ist auch für europäische Länder zutreffend, die einzig mit Schlagworten wie Korruption, Kriminalität und Krieg hier und da für Aufsehen in der deutschen Presse sorgen. Eine mediale Instanz ist wohl der Spiegel, der als eines unter sehr wenigen „Meinungsbildern“ hin und wieder über die Republik Moldau informiert. Während in vielen Zeitungen Randnotizen über die Ereignisse nach den umstrittenen Wahlen gelesen werden konnten, versucht Uwe Klußmann in seinem Spiegel-Online-Artikel Europas Armenhaus wird zwischen Ost und West zerrieben vom 19.4. Hintergrundinformationen zu liefern – auf eigene Weise.

Sein Artikel vermittelt einmal mehr den Eindruck, die meisten Einwohner der Moldau wünschten einen sofortigen „Anschluss“ an Rumänien. Dass ausgerechnet dieses Bild von Vladimir Voronin, dem kommunistischen Präsidenten und Sieger des angefochtenen Wahlergebnisses, persönlich mit aufgebaut wurde, das schreibt Klußmann nicht. Dabei wurde längst enttarnt, dass es eigens vom Staat zu Show-Zwecken eingesetzte Provokateure waren, die nach Vereinigung riefen und rumänische sowie EU-Flaggen schwenkten (siehe Weiter Unklarheit in Chişinău). Es ist gar nicht sicher, dass die demonstrierende Masse viel mehr wollte, als einfach nur über die schmutzigen Wahltricks der Regierungspartei aufgeklärt zu werden und faire Neuwahlen zu fordern. Das Bild der staatsgefährdenden Großrumänien-Anhänger entstand im Interesse Voronins, der seine autoritären Gebärden so angesichts eines vermeintlichen rumänisch gesponserten Putsches rechtfertigen konnte. Dass nun das Bild der Vereinigungs-Provokationen sogar bei Spiegel Online auftaucht, bedeutet sicher einen medialen Erfolg für Voronin.

Die zurecht kritisierte Korruption der Regierenden in Moldova ruft bei Klußmann weitere Bildhaftigkeit auf den Plan. Feuilletonistische Ausdrucksweisen wie der „brummelige Bonze“ mögen zum Schmunzeln anregen, wobei generell interessant ist, ob solche etwas herabschauenden Formulierungen in der deutschen Pressesprache auf Berichte über bestimmte geografische Räume reduziert sind. Schwieriger wird es dann schon mit dem Begriff „Clan“ und dem „Z***baron“, an den sich Klußmann von Voronin erinnert fühlt. Wird hier an die beim Leser vorausgesetzten rassistischen Vorurteile appelliert?

Warum sonst werden hier die „Z***“ erwähnt? Und welches Bild sollen diese genau implizieren? „Machenschaften“? „Unzivilisiertheit“? „Die Wilden da unten“? Genügt es nicht, neben dem „brummeligen Bonzen“ darauf hinzuweisen, dass dieser und auch sein Kabinett korrupt sind? Offenbar nicht, also hält „der Z***“ her. Der „Z***baron“ wohlgemerkt. In einem etablierten deutschen Medium wird im 21. Jahrhundert ein ethnisches Attribut verwendet, um eine verwerfliche Eigenschaft zu beschreiben. Bei anderen ethnischen Gruppen wäre dies tabu, die „Z***“ hingegen sind wohl noch uneingeschränkt zur Negativ-Bebilderung „nutzbar“.

Dass dann von „cleveren KP-Ideologen“ mit ihrer „Taschenspieler-Art“ die Rede ist, gehört ins selbe Bild. Das Bild von der Republik Moldau. Ein Bild.


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