Ringvorlesung Rassismusforschung TU Berlin 13: Stefanie Schüler-Springorum — „Antisemitismus, Rassismus, Menschenfeindlichkeit: Konzepte, Konflikte, Fragen“

13. und letzter Teil der Reihe Ringvorlesung Rassismusforschung

Am letzten Montag (8.2.2016) schloss Stefanie Schüler-Springorum die Ringvorlesung Rassismusforschung der TU Berlin / des ZfA ab. Unter dem Titel „Antisemitismus, Rassismus, Menschenfeindlichkeit: Konzepte, Konflikte, Fragen“ gab es einen Überblick zur Antisemitismusforschung in Deutschland mit punktuellen Bezugnahmen auf die anderen Beiträge der Ringvorlesung. Ich war dort und gebe hier wieder eine kurze Zusammenfassung.

Stefanie Schüler-Springorum beabsichtigt in ihrem Resumé keine Zusammenfassung der gehaltenen Vorträge zu geben. Vielmehr will sie, als Historikerin der deutsch-jüdischen Geschichte, verschiedene angesprochene Topoi aufnehmen und aus der Perspektive der Antisemitismusforschung betrachten. Drei wiederkehrende thematische Felder sind ihr hierbei besonders aufgefallen: die Frage der Subjektivität, das Problem der Objektbestimmung und die Bedeutung der jeweiligen politischen/sozialen Kontexte.

Subjektivität / Sprechenden-Position in der Antisemitismusforschung

An der aus Ethnologie und Cultural Studies bekannten Forderung nach der eigenen Positionierung als Wissenschaftler_in sei die Antisemitismusforschung bisher „vorbei flaniert“. Das gelte allerdings für die gesamte Geschichtswissenschaft in Deutschland.

Die geforderte subjektive Positionierung bringe Schwierigkeiten mit sich, wenn es um die Beziehung zwischen Forschenden und Inhalten bzw. Forschenden und Erforschten gehe: Konsequenterweise müsste z. B. die gesamte deutsche Osteuropaforschung in Frage gestellt werden, und auch Stefanie Schüler-Springorum selbst würde sich „nur noch um westdeutsche Mittelschichtmädchen kümmern“ können. Die Forderung nach Benennung der Sprechenden-Position müsse vor dem Hintergrund ihres ursprünglichen US-Kontextes und der dort herrschenden Ausschlüsse verstanden werden.

Die Genese der Antisemitismusforschung sei anders verlaufen, als die der US-Rassismusforschung, wenn nicht gar in völligem Gegensatz dazu. Im Berliner Antisemitismusstreit (1879-1881) seien viele nicht-jüdische Intellektuelle gegen antijüdische Positionen laut geworden. Und auch im anschließend gegründeten Verein zur Abwehr des Antisemitismus seien insbesondere nicht-jüdische Deutsche dem Antisemitismus entgegengetreten. Bis in die 1920er Jahre habe ein „nicht-jüdischer Kampf gegen Antisemitismus“ in Deutschland stattgefunden. Der habe in dieser Form auch als erstrebenswert gegolten, da Jüdinnen und Juden sich beim Thema Antisemitismus nicht dem Vorwurf einseitiger Parteinahme hätten aussetzen wollen.

Dafür seien an der Erforschung des Judentums in den 1920er Jahren insbesondere Juden beteiligt gewesen. Als verbreitete Erkenntnis habe gegolten, dass Nationalismus und Antisemitismus sich konzeptuell ausschließen. Stefanie Schüler-Springorum hebt die 1926 erschienene Arbeit Der Antisemitismus als Gruppenerscheinung : Versuch einer Soziologie des Judenhasses von F. Bernstein hervor. Die Soziologie insgesamt habe sich im 19.Jh. aus der Antisemitismusforschung entwickelt. Anknüpfungspunkte zeigten sich in der Frankfurter Schule der 1940er Jahre.

Nach 1945 gehörte die Ablehnung des Antisemitismus in beiden Deutschlands zur Staatsräson. Der Lehrstuhl für Neuere Geschichte an der TU Berlin mit Reinhard Rürup entwickelte sich zu einem Zentrum der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Antisemitismus. Nicht zufällig sei daher in enger Anbindung an die Geschichtswissenschaft der TU Berlin 1982 das Zentrum für Antisemitismusforschung entstanden, das nach Herbert A. Strauss und Wolfgang Benz heute Stefanie Schüler-Springorum leitet.

Die Antisemitismusforschung werde von jüdischen Akteur_innen überwiegend vernachlässigt. Auch sei die Antisemitismusforschung kein Teil der Jüdischen Studien, sondern gehöre nach wie vor zur historischen Forschung.

Untersuchungsobjekt / „die jüdische Erfahrung“

Die Fokussierung auf eine — oder die — gemeinsame „jüdische Erfahrung“ könne unpassend homogenisierend sein. Während es Sinn mache, angesichts der Sklaverei von einer afroamerikanischen Erfahrung auszugehen, sei das in Bezug auf jüdische Deutsche weniger sinnvoll, da keine gemeinsame Identität vorliege. In den USA hätten Jüdinnen und Juden als erste Weiße den Rassismus gegen Schwarze benannt und seien dagegen von Schwarzen in ihrer Position als Weiße kritisiert worden. In den USA herrsche eine Frontstellung zwischen Rassismus- und Antisemitismusforschung.

Kontexte

Zu den Vorträgen der Ringvorlesung sei anzumerken, dass historische Kontexte bei der Untersuchung von Rassismus nicht verschwimmen sollten. Etwa die Sklaverei in den USA müsse von innereuropäischer Unterdrückung klar unterschieden werden.

Die Frage nach den Ursachen von Menschenfeindlichkeit müsse im Zentrum stehen. Wissenschaftliche Ansätze dafür böten die Psychologie und die Geschlechterforschung. Die Konstruktion der Norm als männlich/hetero/christlich gegenüber der Devianz als weiblich/homosexuell/nichtchristlich sei auch im Antisemitismus sichtbar. Hier zeige sich die Verzahnung von Homophobie und Mysogenie mit Antisemitismus.

Die Abscheu vor Abweichung, wie sie in gängigen Geschlechtervorstellungen tradiert werde, könne zur Erklärung von Antisemitismus beitragen. In diesem Sinne zitiert Stefanie Schüler-Springorum eine von Henryk M. Broder vor dem Innenausschuss des Deutschen Bundestages im Juni 2008 dargestellte Position: Der Begriff ‚Ressentiment‘ eigne sich gegenüber ‚Vorurteil‘ besser in Bezug auf Antisemitismus, da Vorurteile harmlos seien und auf vermeintliches Verhalten abzielten. Antisemitische Ressentiments hingegen nähmen „dem Juden nicht übel, wie er ist und was er tut, sondern dass er existiert“ (die gesamte Rede von Broder ist bei welt.de dokumentiert). Die Ebene der Gefühle, die für das Ressentiment ausschlaggebend sei, dürfe bei der Untersuchung von Antisemitismus nicht unterschätzt werden.

Als weiterführdende Literatur empfiehlt Stefanie Schüler-Springorum A.G. GENDER-KILLER: Antisemitismus und Geschlecht.

Diskussion

  • Auf Nachfrage präzisiert Stefanie Schüler-Springorum, dass die Unterscheidung der Kontexte USA/Europa insbesondere wissenschaftsgeschichtlich vorzunehmen sei, da Sklaverei als globales System existiert habe.
  • In der Rassismusforschung müsse der gegen weiße Slaw_innen gerichtete antislawische Rassismus größere Beachtung finden.
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    In eigener Sache

    Damit endet die Reihe Ringvorlesung Rassismusforschung. Diese Blogpost-Reihe ins Rollen brachte ein Tweet von Magda Albrecht, wofür ich ihr danke!

    Von Fidesz bis Jobbik – Besorgniserregende Portraits aus Ungarn [goEast 2011]

    „Wir sind ganz normale Ungarn, die sich am Faschismus orientieren“


    Der Dokumentationsfilm Auf der Suche – ein Rechtsruck erschüttert Ungarn von Karolina Doleviczenyi sucht nach Beweggründen von Menschen in Ungarn, sich als politisch rechts zu bekennen. Das Resultat ist ein fragmentarischer, klischeeloser Einblick in die Gedanken von durchschnittlichen Leuten aus unterschiedlichsten Altersgruppen und sozialen Kontexten. Sie verknüpfen aktuelle, soziale Probleme mit der „historischen Ungerechtigkeit“ gegenüber Ungarn, die sie im Vertrag von Trianon sehen. Die Aussagen der Protraitierten reichen von rechtskonservativem, Fidesz-nahen Antikommunismus und Nationalismus („für ein Europa der Nationen“) bis hin zu Jobbik-üblichen radikal-antisemitischen und -antiromischen Verschwörungstheorien. Sie alle geben unterschiedlichsten Problemen und Ängsten nationale Kontexte und erkennen so in den „Schuldigen“ auch immer die Feinde Ungarns.

    Es sind nicht an den Rand gedrängte, sondern vorwiegend gut situierte, gebildete Menschen, die in Doleviczenyis Film zu Wort kommen. Der Rechtsruck hat die gesamte Gesellschaft erfasst und so hält eben eine junge, gut situierte Mutter es für einen Grund zur Scham, ihrem Kind bei Auslandsreisen innerhalb Europas „ständig“ erzählen zu müssen, dieses und jenes Land hätte früher mal zu Ungarn gehört.

    Doleviczenyi, die Ungarn aus ihrer Kindheit als fröhlich in Erinnerung hat, sagt, sie kann heute nur grimmige und gestresste Gesichter beim Spaziergang durch Budapest entdecken. Ihr Film verdeutlichte mir, mit welch alltäglicher Leichtigkeit und Überzeugung Menschen sich für ihre eigene Unzufriedenheit Sündenböcke suchen. Der Film entstand vor und endet mit der Parlamentswahl in Ungarn 2010, dem Land der aktuellen EU-Ratspräsidentschaft.

    Roberto Festa stellte in seinem Film Il Cuore D’Europa (Das Herz Europas) keine Fragen, er ließ die Kamera laufen. Parallel begleiten wir als Zuschauer_innen eine weibliche, Ende 30-jährige „Führungskraft“ in der Magyar Gárda (Ungarische Garde) und einen männlichen mitzwanziger Studenten über ein Wochenende. Der Film gibt einen Einblick in den konkreten Alltag zweier bekennend radikal-nationalistischer Menschen. Die weibliche Protagonistin erleben wir bei den Vorbereitungen eines „Gedenkmarsches“ für ein ermordetes Kind, das von der Garde zum Opfer von „Roma-Kriminalität“ stilisiert wird. Wir werden Zeug_innen eines folkloristischen Nazi-Theaters. Die Absurdität der Inszenierungen wird am Filmende im Abspann umso deutlicher, wo der Regisseur informiert, dass der geständige Mörder des Kindes zum Zeitpunkt des „Trauermarsches“ bereits seit drei Monaten inhaftiert war und kein Rom ist. Und der Aufmarsch fand nicht auf irgendeiner isolierten Wiese statt, sondern vor dem Bürgermeisteramt der Ortschaft und mit dem Bürgermeister als Hauptredner. Diese nationalistischen selbsternannten Ordnungshüter_innen sind keine Randgruppe, sie sind Teil des gesellschaftlichen Alltags.

    Die Nationalfolklore, die Märsche durch Dörfer, das paramilitärisch anmutende Training, der Drill, die Uniformen – all das sind ganz reale Tatsachen in einem EU-Land 2011. Der Film vermittelt einen Eindruck von finsteren, besorgniserregenden Entwicklungen in Ungarn. Es wurde konkret: die Sündenböcke wurden benannt und in antisemitischen und antiromischen Statements und Hassparolen ganz klar zum primären Ziel der Aggression erklärt. Die Erklärungsmuster über soziale Benachteiligung als Ursache für Nazi-Identitäten greifen hier nicht, so kommt etwa der portraitierte Budapester Jugendliche aus einem „bildungsnahen“ Haushalt, studiert Geschichte, arbeitet für ein Theater und seine Eltern sind Graveurin und Maler. Der junge Mann argumentiert nicht mehr nur mit Trianon: er schimpft, Juden sollen „zurück“ nach Israel, „N***“ raus aus Europa und er stellt sich nachts betrunken mit ausgestrecktem Hitlergruß-Arm vor das Holocaust-Memorial.

    Die Kamera vermittelt ein Bild der Beiläufigkeit und Banalität dieser Handlungen, erst im Nachdenken über das Gesehene erklärt sich ansatzweise, welches Ausmaß Nationalismus und Rassismus in Ungarn bereits erreicht haben dürften und wie verbreitet und alltäglich die wirklich offen gezeigten, derbsten Auftritte der radikalen Rechten dort sind. „Wir sind keine Nazis, wir sind einfache Ungarn, die sich am italienischen Faschismus orientieren“, sagen der Protagonist und seine Freunde in die Kamera.

    In beiden Filmen wurde deutlich, dass radikaler Nationalismus kein „Unterschichten“-Problem ist, sondern die Konsequenz aus alltäglichem, etablierten Rassismus ist, der sowohl schweigende als auch laute Zustimmung in einem momentan größer werdenden Teil aller Gesellschaftsschichten findet.

    „Deutschland, wohin zog es deine ***ner?“ – Teil 1

    [Trigger-Warnung: Screenshot mit ausgeschriebener rassistischer Fremdbezeichnung von Rom_nija, Hinweise auf die rassistische Fremdbezeichnung von Rom_nija]

    Die flotten 30er


    Gestern titelte die online-Ausgabe der Mitteldeutschen Zeitung: «Schwarzer ***ner» bringt Glück.

    Dieser lockere Titel mit Bezug zu deutschem Liedgut (für den Presserat vielleicht eine „musikhistorische“ Wendung) brachte mich auf die Idee, den Versuch einer kleinen Serie zu starten.

    Unter dem Titel „Deutschland, wohin zog es deine ***ner?“ sollen kleine Exkurse in die deutsche Kulturgeschichte unternommen werden. Das liebevolle Motiv des exotischen „***ner“, das auch bei den Deutschen bis heute in kreativer Vielfalt lebendig bleibt, soll neben einige Fakten gestellt werden, die für die tatsächlichen Lebensumstände sogenannter „***ner“ standen oder stehen.

    Die Spannweite einer Antwort auf die Frage „Deutschland, wohin zog es deine ***ner?“, die von „In das deutsche Volkslied“ bis zu „In die deutschen Gaskammern“ reicht, soll in der kleinen Serie ausgefüllt werden. Verdeutlicht werden soll damit auch, wie sich Bild und Wirklichkeit nicht nur widersprechen, sondern ausschließen können.

    Den Anfang macht das Lied „Du Schwarzer ***ner“, an das die Mitteldeutsche Zeitung uns gestern mit Blick auf einen verliebten Tanz von 1946 erinnerte. Eine der heute bekanntesten Interpretationen ist wohl die von Vico Torriani, 1953.

    http://www.youtube.com/watch?v=UAOu6rts79I


    Dieser bei den Deutschen nach wie vor beliebte Schlager steht für eine Unterhaltungskontinuität, die ohne historischen Entstehungskontext und politische Ereignisse der Zeit auskommt. Größere Verbreitung in Deutschland hatte das Schunkelliedchen auf Schallplatte in den 30er Jahren erlangt.


    Carl Lindström AG „Du schwarzer ***ner“ mit Luigi Bernauer, Wikipedia/ Mediatus (CC)


    Zu diesem Lied von Karel Vacek (Original: „Cikánka“) stammt die deutsche Übersetzung von Fritz Löhner-Beda, einem Juden, der 1943 in Auschwitz ermordet wurde. Der Tod dieses und anderer Menschen war kein Zufall. 1933 war nämlich eine Partei von reichsweit 44% der Deutschen gewählt worden, in deren Parteiprogramm seit 1920 unter Punkt 4 stand:

    „Volksgenosse kann nur sein, wer deutschen Blutes ist“.

    Mit diesem Punkt wurde von der NSDAP die konsequente Ausgrenzung der Juden und die Fortführung der schon unter der Weimarer Verfassung praktizierten „***nerbekämpfung“ versprochen. 1935 wurde dann mit dem „Reichsbürgergesetz“ und dem „Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre“ die juristische Grundlage zur praktischen Umsetzung des Wahlversprechens gelegt:


    „Blutschutzgesetz“, de.wikipedia.org (gemeinfrei)


    Damit war der Weg für die Juden und „***ner“ in Richtung Gaskammern geebnet. Die industrielle Vernichtung von Millionen Menschen konnte beginnen.

    Diese Zusammenhänge sind Nebensache, wenn es um ein verliebtes Pärchen im Jahre 1946 geht. Da bringt der „Schwarze ***ner“ nämlich schon wieder Glück. Nachdem er selbst gerade ein bisschen Pech hatte.


    Screenshot Mitteldeutsche Zeitung


    „Deutschland, wohin zog es deine ***ner?“ – Teil 2

    Antisemitismus in Wannsee, Wilmersdorf oder Wedding

    Dreimal darfste raten!


    „Die Jüdische Gemeinde hat sich besorgt über einen antisemitischen Angriff in Wedding geäußert“

    Mit diesem Satz beginnt eine Meldung, die sich in identischer Formulierung und mit Quellenangabe „ddp“ u.a. bei berlinonline, yahoo, euronews oder Open-Report finden lässt. Zur originalen ddp-Meldung habe ich keinen Zugang, tippe aber mal, dass das die tatsächliche Quelle ist, da sich die Online-Meldungen Wort für Wort gleichen.

    [update, s.u.:] Jedenfalls wurde die Jüdische Gemeinde Berlin, ob vom ddp oder den Medien, hier definitiv falsch zitiert. [update Ende, s.u.]

    Das Problem: der Vorfall passierte nicht in Wedding. Stattdessen gab es am letzten Wochenende zwei antijüdisch motivierte, gewalttätige Vorfälle – einen in Wannsee und einen in Charlottenburg-Wilmersdorf. Problemlos bei der Berliner Polizei nachlesbar: Erstere Tat ereignete sich am 26.3. mittags auf dem Vorplatz des S-Bahnhofs Wannsee und letztere (derzeit nur als Screenshot einer Google-Suche verfügbar) in der Nacht zum 27.3. am Wilmersdorfer U-Bahnhof Güntzelstraße. Die Güntzelstraße wird übrigens in der ddp-Meldung auch genannt und damit als Wedding verkauft.

    Auch die Rheinische Post verbannte einen antisemitischen Vorfall, allerdings nur per Kurzmeldung, nach Wedding – mit ddp-Kürzel.

    Ursache für die Weddingisierung der Vorfälle ist scheinbar ein ddp-Polizeimeldungssalat (und die Faulheit der anderen Medien, selbst nachzulesen): Eine dritte Polizeimeldung über eine Gewalttat am Weddinger Leopoldplatz (27.3. um 17 Uhr, ohne Hinweise auf antijüdische Motive) wurde hier offenbar einfach mit den offen antijüdischen Vorfällen gemischt.

    Wedding passt vielleicht besser ins Bild, wenn es um den Antisemitismus „südländisch aussehender“ Jugendlicher geht. In Wannsee und Wilmersdorf gibt es sowas nicht.

    Immerhin der Tagesspiegel berichtete korrekt – hätten Rheinische Post und berlinonline (!) mal lieber da abgeschrieben, statt vom ddp.

    update: (13.4.2010)
    Ich habe bei der Jüdischen Gemeinde Berlin nachgefragt, die Pressemitteilung liegt mir nun vor. Das Wort Wedding taucht darin nicht auf und wurde vom ddp also falsch zitiert. Ich frage beim ddp nach.

    update2: (16.4.2010)
    In einem Telefonat versicherte mir eine ddp-Mitarbeiterin, bei ihren Recherchen sei sie zunächst auf den Bezirk Wedding (U-Bhf. Leopoldplatz) als Ausgangspunkt des Vorfalls gestoßen, der in der U-Bahn bis zur Station Güntzelstraße andauerte und dort in Gewalt eskalierte, wobei sie sich auf ein Telefonat mit der Berliner Polizei berief. Die Pressemitteilungen der Berliner Polizei (ohne die Erwähnung Weddings) wurden erst nach der ddp-Meldung veröffentlicht. Damit wäre das Thema erledigt.

    Broders Wir-Gut-Die-Böse-Bausatz

    Eene meene Muh.


    Wolfgang Benz und seine inzwischen alte Position zum Vergleich von Islamophobie und Antisemitismus gefällt Henryk M. Broder nicht. Anstelle einer Diskussion legt Broder einfach ein Gesetz fest: Die Ursache des Antisemitismus liegt bei den Antisemiten, aber die Quelle der Islamfeindlichkeit liegt im Islam. So einfach.

    Laut Broder „ist der Antisemit sehr wohl in der Lage zu differenzieren, er bestimmt auch, wer ein guter und wer ein schlechter Jude ist.“ Stimmt. Und Broder bestimmt, wer ein guter und wer ein schlechter Mensch ist. Muslime sind schlechte Menschen und Islamfeindlichkeit ist eine Erfindung.

    Das praktische an Broders Bausatz ist, dass er für jede beliebige Gruppe der Welt funktioniert: Die Einschätzungen der Anderen über die eigene Gruppe enttarnt man problemlos als Stereotype (wir sind die Guten) – während die eigene Einschätzung der anderen Gruppe auf der knallharten Realität basiert (die Anderen sind wirklich schlecht).

    Und raus bist du.


    update:
    Gute, sehr detaillierte und lange Analyse der Broder-Benz-Diskussion im Kruppzeuch-Blog.