Allergisch auf Kritik und Proteste

Das harte Vorgehen gegen als Gewalttäter diskreditierte Demonstranten ist kein Ostblock-Phänomen


Für eine Auseinandersetzung mit den jüngsten Ereignissen in Chişinău lohnt es, den als Konflikt zwischen Opposition und Regierungspartei (zwischen Liberalen und Kommunisten) definierten Streit einmal im europäischen Verhältnis zu betrachten.

Es existieren scheinbar zwei klar definierte Konfliktparteien: Vladimir Voronin mit der „Partei der Kommunisten“ auf der einen und die „liberalen“ und „demokratischen“ Parteien auf der anderen Seite. Das ist der klassische Post-89er-Konflikt in einem vormaligen Sowjetstaat, in dem es nun eine Frage der Zeit wäre, bis die „alten Kräfte“ abgelöst würden. In diesem Kontext ist auch die deutsche Medienberichterstattung zu sehen, die die Parlamentswahlen in dem europäischen Land weitgehend (bis auf wenige Ausnahmen) ignorierte, um dann zwei Tage später in großem Maße zu berichten, als sich Überschriften mit Worten wie „Krawalle“, „Gewalt“, „blutig“, „oppositionelle Proteste“ etc. formulieren ließen.

Ansonsten ist die Ereignislage für deutsche Medien in Moldova ziemlich unspektakulär. Bei der sich „Kommunisten“ nennenden Regierungspartei ist keine eindeutig pro- oder anti-europäische Haltung erkennbar. Auf der einen Seite ist Moldova (im Gegensatz zu Georgien und Ukraine) bekennendes Mitglied der GUS und auf der anderen Seite gibt es das EU-Kooperationsabkommen sowie die Mitgliedschaft im NATO-Programm „Partnerschaft für den Frieden“. Diese zweiseitige Ausrichtung veranschaulicht die historisch bedingte Selbstverortung der modernen Republik Moldau.

Die Frage ist doch, ob die Zugehörigkeit des Landes Moldova zu zwei politischen Sphären zwangläufig als eine Konfrontation gedeutet werden muss – warum denn nicht als Bereicherung? War der Mauerfall nun der Beginn einer „Wiedervereinigung“ Europas oder nur die Verschiebung der westlichen Sphäre nach Osten?

Die Menschen, die momentan in Chişinău demonstrieren, verbinden mit der „kommunistischen“ Regierung einen autoritären Apparat aus der Vergangenheit, und dennoch ist Moldova weder Russland noch Belarus. Seit der Unabhängigkeit des Landes 1991 hat sich die Situation für die Moldauer nicht zum Besseren entwickelt (viele suchen außerhalb ihr Glück), aber die moldauischen Kommunisten unterwerfen sich den Gesetzen der Marktwirtschaft, wie jede europäische Partei. Vladimir Voronin ist ein kalkulierender Politiker, der ohne Angst, wahrscheinlich sogar gern, eine Zeitung wie die spanische El País für ein Exklusiv-Interview zu sich einlädt. Die Vorwürfe, die er sich für seine Politik machen lassen muss, sind jedenfalls nicht damit zu erklären, dass er sich als einen „Kommunisten“ bezeichnet.

Das übliche Kommunisten-vs.-Demokraten-Schema eignet sich nicht für den Konflikt in Chişinău. Hier stehen sich zwei Gruppen gegenüber, von denen die eine am politischen und individuellen Machterhalt interessiert ist und die andere den Anspruch auf diese Macht zur Geltung bringen möchte. Neben üblichen Mitteln des Wahlkampfs wurden seitens der Machtinhaber schmutzige Methoden verwendet, um es den Konkurrenten schwer zu machen (laut offiziellen Beobachtern hielt sich die Menge der schmutzigen Methoden aber in Grenzen). Die von der Opposition bewusst oder unbewusst mobilisierten Menschenmassen wurden von Vladimir Voronin, mit etwas Kosmetik angereichert, zum „Versuch eines Staatsstreichs“ hochstilisiert und so schaffte es die Republik dann doch noch in die Tagesschau. Hier funktionierte ein Mechanismus, der an das Bündnis der Medien mit der Gewalt erinnert. Vladimir Voronin hat die OSZE als Bürge für seinen Wahlerfolg, während die Opposition als gewalttätig diskreditiert werden soll.

Es braucht nicht bei Putin nach einer möglichen Vorlage für Voronins Vorgehen gesucht werden, denn es bieten sich Beispiele aus jüngster Vergangenheit in der EU, die dazu dienen könnten. Dies bezieht sich auf ganz konkrete Gesten der Machtdemonstration durch die Regierung Voronins in den letzten 14 Tagen. Derart brutales Vorgehen, willkürliche Verhaftungen und Misshandlungen durch die Polizei sind unentschuldbar und offen anzuklagen. Aber es gibt ganz offensichtlich Parallelen in der Intention, die „öffentliche Ordnung“ wiederherzustellen, wie sie im Falle des brutalen Vorgehens der Polizei in Genua 2001 existierte – und mit einem umstrittenen Gerichtsurteil endete. Eine weitere Erinnerung drängt sich mit der Behandlung von Demonstranten durch die deutsche Polizei in Heiligendamm auf, bei der auch nicht immer die Menschenrechte im Vordergrund standen. Für die Razzien im Vorfeld der Proteste wurde den deutschen Polizisten nachträglich vom Bundesgerichtshof sogar bescheinigt, geltendes Recht verletzt zu haben. Und auch an Rumänien sei erinnert, wo vor einem Jahr vom gewaltvollen Vorgehen der Polizei gegenüber friedlichen NATO-Gegnern die Rede war, die in ihrem Quartier, einer Fabrikhalle, überraschend besucht und (wohlgemerkt unter Ausschluss der Presse) zusammengeschlagen und brutal abtransportiert wurden.

Mag es Zufall sein oder nicht, fast zeitgleich, als das Schengener Abkommen für die deutsch-französische Grenze letzte Woche vorübergehend außer Kraft gesetzt wurde, was tausende friedliche Demonstranten von ihrem Zielort Straßburg abschnitt, wurde friedlichen Demonstranten auf dem Weg nach Chişinău an der rumänisch-moldauischen Grenze die Einreise verwehrt. Und welche Signalwirkung mag es haben, wenn einzelnen Journalisten das kritische Berichten von politischen Versammlungen wie dem NATO-Treffen verwehrt wird?

Es geht nicht um Ost-West, um Kommunist-Demokrat. Es geht um den ganz allgemeinen Grundsatz, dass staatliche Machthaber sich Proteste gefallen lassen müssen – und um deren Sicht auf diesen Grundsatz. Angesichts der Versuche, Unzufriedene und Demonstranten hart zu bekämpfen und zu Gewalttätern zu stilisieren, ist Vladimir Voronins Vorgehen in Chişinău weder speziell kommunistisch noch ostblock-typisch, sondern europäische Gangart. Diese behördlichen Gebärden werden hier wie dort unter derselben Überschrift veranstaltet: „Innere Sicherheit“.


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Weiter Unklarheit in Chișinău

NGOs und Medien zweifeln an Vladimir Voronins Glaubwürdigkeit, dieser sieht die Souveränität des Staates gefährdet


Die Neuauszählung der Wählerstimmen in der Republik Moldau steht fest und ist für den 15. April 2009 angesetzt. Während Opposition und zivile Organisationen der Regierung Wahlfälschung vorwerfen, sprechen internationale Beobachter von einer insgesamt demokratisch verlaufenen Wahl – wie hier ein OSZE-Beobachter im Interview auf deutsch. Für zweifelnde Wähler wurde zwecks Abgabe von Hinweisen auf Wahlfälschungen von Regierungsgegnern eine Internetseite eingerichtet. Sie fordern komplette Neuwahlen statt einer Neuauszählung.

Die gewaltvollen Ausschreitungen in Chişinău am Dienstag (7.4.09) bekommen mit einem jüngst aufgetauchten Video einen neuen Interpretationsrahmen. In dem Amateurfilm ist zu sehen, wie die Personen, die die rumänische und die EU-Flagge während der Eskalationen auf dem Dach des moldauischen Präsidentensitzes hissten, von einem Polizist dabei in Ruhe beobachtet wurden. (Bei DW auf Rumänisch thematisiert.) Demnach wäre diese symbolische anti-moldauische Geste im Einvernehmen mit den Behörden veranstaltet worden, denn niemand von den anderen Demonstranten soll Zugang zu den oberen Etagen gehabt haben. Die Regierung sieht sich nun mit Vorwürfen konfrontiert, sie habe die nationalistisch-rumänische Note der Proteste mit arrangiert, um die Demonstranten in Verruf zu bringen.

Daneben sorgen sich Demonstranten und auch die Presse um die einschüchternden Umgangsweisen ihnen gegenüber durch Polizei und Behörden. Amnesty International kritisiert die unverhältnismäßige Gewaltanwendung der Polizei. Rumänischer und moldauischer Journalisten-Verband richten ihre Appelle an europäische und internationale Institutionen und Medien, das Vorgehen moldauischer Behörden gegen die Meinungs- und Pressefreiheit (Verhaftungen, Ausweisungen, Einschüchterung) zur Kenntnis zu nehmen und bitten um Unterstützung.

Eine EU-Delegation befindet sich laut RIA Novosti bereits in Moldova, um die Lage zu beobachten. Am morgigen Dienstag sollen die Entwicklungen in der Republik Moldau auf EU-Ebene diskutiert werden.

Vladimir Voronin bleibt bei seinen Vorwürfen, der rumänische Staat habe sich geheimdienstlich in die Proteste der Opposition eingemischt bzw. diese initiiert. In einem heute, am Ostermontag online erschienenen Interview in der spanischen Zeitung El País spricht der moldauische Präsident nun auch von serbischen Staatsbürgern, die die Proteste mitgesteuert und -organisiert haben sollen (auf Rumänisch bei DW). In dem Interview betont Vladimir Voronin auch, dass er am Weg der Republik Moldau in die EU festhalten wolle, aber dieser führe „über Brüssel, nicht über Bukarest“.


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„Die Proteste spiegeln vor allem die Stimmung der jungen Generation wider“

Ein Interview mit Julian Gröger, Chişinău


Der Lektor der Robert Bosch Stiftung Julian Gröger steht im täglichen Austausch mit den Menschen in der Republik Moldau, vorwiegend auf Rumänisch, teilweise auf Russisch. Seit eineinhalb Jahren lebt er in der Hauptstadt Chişinău, die in den letzten Tagen international etwas aufmerksamer wahrgenommen wurde, als gewöhnlich.

Vor dem Hintergrund der jüngsten Ereignisse schildert Julian Gröger seine Eindrücke von den Hoffnungen, Wünschen und Ängsten der Moldauer.

Seit einigen Tagen gehen in Chişinău Menschen auf die Straße, um gegen das Wahlergebnis zu protestieren. Nach Medienangaben richten sich die Proteste gegen den Wahlsieg der Kommunisten, die das dritte Mal in Folge die Parlamentswahlen gewonnen haben. Kannst du etwas konkretere Angaben über die Unzufriedenheit machen, die in diesen Protesten zum Ausdruck kommt?

Julian Gröger: Viele junge Menschen, etwa auch meine Studenten, haben ihre ganzen Hoffnungen in diese Wahlen gelegt. Sie wollten das Land nicht verlassen, sondern waren sich sicher, dass im Frühjahr 2009 ein Wechsel stattfinden wird und Moldova einen klaren Kurs in Richtung Europa einschlagen würde. Am Montag hatte ich im Kurs zwei Studentinnen, die zu weinen anfingen. Sie konnten es nicht fassen, dass die Kommunisten ihre Macht sogar noch ausgebaut haben. Die Konsequenz ist bei vielen nun, dass sie dieses Land nun auch verlassen wollen, wie es ja schon ein Großteil der jungen Bildungselite getan hat. Für sie waren diese Versammlungen in den letzten Tagen sehr wichtig, um zu sehen, dass sie mit ihrer Verzweiflung nicht allein sind.

Spiegelt sich deiner Meinung nach die Stimmung aus dem gesamten Land in den Protesten wider?

Julian Gröger: Ich habe mich sehr gewundert, wie wenig im Vorfeld der Wahlen in der Öffentlichkeit, aber auch im Privaten, über Politik diskutiert wurde. Die Proteste spiegeln vor allem die Stimmung der jungen Generation wider, die ihre Zukunft in Europa sieht. Ältere Menschen gab es zwar auch vereinzelt auf der Straße – und viele haben Verständnis, aber gerade diejenigen Moldauer, die kein Rumänisch können, fühlen sich eher angegriffen und halten zum Präsidenten, Vladimir Voronin. Das Land war 1990 gespalten und ich habe die Befürchtung, diese Spaltung wird nun wieder deutlicher.

Welche Hoffnungen, Wünsche und Ängste haben die Menschen, die dort momentan auf die Straße gehen?

Julian Gröger: Die Opposition und eine Studentenvereinigung haben zu Protesten gegen das Wahlergebnis aufgerufen. Mit diesen Protesten kamen noch andere, tiefere Wünsche hoch. Vor dem Regierungsgebäude wurde die rumänische Fahne gehisst. Einige von ihnen träumen wohl von einer Wiedervereinigung mit Rumänien, andere wünschen sich eher ein starkes Moldova in der EU. Sie wünschen sich Reisefreiheit, mehr Chancen und ein höheres Lebensniveau. Außerdem haben sie die alten Kommunisten satt und haben Angst, dass alles nochmal so, mindestens vier Jahre lang, weiter geht. Sie haben Angst, ihre besten Jahre in einem Land zu verbringen, das ihnen wenig Chancen zur persönlichen Entwicklung gibt. Das waren meine Eindrücke.

Und welche Hoffnungen, Wünsche und Ängste haben die Menschen, die die „Partei der Kommunisten“ wählten?

Julian Gröger: Das sind wohl am meisten Leute von Dörfern, aus Gagausien oder andere Bevölkerungsteile, die kein Rumänisch beherrschen. Es ging die Angst um, dass bei einem Wahlsieg der Liberalen jeder Rumänisch beherrschen müsse, um eine Arbeit zu bekommen. Diese Wähler wünschen sich Stabilität und haben Angst vor Veränderungen. Natürlich hat auch die Weltwirtschaftskrise die Angst vor Liberalismus bekräftigt. Ich habe nicht den Eindruck, dass diese Wähler den Kommunisten wirklich vertrauen oder hoffen, dass das Leben mit ihrer Hilfe besser wird. Das Ansehen von Politikern in diesem Land ist generell denkbar schlecht. Sie fürchten dieses Schreckgespenst „rumänische Wiedervereinigung“ und wünschen sich höhere Renten.

Also gibt es bereits eine Aufspaltung innerhalb der Gesellschaft zwischen Rumänien- versus Russland-orientierten Menschen?

Julian Gröger: Ja, und leider reißen diese Risse gerade wieder weiter auf. Ich merke das an mir selber, wie ich in den letzten Tagen wieder genauer hingehört habe, ob jemand Rumänisch oder Russisch spricht. Leider hat es auch kein Politiker verstanden, diese zwei Lager zu einen und zu sagen, dass Moldova ein zweisprachiges Land ist und dass dies seinen Reiz und seinen Charakter ausmacht. Als der Vladimir Voronin eine Pressekonferenz auf Russisch hielt und ein Journalist ihn bat, auf Rumänisch zu sprechen (was er normalerweise auch tut), da antwortete der Präsident, er spreche kein Rumänisch, sondern nur Moldauisch. Er trifft damit eine Wunde, an der so viele, besonders junge Menschen leiden. Es wurde über Jahrzehnte versucht, eine Fake-Identität aufzubauen. Dass Moldova ein eigenes Staatsgebilde ist und sich auch durchaus auf mehreren Ebenen von Rumänien unterscheidet, stellt in intellektuellen Kreisen kaum jemand in Frage, aber warum kann man es nicht so sagen wie es ist: Es ist mit Rumänisch und Russisch ein zweisprachiges Land, in dem mehrere Volksgruppen friedlich zusammenleben. Das sind Moldauer.

Lässt sich eine Aufspaltung der Gesellschaft auch geografisch erkennen, etwa zwischen Stadt- und Landbevölkerung?

Julian Gröger: Gerade habe ich im Fernsehen gesehen, wie es in Comrat (Hauptstadt der russischsprachigen Gagausen im Süden) und sogar auch in Bălţi (zweitgrößte Stadt, nördlich von Chişinău) pro-kommunistische Demonstrationen gab. Ich habe gerade eher das Gefühl, dass Chişinău eine pro-europäische, liberale Insel ist. Einen großen Unterschied zwischen Land- und Stadtbevölkerung gibt es aber durchaus auch. Auf dem Land ist man es vielleicht einfach noch gewohnt, kommunistisch zu wählen. Dort ist der Altersdurchschnitt wesentlich höher als in Städten und die Abwanderung („Brain-Drain„) ist dort sehr deutlich spürbar.

Sprechen die Menschen problemlos Russisch und Rumänisch (bzw. „Moldauisch„) oder tendenziell eher nur eine der beiden Sprachen? Also gibt es eine tatsächliche Zweisprachigkeit der Bevölkerung oder nur zwei verschiedensprachige Gesellschaftsgruppen?

Julian Gröger: Die meisten jungen Menschen sind wirklich zweisprachig. Jeder, der Rumänisch als Muttersprache hat, kann auch sehr gut Russisch. Umgekehrt ist es nicht immer so, aber meistens. Etwas anders ist es bei den Älteren, die bis 1990 nur Russisch brauchten und auch bis heute kein Rumänisch gelernt haben. Einen Vorwurf kann man ihnen meistens nicht machen. Ich fand es in den letzten eineinhalb Jahre sehr cool, wie die Moldauer mit dieser Situation gelebt haben. Streitereien habe ich selten erlebt. Ich hoffe, diese positive Tendenz zur Zweisprachigkeit wird durch die neuesten Ereignisse nicht gestört.

Welche konkrete Rolle spielt Rumänien für die Menschen in der Republik Moldau?

Julian Gröger: Eigentlich eine sehr geringe. Ich wundere mich auch manchmal, wie wenig präsent die Rumänen hier sind. Internationale Kulturarbeit machen Franzosen, Polen, Deutsche und ein paar andere Staaten, aber Rumänien ist hier wenig sichtbar, auch was Programme für Studenten angeht. Bukarest ist für die meisten so, wie Moskau oder Rom, ein anderer Ort, an dem man arbeiten und mehr Geld als in Chişinău verdienen kann – mehr nicht.

Und welche Rolle spielt Rumänien für die moldauische Politik?

Julian Gröger: Der liberale Bürgermeister, der vor zwei Jahren gewählt wurde, sucht die Nähe zu rumänischen Politikern, die der Präsident tunlichst vermeidet. So kommt es zu den Situationen, dass vom Bürgermeister eingeladene, rumänische Politiker an der Grenze zu Moldova auf Order der Kommunisten nicht ins Land gelassen werden.

Und welche politische Rolle spielt Russland?

Julian Gröger: Durch das abtrünnige Transnistrien hat Moskau noch einen Daumen auf Moldova. Nur Moskau kann diesen Konflikt wohl lösen, wenn es denn mal will. Der Transnistrien-Konflikt hält Moldova in wirtschaftlicher, aber auch politischer Entwicklung stark zurück. Moldova ist daher auch 20 Jahre nach der Herauslösung aus der SU noch stark abhängig von Moskau – wirtschaftlich und politisch.

In den westlichen Medien heißt es, die Moldauer lehnen mehrheitlich eine einseitig russophile Politik und damit auch die politischen Entwicklungen in Transnistrien ab. Was ist dein Eindruck?

Julian Gröger: Ja, das ist unbedingt richtig. Vor vier Jahren musste Voronin im Wahlkampf starke pro-europäische Zugeständnisse machen, um die Wahl zu gewinnen. Seit dem fährt er einen Zickzack-Kurs. Mit einseitiger, russophiler Politik hätten die Kommunisten wenig Chancen gehabt. Ich habe das Gefühl, dass die große Mehrheit der Bevölkerung eher nach Europa schaut, als nach Russland.

Wie schätzt du die momentane emotionale Stimmung im Land ein? Droht tatsächlich Instabilität?

Julian Gröger: Heute (Mittwoch) bin ich durch die Straßen gelaufen und habe so etwas wie Katerstimmung verspürt. Es fühlt sich wie der Aufräum-Tag nach einem Festival an. Viele sind wohl auch schockiert von den gestrigen Ereignissen und deren Bilder, die das Moldauische Fernsehen nun rauf und runter spielt. Natürlich nutzen die Kommunisten mit ihrem Fernsehsender auch noch mal die Gelegenheit, zu zeigen, was für Randalierer da am Werk waren und lassen so die Opposition sehr schlecht aussehen. Ich habe das Gefühl, der Präsident hat die Bevölkerung heute genügend eingeschüchtert (Schießbefehle, harte Strafen etc.) und ich bin ziemlich sicher, dass sehr bald schon wieder normaler, „kommunistischer“ Alltag eintritt. Ich möchte mit den Anführungszeichen betonen, dass die sogenannten Kommunisten natürlichen keine im klassischen Sinne kommunistische Politik machen.

Vielen Dank nach Chişinău an Julian Gröger. Die Fragen stellte Hendrik Kraft.


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Moldawien oder Moldau und deutsche Medien

Von einem plötzlich thematisierten Land, das in der deutschen Presse zwei Namen hat


Jetzt, da es in der Republik Moldau knallt, wird in deutschen Medien nachträglich auch erwähnt, dass in dem EU-Anrainerstaat am letzten Sonntag Parlamentswahlen stattgefunden haben. Die Mehrheit der deutschen Printmedien hatte die Wahlen unter den Tisch fallen lassen, ansonsten berichteten einige Radiosender, wie mdr-Info oder auch die schweizerische NZZ – deutsche Tageszeitungen wie FAZ, FR, Süddeutsche und taz verpassten, vergaßen oder ignorierten diesen Wahltag in einem europäischen Land.

Nach wie vor ist in vielen deutschen Medien (und daran angelehnt auch bei wikipedia) von „Moldawien“ die Rede, während dieser Staat offiziell schon lange „Republik Moldau“ heißt (NZZ und FAZ sagen Moldau, Spiegel teilweise). Bei der Namenswahl von Staaten in Fremdsprachen werden die Präferenzen der bezeichneten Länder übrigens mit beachtet, die deutsche Bezeichnung ist also im Sinne der Republica Moldova.

Wer nun trotzdem noch zwischen den beiden Namen aussuchen möchte, sollte sich die Herkunft beider deutschsprachiger Bezeichnungen vor Augen führen:

Moldau: Das Problem wird in der Überschneidung mit der Bezeichnung des tschechischen Flusses gesehen. Aber der Begriff bezeichnet auch das historische „Fürstentum Moldau“ und hatte sich als solcher spätestens mit der deutschen Übersetzung von Dimitrie Cantemirs „Beschreibung der Moldau“ 1771 im deutschsprachigen Raum durchgesetzt. Dieser Begriff bildet als Übersetzung des rumänischen Namens Moldova bis heute die Grundlage für die Bezeichnung der rumänischen Region Moldau und des Staates Republik Moldau.

Moldawien: Dieser Begriff ist der Versuch einer Übersetzung der russischen Bezeichnung „Moldavija“. Das Wort Moldawien als Name verbreitete sich in der deutschen Sprache, als mit dem deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt zwischen Hitler und Stalin die Region Bessarabien (heute in etwa dem Territorium der Republik Moldau entsprechend) von Rumänien an die Sowjets ging. Damit wurde „Moldova“ zu „Moldavija“ und im Deutschen Moldau zu Moldawien. Während der Zeit Moldovas als Sowjetrepublik war Moldawien die offizielle deutsche Bezeichnung des Staates.

Der Begriff Moldawien ist nicht problematisch, weil er eine Übersetzung aus dem Russischen ist, sondern weil das benannte Land die Bezeichnung „Republik Moldau“ nach 1990 selbst mitgewählt hat. Teilweise wird im Deutschen auch der Begriff Moldova verwendet, um dem Problem der Übersetzung aus dem Weg zu gehen.

Bei der Hauptstadt Chişinău ist interessant, dass die russische Bezeichnung Kišinev (Kischinjev) in der deutschen Sprache überhaupt nicht mehr verwendet wird – angelehnt, an die heute in der Republik Moldau übliche Bezeichnung der Stadt. Aber in verschiedenen Fernsehsendungen wird einfach die deutsche Aussprache für den moldauisch/rumänischen Namen verwendet („Schisinau“) – darum hier einmal die in etwa korrekte Aussprache:
Chişinău = “ Ki-schi-näou „.


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Republik Moldau: Grenzen werden geschlossen

Moldova will Zeichen setzen


(8.4.09 14:30 / RO MOL 15:30)
Präsident Voronin trifft harte Maßnahmen. Da er im Nachbarstaat Rumänien die Verursacher für die Proteste in Chişinău vermutet, hat er laut RIA Novosti den rumänischen Botschafter aus Moldova ausgewiesen und die Visumspflicht für EU-Bürger, und damit auch für die rumänischen Nachbarn, wieder eingeführt. Die Oppositionsparteien geben derweil an, nichts mit der Organisation der Proteste zu tun zu haben.

Das rumänische Außenministerium reagiert verständnislos und bezeichnet die Maßnahmen als „Provokation“ gegenüber Rumänien. Es sei „inakzeptabel“, dass die „kommunistischen Machthaber in Chişinău die Verantwortung für interne Probleme Rumänien und rumänischen Bürgern anrechnen.“ Außerdem heißt es, man werde den Annäherungsprozess der Republik Moldau an die EU weiterhin von rumänischer Seite aus unterstützen.

Die Grenzen von Rumänien nach Moldova sind scheinbar so gut wie unpassierbar für rumänische Staatsbürger. Auch Eisenbahnlinien sind an den Grenzen offenbar unterbrochen.


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