Amnesty fordert Aufklärung rechtswidriger Polizeigewalt

Sensibilisierung zu einem verdrängten Thema


Am 7.Juli 2010 veröffentlichte Amnesty International im Rahmen der Kampagne „Täter unbekannt“ einen ausführlichen Bericht, in dem

„ernstzunehmende Vorwürfe von mutmaßlicher Misshandlung und unverhältnismäßiger Gewaltanwendung durch Polizeibeamte in Deutschland“

dokumentiert werden. Immerhin nehmen die Medien den Amnesty-Bericht zur Kenntnis – ob dem aber eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Thema Polizeigewalt und -willkür in Politik und Medien folgt, wird sich in der nächsten Zeit zeigen. Die Polizei selbst muss natürlich in die Diskussion auch mit einbezogen werden – obwohl bzw. gerade weil sie mit dem Thema Gewalt in den eigenen Reihen überfordert zu sein scheint.

http://www.youtube.com/watch?v=zxhpUal_RG8

Ein Berliner Polizist, ein Toter und die Gewalt

Ein Urteil


Am Samstag wurde ein Berliner Polizist vom Landgericht Neuruppin verurteilt, weil er einen Neuköllner Kleinkriminellen in Schönfließ erschossen hatte. Die Verurteilung zu zwei Jahren Haft auf Bewährung blieb nicht reaktionslos.

Der Fall war von Panorama bereits im März 2009 thematisiert worden. In dem aufschlussreichen Beitrag wurde in diesem Zusammenhang auch über weitere Fälle von Gewalt in den Reihen der Polizei und die Ohnmachtsgefühle der Opfer berichtet.
http://www.youtube.com/watch?v=Ok8YthIqv7w

Nationalismus 2.0 – Deutschland Deutschland überall

„… und ein dickes Sorry für den Zweiten“


Der Nationalismus 2.0 geht um. Und zwar als Massenphänomen. Und genau deswegen ist auch eigentlich nichts neu am „neuen“ Patriotismus. Nur, dass man jetzt die Unverkrampftheit immer betont. Ansonsten bleibt es das Wesensmerkmal des Nationalismus, dass eine große „Masse“ unhinterfragt jeden Murks (Fähnchen, Fahnen, Autospiegelnationalisierung) mitmacht. Aus einem Gefühl der Zugehörigkeit.

Die Tatsache, dass nun auch Menschen mit sogenannten Migrationshintergründen die schwarz-rot-goldene Fahne schwenken, wird gern als Beleg für die neue deutsche Offenheit angeführt. Dabei ändert sich der abstrakte Charakter dieser Idee namens „Nation“ keineswegs. Wer konkret mitmachen darf im Deutschsein, entscheidet sich nicht beim Fahnenschwenken.

Die realen Nationalstaaten Europas sind alles andere als offen. Lasst euch von Freunden aus Nicht-EU-Ländern mal erzählen, welche teils demütigenden Schikanen man nehmen muss, bis man eine Erlaubnis zum längeren Verweilen in Deutschland erhält oder sogar (wenn überhaupt) deutscher Staatsbürger werden kann.

Seit 2006, als Nationalismus in Deutschland cool wurde, gibt es kaum mehr neue Einwanderung. Und für die Menschen, die aus Angst um Leib und Leben gerne hier bleiben würden, bleibt die deutsche „Nation“ verschlossen. Das alles ist Deutschland.

Die deutsche Fahne schwenken dürfen alle, auch die Touristen beim Public Viewing am Alex. Den entscheidenden Unterschied zwischen Schwarz-Rot-Geil und deutscher Staatsbürgerschaft bekommen die Menschen zu spüren, die einen Ausweisungsbescheid im Briefkasten haben oder die bereits im Abschiebeknast sitzen. Darum hat es bei mir keine entkrampfende Wirkung, wenn ich die Nationalschlüpfer an den Autospiegeln sehe.

Auch die Berliner Rapper von K.I.Z wollen sich nicht vom Nationalstrom mitspülen lassen. Es wurde gezwitschert, dass einer der drei, Nico, es am gestrigen Freitag bei MTV auf den Punkt brachte:

„Patriotismus ist scheiße, das ist genau dasselbe wie Nationalismus.“

Dem National-Hype widmeten K.I.Z einen WM-Song namens „Biergarten Eden“ – eine hörenswerte Persiflage auf den etablierten Deuschbekenntnis-Rap.


http://www.youtube.com/watch?v=lcQnuydA4n4
(gefunden via Antifa Syke)

Lesenswert zum Thema: kurzer Kommentar von Alke Wiert bei taz online: Bitte gelassen bleiben.

Roma in der EU 2010 – ohne Rechte

Vom nicht lustigen Leben als Roma


Seit mehreren Monaten hat Amnesty International im Zusammenhang mit Menschenrechtsverstößen in der EU insbesondere die Situation der Roma in verschiedenen europäischen Ländern im Blick. Die Nichtregierungsorganisation bietet Informationen über Aufrufe und eigene Aktionen zum Thema Roma auf ihrer Homepage an.

In der taz berichtete Ende Mai 2010 Ralf Leonhard in seinem Artikel Bürger zweiter Klasse über die wichtige Arbeit der NGO zur Situation der Roma.

Innerhalb der EU werden Menschenrechte verletzt. Auch im Kosovo, wo die EU mit ihrer EULEX-Mission eine der wichtigsten verantwortlichen Institutionen des Protektorats ist, sieht es finster aus für Roma in Sachen Menschenrechte. Und dazu kommt, dass Deutschland weiter Roma dorthin abschiebt – und die anderslautenden Forderungen von Menschenrechtlern ignoriert.

Die Diskriminierungssituation wird in der EU offiziell zur Kenntnis genommen, dennoch konnte man sich auch auf dem Roma-Gipfel in Cordoba 2010 auf keine konkreten Maßnahmen einigen. Lippenbekenntnisse bleiben also die Hauptmaßnahme der EU und ihrer Länder. Und das, obwohl eine EU-eigene Studie 2009 zu dem Ergebnis kam, Roma seien die am meisten diskriminierte Minderheit in der EU.

Journalistischer Eiertanz

Zur selektiven Wahrnehmung der Neuwiedenthaler Gewalteskalation

Die brutale Gewalt, die den Polizisten in Neuwiedenthal widerfuhr und zu teilweise schweren Verletzungen führte, ist nicht zu rechtfertigen. Für eine journalistische Auseinandersetzung mit dem Geschehen dürfen keine Fakten weggelassen oder verdreht werden, wenn ernsthaft die Frage im Raum steht, wie es zu der Eskalation kommen konnte.

Ein Handyvideo zeigt die Situation bevor sie eskalierte. Dieses Video, in dem die Schläge eines Polizisten gegen einen wehrlos am Boden liegenden Mann zu sehen sind, wird inzwischen in den Medien thematisiert. Aber interessant ist, wie diese Thematisierung stattfinden kann: Welt Online bezieht sich auf die Aussage des Polizisten, er habe zugeschlagen, weil der am Boden Liegende ihm in den Unterleib hauen wollte, was aus dem Video nicht hervorgehe. Mit anderen Worten: die Schläge waren Selbstverteidigung. Wenn man sich das Video aber ansieht und insbesondere auch anhört, vernimmt man die deutlichen Worte desselben Polizisten, bestimmt für den am Boden Liegenden: „Soll ich dir in die Eier schlagen, oder was?“

Auf welchem Rechtsverständnis dieser Satz fußt, weiß ich nicht, dieser Ausruf ist den Journalisten von Welt Online zumindest keine Zeile wert – obwohl sie das Video thematisieren. Stattdessen wird nur die Schlag-Rechtfertigung des Polizisten und dessen Angst um den eigenen Unterleib thematisiert.

Auch Bild.de und Hamburger Abendblatt thematisieren zwar das Video und die Polizeischläge, aber die Eier-Schladgdrohungen des Polizisten werden mit keinem Wort erwähnt.

Ich empfinde das als journalistisches Herumwinden um vorliegende Fakten. Aus welchen Gründen auch immer werden die Leser o.g. Medien nur mit Bruchteilen dessen informiert, was an Informationen tatsächlich vorliegt. Eine ehrliche Auseinandersetzung mit dem Geschehenen ist das nicht. Wer die Androhung von Schlägen „in die Eier“ oder auch die Aufforderung „Komm her, du Feigling!“ aus dem Mund der Polizei ignoriert, ist nicht ernsthaft an der Beantwortung der Frage interessiert, wie es zu der gewalttätigen Eskalation in Neuwiedenthal kommen konnte.

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siehe auch: vom Gerichtsprozess zu dem Fall berichtet die taz (3.3.2011): Wenn Polizisten schweigen