Journalistischer Eiertanz

Zur selektiven Wahrnehmung der Neuwiedenthaler Gewalteskalation

Die brutale Gewalt, die den Polizisten in Neuwiedenthal widerfuhr und zu teilweise schweren Verletzungen führte, ist nicht zu rechtfertigen. Für eine journalistische Auseinandersetzung mit dem Geschehen dürfen keine Fakten weggelassen oder verdreht werden, wenn ernsthaft die Frage im Raum steht, wie es zu der Eskalation kommen konnte.

Ein Handyvideo zeigt die Situation bevor sie eskalierte. Dieses Video, in dem die Schläge eines Polizisten gegen einen wehrlos am Boden liegenden Mann zu sehen sind, wird inzwischen in den Medien thematisiert. Aber interessant ist, wie diese Thematisierung stattfinden kann: Welt Online bezieht sich auf die Aussage des Polizisten, er habe zugeschlagen, weil der am Boden Liegende ihm in den Unterleib hauen wollte, was aus dem Video nicht hervorgehe. Mit anderen Worten: die Schläge waren Selbstverteidigung. Wenn man sich das Video aber ansieht und insbesondere auch anhört, vernimmt man die deutlichen Worte desselben Polizisten, bestimmt für den am Boden Liegenden: „Soll ich dir in die Eier schlagen, oder was?“

Auf welchem Rechtsverständnis dieser Satz fußt, weiß ich nicht, dieser Ausruf ist den Journalisten von Welt Online zumindest keine Zeile wert – obwohl sie das Video thematisieren. Stattdessen wird nur die Schlag-Rechtfertigung des Polizisten und dessen Angst um den eigenen Unterleib thematisiert.

Auch Bild.de und Hamburger Abendblatt thematisieren zwar das Video und die Polizeischläge, aber die Eier-Schladgdrohungen des Polizisten werden mit keinem Wort erwähnt.

Ich empfinde das als journalistisches Herumwinden um vorliegende Fakten. Aus welchen Gründen auch immer werden die Leser o.g. Medien nur mit Bruchteilen dessen informiert, was an Informationen tatsächlich vorliegt. Eine ehrliche Auseinandersetzung mit dem Geschehenen ist das nicht. Wer die Androhung von Schlägen „in die Eier“ oder auch die Aufforderung „Komm her, du Feigling!“ aus dem Mund der Polizei ignoriert, ist nicht ernsthaft an der Beantwortung der Frage interessiert, wie es zu der gewalttätigen Eskalation in Neuwiedenthal kommen konnte.

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siehe auch: vom Gerichtsprozess zu dem Fall berichtet die taz (3.3.2011): Wenn Polizisten schweigen

Jedem seinen Mob

Ein Mob für die Welt (oder: Wenn er erstmal tobt)


„Hier hat sich der Mob ausgetobt“ titelte Welt Online gestern mit einem Joachim-Lenders-Zitat. Was mit „hier“ gemeint ist, sieht man in den Kommentarspalten: die sind nämlich leer und gesperrt. Auweia, was wurde da nur geschrieben, was zur Zensur in der Welt führte?

In einem neueren Welt-Artikel zum gleichen Thema existiert die Kommentarspalte noch, da kann man sehen, wie die Geduld der Welt-Leser sich gegenüber (kriminellen!) Migranten gen Ende neigt. Im Tobe-Mob-Artikel ging es dann sicher noch einen Zahn schärfer zu.

Darum:


[…]


(2 Screenshots von Welt Online)

Ist Kommentare-Löschen eigentlich schon Leser-Mobbing … ?