Școala Noastră/ Our School – Vorführung in Berlin

Am Donnerstag, 17.11.2011, gibt es um 21:00 (nicht wie laut Aushang 20:00) im CineStar Potsdamer Straße 4 eine Vorführung des mehrfach ausgezeichneten Dokumentarfilms Școala Noastră/ Our School. Die Regisseurin Mona Nicoara aus New York wird anwesend sein.

Die Präsentation erfolgt im Rahmen des European Pro Bono Forum, ist aber kostenlos und öffentlich.
http://vimeo.com/20395928

Rassismus und Datenschutzverstöße bei SPIEGEL TV?

[Trigger-Warnung: Hinweise auf die rassistische Fremdbezeichnung von Rom_nija]

In meinem veröffentlichten Schreiben an SPIEGEL TV behauptete ich über den SPIEGEL-TV-Bericht „Von Bukarest in den deutschen Sozialstaat: Klein-Rumänien in der Harzerstraße“:

„Der Titel, wie auch der gesamte Bericht, lassen reflektierte Berichterstattung und journalistische Sorgfalt vermissen“.

Mit solchen Fällen beschäftigt sich eigentlich der Presserat, der ist aber für TV-Beiträge nicht zuständig, also kann ich dort keine Beschwerde einreichen. Mir ist es aber wichtig, die tendenziöse Berichterstattung des Beitrags und die meiner Meinung nach vorliegenden Verstöße gegen journalistische Standards zu diskutieren, darum werde ich konkret und liste zentrale Punkte meiner Kritik hier im Detail auf:

Verwendung des Begriffs „[***]ner“ der rassistischen Fremdbezeichnung von Rom_nija :

    1. SPIEGEL TV behauptet, diese Menschen würden sich als „ț[***]“ bezeichnen, bleibt aber einen Beleg dafür schuldig.
    2. Der Begriff „[***]ner“ Die deutsche Übersetzung des Begriffs wird von Roma-Repräsentant/innen (in D und international) mehrheitlich abgelehnt. Der Begriff ist bis heute negativ konnotiert (vgl. N-Wort) und beschreibt ein Machtverhältnis, denn der Begriff ist keine Eigen-, sondern eine Fremdbezeichnung. Darum bleibt es immer ein Unterschied, ob der Begriff aus einer privilegierten Position heraus für andere Menschen verwendet oder von Menschen für sich selbst verwendet wird. Die individuelle Bezeichnung von Menschen untereinander als „ț[***]“ reicht nicht als Begründung, um Menschen von einer Außenperspektive aus zu einem Kollektiv unter der Bezeichnung „[***]ner“ zusammenzufassen, aber so macht SPIEGEL TV aus einer individuellen Selbstbezeichnung eine kollektive Fremdbezeichnung.
    3. Der Begriff „ț[***]“ ist rumänisch und „[***]ner“ ist deutsch. Rumänien und Deutschland haben ähnliche, aber jeweils eigene rassistische Kontexte, in denen die Begriffe bis heute Bestand haben. Genau wie seine deutsche Übersetzung ist „ț[***]“ in Rumänien aufgrund seiner rassistischen Begriffsgeschichte und der bis heute mitschwingenden Konnotation in der Öffentlichkeit heftig umstritten und wird von den meisten Roma-Verbänden abgelehnt. In Rumänien waren „ț[***]“ bis ins 19. Jahrhundert Sklaven, das heißt der Begriff transportiert ganz konkrete rassistische Machtverhältnisse, und zwar gerade in seiner Funkion als Fremdbezeichnung. Die Übersetzung und Gleichsetzung des rumänischen mit dem deutschen Begriff ist also nicht sauber und insbesondere die unkritische Aneignung des Begriffs in einem deutschen journalistischen Kontext sehr problematisch.


Rumänische Ausschreibung über den Verkauf von „[***]ner-Sklaven“ aus dem Jahre 1852, Quelle: Wikipedia

Verallgemeinernde, diffamierende und teils rassistische Beschreibungen der gezeigten Menschen zulasten einer Betrachtung ihrer konkreten, individuellen Situationen:

    1. „Clan“ und „Treck“: Die Begriffe „Clan“ und „Treck“ können in unterschiedlichen Kontexten unterschiedliche Bedeutungen haben, von denen aber definitiv keine aus dem gezeigten TV-Beitrag hervorgeht. Stattdessen werden beide Begriffe assoziativ verwendet, indem sie sich nicht auf die gezeigte Situation beziehen, sondern als Assoziationen zu den gezeigten Menschen. So wird eine Familie ohne erkennbaren Grund zu einem „siebenköpfigen Clan“ bei SPIEGEL TV. Außerdem werden die in dem Beitrag angesprochenen „über 90 Gewerbeanmeldungen“ zum „Armutstreck“, gar sei der „Treck der Armutsflüchtlinge aus Osteuropa nicht mehr aufzuhalten“.
    2. „Hinter den vielen Gewerbeneugründungen steckt offenbar System“: Das ist eine Behauptung bzw. eine Gefühlsäußerung, denn einen Beleg bleibt SPIEGEL TV schuldig.
    3. „(…) eigentlich kennt man sich“: Diese Behauptung bleibt entgegen der Aussagen von Betroffenen im Raum stehen.
    4. „Die xyz“: Mittels oberflächlicher und subjektiver Beschreibungen von „Ruhestörung“, „Dreck“, „Diebstahl“ oder das Beziehen von Sozalleistungen werden Vergehen, Fehlverhalten oder Regelverstöße einzelner Menschen suggeriert. Die einseitigen Beschreibungen transportieren eine Vorverurteilung, aber damit nicht genug wird die Ebene des Konkreten, Sichtbaren verlassen und im Kommentar stets allgemein Bezug auf „die Roma“ oder „die [***]ner“ genommen. Die Verbindung von Handlungen einzelner Individuen mit einer abstrakten Gruppe ist ein Kernmerkmal von Rassismus.
    5. „(…) so bleiben Kinder für viele [***]ner die einzig feste Einkommensquelle (…) mehr Nachwuchs bedeutet mehr Euro.“: Im Beitrag selbst werden viele einzelne, kinderlose, männliche Menschen vorgestellt, die im Widerspruch zu dieser Behauptung stehen. Dass „[***]ner“ ihre Kinder zur „Einkommensquelle“ machen wird also verallgemeinernd behauptet, obwohl sich in dem Bericht selbst mehrere Beispiele für das Gegenteil finden. Die Stabilität rassistischer Stereotype wird an ihrer Immunität gegenüber Fakten deutlich.
    6. „Die nächste Welle von Armutsflüchtlingen ist schon im Anmarsch“: Diese bedrohliche Behauptung von SPIEGEL TV bleibt ohne Belege.
    7. „Die Einwanderungswelle in den Westen hat gerade erst begonnen“: Diese apokalyptische Behauptung von SPIEGEL TV bleibt ohne Belege.

Verletzung der Privatsphäre und des Schutzes personenbezogener Daten

    1. Mehrere Menschen werden deutlich erkennbar gegen ihren Willen gefilmt und in dem SPIEGEL-TV-Beitrag unverpixelt gezeigt.
    2. Die Liste des Gewerbeamtes, die den SPIEGEL-TV-Journalisten als Grundlage für die Suche nach Menschen in einem Berliner Mietshaus dient, wird ungeschwärzt in dem Bericht eingeblendet, so dass persönliche Daten wie Namen, Berufe und Wohnadressen der Betroffenen für alle Zuschauer/innen des Beitrags erkennbar sind.

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siehe auch: Portal gegen Rechts attestiert SPIEGEL-TV-Beiträgen „Antiziganismus“,
Antwort von Spiegel TV: “Ihre Kritik können wir in keiner Weise nachvollziehen”

SPIEGEL TV und die „[***]ner“¹

[Trigger-Warnung: Hinweise auf die rassistische Fremdbezeichnung von Rom_nija]

¹Begriff zur rassistischen Fremdbezeichnung von Rom_nija nachträglich unkenntlich gemacht.

Geehrte SPIEGEL-TV-Redaktion,

bisher haben Sie nicht auf meine Kritik an Ihrer Krigesrhetorik im Zusammenhang mit Menschen aus Rumänien („Invasion“, „erobern“) reagiert. Ihr jüngster TV-Bericht zu dem Thema heißt „Von Bukarest in den deutschen Sozialstaat: Klein-Rumänien in der Harzerstraße“ (11.09.2011). Der Titel, wie auch der gesamte Bericht, lassen reflektierte Berichterstattung und journalistische Sorgfalt vermissen. In dem Zusammenhang deute ich auch Ihr Schweigen zu meiner E-Mail.

Das von Ihnen verwendete Vokabular in dem neuen Beitrag macht mich stutzig. Nicht nur Begriffe wie Clan oder Treck führen Sie an, um Menschen zu beschreiben, gleich mehrfach verwenden Sie die Bezeichnung „[***]ner“. Ihr begründender Kommentar: Diese Menschen nennen sich selbst „ț[***]“. Hat die mehrheitliche Ächtung des deutschen Begriffs [***]ner durch Roma-Verbände für Sie keine Relevanz mehr? Will die SPIEGEL-TV-Redaktion herausgefunden haben, dass diese Menschen von deutschen Journalisten als „[***]ner“ bezeichnet werden möchten?

In Ihrem Bericht sehen wir, wie Sie auf der Grundlage einer Adressliste vom Gewerbeamt (die Sie mit ungeschwärzten Namen und Adressen einblenden) nach Menschen vor und in einem Berliner Mietshaus suchen. Wir sehen Menschen, die deutlich erkennbar den Kontakt zu Ihrer Kamera scheuen. Wie oft wollen Sie diese Form der Berichterstattung wiederholen? Wie oft noch wollen Sie mit laufender Kamera an Haustüren klingeln und die Reaktionen offensichtlich irritierter Menschen filmen, die sich in ihrer Privatsphäre gestört fühlen? Dass Sie diese Menschen nun als „[***]ner“ bezeichnen, ist vielleicht nur ein weiterer, konsequenter Schritt in Ihrer Serie zu dem Thema. Aber da Sie nun sogar mit behördlichen Namenslisten die Klingelschilder der „[***]ner“ abgleichen, meinen Sie nicht, Sie überschreiten als Journalisten spätestens damit eine rote Linie?

[siehe auch: Rassismus und Datenschutzverstöße bei SPIEGEL TV?]

Spiegel TV deckt „Invasion“ auf

Geehrte Spiegel-TV-Redaktion, Ihr neuer Beitrag klingt mit dem Titel „Invasion der Hoffnungslosen: Armutstouristen erobern den Westen“ ein wenig nach Frontbericht.


Screenshot von Spiegel TV

Der von Ihnen verwendete Begriff hat diese Bedeutungen:

Da mir zumindest entgangen ist, dass wir oder Sie sich im Krieg mit den in Ihrem Film gezeigten Menschen befinden (die biologische Bedeutung werden sie wohl nicht gemeint haben), tippe ich bei Ihrer Verwendung des Begriffs „Invasion“ einfach mal auf eine militär-rhetorische Überspitzung. Sicher ist Ihnen bewusst, welche Verantwortung Sie tragen, wenn Sie mit derartig heißen Begrifflichkeiten hantieren. Insofern ist es natürlich sehr klug von Ihnen, dass Sie in Ihrem Beitrag die „Invasion“ zwar aufdecken, Möglichkeiten zur Abwehr dieser aber nicht laut aussprechen. Wahrscheinlich wollen Sie die sachlich-kühle Diskussion zum Thema Roma nur ein bisschen anfeuern. Oder werten Sie es erst als journalistischen Erfolg, wenn Ihr Zielpublikum, inspiriert durch Ihren Beitrag, eigene Lösungen findet, der „Invasion“ zu begegnen?

[siehe auch: Rassismus und Datenschutzverstöße bei SPIEGEL TV?]

Europäische DNA-Datenbank-Union

Gestern gab es vor der Vertretung der Europäischen Kommission in Berlin eine Aktion der Kampagne fingerwegvonmeinerDNA.de, mit der gegen die geplante Vernetzung polizeilicher DNA-Datenbanken in Europa protestiert wurde. Annalist und netzpolitik.org hatten was zu dem Thema und wiesen auf die Aktion hin. Auch das Chaosradio hatte dazu eine Sendung, die hoffentlich auch noch als Podcast nachhörbar sein wird.

Weil ich neugierig war, wie die angekündigte „Versenkung von einer DNA-Datenbank in einem Kübel voller Speichelproben vor der Vertretung der Europäischen Kommission in Berlin“ in der Praxis aussehen könnte, bin ich gestern um 12 dort gewesen. Bedingt durch die Mittagshitze (hab jetzt Sonnenbrand) und die Kurzfristigkeit der Ankündigung blieb die Publikumsgröße übersichtlich.

Allerdings gab es unter den vorbeilaufenden Leuten doch einige Interessierte (zumal bei dem alltäglichen Berliner Straßen-Informations-Überfluss) und darunter waren auch ältere Menschen, die stehen blieben und das Gespräch zu dem Thema suchten. Von einem Jüngeren hingegen hörte ich „sone Scheiße interessiert mich nicht“. Da lässt sich überhaupt keine Verallgemeinerung von ableiten, aber klar ist dennoch, dass die Frage nach Interesse oder Desinteresse an Themen wie zunehmender staatlicher Überwachung gar nichts mit dem Alter zu tun hat.

Die erwartete Versenkung einer „DNA-Datenbank“ verlief relativ rasch, leider waren zum entscheidenden Zeitpunkt meine Fotoapparat-Akkus leer. Auf dem Bild hier sind aber Datenbank und Speichelproben-Kübel gut erkennbar.

Auch einige Damen und Herren aus dem Gebäude der EU-Kommission schauten bei der Versenkung zu. Direktes Interesse an dem mit Speichelproben durchnässten Server haben sie erstmal nicht erkennen lassen.

Dabei ist das Interesse europäischer Polizeien an der massenhaften Speicherung von DNA-Profilen offenbar sehr hoch, in der BKA-Datenbank sind bereits 700.000 DNA-Profile, monatlich kommen über 8000 neue hinzu. Durch einen bereits ausgehandelten EU-Beschluss soll nun die systematische Vernetzung der DNA-Datenbanken von den verschiedenen EU-Mitgliedsländern ermöglicht werden. Das hier nur Täter_innen „harter Gewaltverbrechen“ erfasst werden stimmt nicht – denn weniger als 4 Prozent der gespeicherten DNA-Daten beziehen sich auf Gewaltstraftaten und Tötungsdelikte. (Details dazu gibts im aktuellen Heft des gen-ethischen Informationsdienstes). Darum fordert die Kampagne eindeutige Regelungen und verbindliche Vorschriften zum Umgang mit den DNA-Daten, beispielsweise was die polizeiliche Sammlung von DNA-Profilen ohne richterliche Beschlüsse betrifft, die Speicherdauer oder unabhängige Kontrollmöglichkeiten. Der offenen Brief dazu kann hier nachgelesen und auch unterzeichnet werden.