Wie tagesspiegel.de begründete, dass meine kritischen Anmerkungen nicht in den Kommentarspalten von tagesspiegel.de auftauchen sollen.
Alles begann mit dem Tagesspiegel-Artikel „Wisch und Weg“ bzw. Scheibenputzer – wisch und weg. In diesem Artikel fiel mir die Häufigkeit von Schlagworten auf, die im Zusammenhang mit den Roma dort verwendet wurden, sodass ich eine kleine Collage aus den drastischsten dieser Signalwörter anfertigte. Ich wollte damit verdeutlichen, wie schematisch in dem Tagesspiegel-Artikel negativ konnotierte Attribute im Zusammenhang mit der ethnischen Bezeichnung Roma aufgezählt werden.
Was dieser Artikel auslöst, wurde für mich auch wieder am Minderheiten-Bashing in der Kommentarspalte zu dem Tagesspiegel-Artikel sichtbar. Und hierbei handelt es sich wohlgemerkt ausschließlich um redaktionell geprüfte Inhalte – ich würde gern Anzahl und Inhalt der noch offener rassistischen Kommentare kennen, die es nicht durch den Filter schafften. Hier einige Auszüge aus den von tagesspiegel.de zugelassenen Kommentaren:
von kalliope | 16.05.2010 09:39 Uhr | Schlecht: 0 Stimmen | Gut: 8 Stimmen
Scheibenputzer
Ja, sie nerven. Nein, nicht das Elend, sondern „sie“: Die Scheibenputzer, „Musiker“ in den öffentlichen oder Akkordeon-Körperverletzer in der Fußgängerzone, Hallo-Motzzeitungsträger oder Hallo-Einkaufswagenzusammenschieber vorm Supermarkt (kennen wir uns?) und all die anderen, die mich per direkter Belästigung beglücken wollen mit etwas, dass ich nicht haben will. […]von christina | 16.05.2010 11:24 Uhr |Schlecht: 0 Stimmen | Gut: 4 Stimmen
schelmisch?
Ganz ehrlich, die Herrschaften sind nicht schelmisch. Sie sind dreist und oft auch bedrohlich. […]von achauffeur | 16.05.2010 13:06 Uhr | Schlecht: 0 Stimmen | Gut: 0 Stimmen
Antwort auf iustus vom 16.05.2010 11:34 Uhr
danke
danke für diese worte. sie sind völlig auf den punkt. was immer diese volksgruppe auch in „ihren“ ländermn ausgesetzt ist – mit ihrem verhalten hier machen sie sich jedenfalls auch keine freunde.von super.neon | 16.05.2010 13:55 Uhr | Schlecht: 0 Stimmen | Gut: 2 Stimmen
Wegelagerer
Ich bin es Leid, an jeder größeren Kreuzung die Scheibenwischer anstellen zu müssen um nicht diesen Wegelagerern mit ihren Schmutzwasserattacken zum Opfer fallen zu müssen […]
Was diese im Newspeak genannten Roma da betreiben ist 100 prozentige Nötigung, die Untätigkeit der Stadtverwaltung ein Skandal! […]von nurbis | 16.05.2010 17:29 Uhr | Schlecht: 2 Stimmen | Gut: 2 Stimmen
Antwort auf NurProbleme vom 16.05.2010 11:03 Uhr
Das wird üblich sein[…] Merken die Fensterputzer, dass es kein Problem ist, so zu handeln, müssen wir eben blechen oder haben zerkratzte Fahrzeuge.[…]von henchan | 16.05.2010 21:18 Uhr | Schlecht: 0 Stimmen | Gut: 1 Stimme
[…]
Zuerst waren es die Punks, dann Polen oder andere Osteuropäer.
Einmal Kopfschütteln reichte. Wer hier aber negativ auffällt, sind eben die Sinti und Roma, oder Roma oder Sinti. Wie auch immer.
Es sind definitiv nicht alle Roma, aber aus ihrer Gruppe rekrutiert sich doch der grösste Teil, die für die Unannehmlichkeiten sorgen.
Schade eigentlich, dass sie an ihrem negativen Image arbeiten.
Das ist nur ein Auszug. Kritische Bemerkungen über den Tagesspiegel-Artikel gibt es kaum, in den meisten Kommentaren wird sich Luft zum Thema Roma, Fensterputzer oder „Wandervölker“ gemacht, nur in einigen Kommentaren wird eine sachliche Diskussion gefordert. Ich wollte nun auch meinen Standpunkt zu dem mit negativen Schlagworten konnotierten Artikel posten. So machte ich es mir bequem und verwies auf meine Tagesspiegel-Schlagwort-Collage (ca. 13:00):
Titel
viele Schlagworte
Text
… wie immer bei diesem Thema. Aus den verwendeten konnotierten Begriffen lässt sich ein Roma-Artikel-Bauset machen: http://sibiuaner.noblogs.org/2010/05/15/roma-artikel-bauset/
Der Kommentar erschien nicht. Ich dachte mir, dass vielleicht das einfache Verweisen auf einen Link für die online-Redaktion nicht als Kommentar durchgeht. Darum startete ich einen zweiten Versuch und tippte einen etwas ausführlicheren Kommentar (ca.16:00, inzwischen hatte ich auch eine Mail an die Tagesspiegel-Online-Redaktion geschrieben, in der ich um eine Erklärung für die nächtliche Umbenennung des Artikels bat – diese Mail erwähne ich hier in dem Kommentar:)
Titel
zweiter Versuch
Text
Vielleicht habe ich diesmal Glück. Mein vorheriger Kommentar hat es leider nicht durch die „redaktionelle Prüfung“ geschafft. Vielleicht liegt das daran, dass ich der Online-Redaktion auch eine Mail geschrieben habe, in der ich auf meinen Blogeintrag (sibiuaner.de) hinweise. Oder es liegt an meiner Frage in der Mail, warum der Titel des Artikels übernacht von „Wisch und weg“ in „Scheibenputzer – wisch und weg“ geändert wurde. In meinem Bloghabe ich die Schlagwörter des Artikels extrahiert, um zu zeigen, wie einfach man einen Artikel über Roma basteln kann. Bestimmte negativ konnotierte Stichworte a la „unerwünschte Wischer“, „schelmig“, „Scheibenputzkolonne“ etc. sorgen nämlich für die richtige Stimmung in so einem Artikel. Enttäuschend, dass der Tagesspiegel sich weiter als Plattform für unsachliches Minderheiten-Bashing hergibt. Liebe Grüße Hendrik Kraft.
Auch dieser Kommentar erschien nicht. Ich fragte nun in die Kommentarspalten und zu Twitter hinein, warum meine Kommentare nicht publiziert würden. Dann hatte ich plötzlich eine Antwortmail im Posteingang:
Sehr geehrte/r sibiuaner,
wir haben Ihren Kommentar nicht veröffentlicht, da Sie uns Stimmungsmache unterstellen.
Unsere Autoren setzen sich gerne mit sachlicher Kritik an unseren Artikeln und der Themenwahl auseinander, jedoch ohne Unterstellungen und Vorwürfe.Mit freundlichen Grüßen,
die Community-Redaktion/ es
Also meine fehlende Sachlichkeit war das Problem. Das hätte ich wissen müssen, dass für Autoren, die ihre Artikel über autoputzende Roma „Wisch und weg“ nennen sowie für eine online-Redaktion, die oben zitierte Kommentare zulässt, natürlich Sachlichkeit an erster Stelle steht. Ich antwortete:
Sehr geehrte Community-Redaktion,
vielen Dank für die offene Information. Ich finde es schon ziemlich interessant, dass Sie mir
Stimmungsmache(hatte mich hier wirklich vertippt, dann aber per Mail korrigiert) Unterstellungen vorwerfen in Anbetracht der Schlagworte, die ich aus Ihrem Artikel gezogen habe. Aber gut, Sie wollen sich mit meinen Vorwürfen nicht auseinandersetzen, das ist Ihr gutes Recht und spricht für Ihre Arbeitsweise. Schade, dass Sie mich als Leser nicht ernstnehmen, sondern mir ein Vorwurfsverbot erteilen.Nun zu Ihren 3 Vorwürfen (1. „Stimmungsmache“ |2. „Unterstellungen“ |3. „Vorwürfe“), mit denen ich mich gern auseinandersetze:
1. Ich unterstelle Ihnen zunächst mal keine Stimmungsmache, sondern gehe vom Bestmöglichen aus. Der Rückgriff auf Schlagworte wie „Wisch und weg“, „unerwünschte Wischer“, „schelmig“, „Scheibenputzkolonne“ usw. mag völlig naiv und ohne böse Absicht Ihrer Autoren passiert sein. Ich halte diese Begriffe aber für fatal, insbesondere mit Bezug auf eine ethnisch definierte Gruppe. Wenn man nicht weiß, was solche klar negativ konnotierten Begriffe mit Bezug auf Roma, Juden, Homosexuelle oder wie auch immer definierte und betitelte Minderheiten für Folgen haben können, ist das sogar sehr gefährlich. Wenn Sie es fürStimmungsmacheUnterstellungen halten, dass ich in meinem Blog und in meinen Kommentaren auf die o.g. von Ihnen gemachte Wortwahl bezugnehme, diese sogar einfach nicht veröffentlichen, bin ich von Ihrem Medium noch enttäuschter, als ich es nur durch den einen Artikel war.
2. Ich unterstelle Ihnen nichts, ich habe Sie nur zitiert.
3. Ein journalistisches Medium, in deren Kommentarspalten man keine Vorwürfe posten darf, erinnert mich an andere Zeiten oder andere Länder.Ich wünsche Ihnen, dass Sie sich eines Tages über kritische Leser freuen und Vorwürfe zum Anlass nehmen, nachzudenken und zu diskutieren, statt zu löschen.
Mit freundlichen Grüßen
Hendrik Kraft.