Slowakei: Zwangserziehung

Heute schon eine gute Idee gehabt?


Geht es nach dem slowakischen Ministerpräsidenten Robert Fico, dann wird sich die Situation der slowakischen Roma demnächst verbessern. Per verordnetem Internat soll den Kindern von Roma der Weg in die slowakische Gesellschaft endlich eröffnet werden.



Herr Fico und die Blaskapelle, die hier (wahrscheinlich anlässlich einer guten Idee von Herrn Fico) kräftig am Musizieren ist. Quelle: sk.wikipedia.org


Ob das mit den Eltern der Kinder abgesprochen ist, dazu hat Herr Fico sich noch nicht geäußert, aber man geht davon aus, dass die Eltern dem Internatsaufenthalt ihrer Kinder nicht unbedingt zustimmen müssen. An der genauen Umsetzung muss natürlich noch gefeilt werden. Unklar ist bisher, ob die Polizei oder die Armee die Kinder aus den Müllsiedlungen abholt rettet. Herr Fico will den Roma auch weiterhin die Option lassen, der slowakischen Mehrheitsbevölkerung den Gefallen zu tun, das freiwillige Leben im Müll ganz von allein aufzugeben. Hierfür werden momentan spezielle Mediatoren ausgebildet, die dann zwischen den normalen Slowaken und den Roma kommunizieren sollen. Herr Fico kommuniziert erstmal nur mit der Presse, nicht mit Roma.

Eine andere Frage ist, ob die Eltern ihre Kinder nach einem Internatsbesuch noch wiedererkennen und sie als echte Roma annehmen. Als gebildete Menschen wären die Kinder ja dann keine Roma im eigentlichen Sinne mehr, sondern Slowaken.

Es ist sicherlich im Sinne von Herrn Fico, wenn darauf hingewiesen wird, dass seine Idee unter anderem auf Maria Theresia zurückgeht, die ihrerzeit die habsburger Roma erfolgreich mit der zivilisierten Lebensweise vertraut machte. In diesem Sinne bleibt mir nur, Herrn Fico alles erdenklich Gute zu wünschen, wenn er an die lange Tradition europäischer Roma-Assimilationspolitik anknüpft.

update: (9.3.2010, 16:25)
Amnesty International findet die Idee von Roebrt Fico gar nicht gut.

Links von den Rechten der Nazis

Blockade oder Rechte


Nach Meinung der Dresdner Staatsanwaltschaft hätte die nun medial breit aufgenommene erfolgreiche Blockade gegen den größten europäischen Naziaufmarsch in Dresden eigentlich scheitern sollen. Denn die sächsische Hauptstadtjustiz hatte den Aufruf zum Blockieren der Nazis als Straftat eingestuft und begegnete dem Anti-Nazi-Bündnis mit Razzien und Internetzensur.

Die Scheinheiligkeit ist verlockend, aber nicht die Menschenkette in der Altstadt, sondern die Blockaden in der Neustadt verhinderten den Nazi-Aufmarsch. Hätten sich also diejenigen tatsächlich durchgesetzt, die das Versammlungsrecht der Nazis zur Kriminalisierung der Blockierer nutzten, dann hätte es einen Nazi-Aufmarsch gegeben – und am anderen Elbufer eine Menschenkette.

Nur dank handelnder Menschen, für die die Blockade des Nazi-Aufmarschs im Mittelpunkt stand (und nicht die Rechte der Nazis) wurde der Aufmarsch verhindert. Es wäre nur fair, wenn die Medien diese kleine Differenzierung jetzt in ihre Berichterstattung – und auch in ihren Fragenkatalog an die Dresdner Bürgermeisterin Helma Orosz – aufnehmen würden.

Denn nur, wenn auf den Erfolg und den Wert dieser Blockade ehrlich und vollständig zurückgeblickt wird, dann wäre im Vorfeld des 13.2.2011 vielleicht auch die Empörung größer, sobald Staatsanwälte und Polizei einzelne Personen wieder Nazi-Blockierer kriminalisieren und zensieren.

Kaisers Kollegen

Klimawandel im Supermarkt


Bei meinem heutigen Einkauf in einer Berliner Filiale der Supermarktkette Kaiser’s überraschten mich am Kühlregal die Worte „(…) der an’na Kasse is’n großer Idiot (…)“. Sie wurden von einer Mitarbeiterin der Filiale laut an sich selbst und/ oder an die Welt gerichtet. Da ich mich ganz allein im akkustischen Empfangsfeld dieser Frau befand, erwiderte ich: „Aber nich‘ so unfreundlich, is‘ doch ein Kollege.“ Darauf verbesserte sie mich prompt: „Nee, is‘ kein Kollege, is‘ nur’n GFB“.

Die Frau schimpfte noch laut, dass der Mann an der Kasse beim vorangegangenen Einräumen der Kühlregale Fehler gemacht habe. Wie dem auch sei, für mich ließ sich nicht prüfen, ob die Qualifizierung als Idiot der Wahrheit entsprach. Der Mann saß an der einzig offenen Kasse der Filiale und kassierte mich freundlich ab, wie überall.

Die drei Buchstaben bestätigten nach kurzer Recherche meine Vermutung: GfB steht für Geringfügig Beschäftigte. Ob er ein Idiot ist oder nicht, er ist auf jeden Fall kein Kollege, sondern ein GfB. Warum ist der Kaisers-Mitarbeiterin diese Unterscheidung so wichtig? Mir fällt keine schnelle Antwort ein. Dafür habe ich eine Ahnung davon bekommen, welches Arbeitsklima in einem deutschen Supermarkt herrscht. Obwohl alle dort die gleiche rot-weiße Arbeitskleidung tragen, herrscht zwischen ihnen nur Geringfügige Kollegialität.

So wird man nicht nur vom Chef, sondern sogar von den eigenen Kollegen Mit-Mitarbeitern für ersetzbar gehalten. Das belebt den Arbeitsmarkt und erhöht die Chancen für 4 Millionen Wartende: GfB statt ALG – aber Kollege, neee.

Ans Bein geRöhlt

Der Blogger und der etablierte Journalist


Wolfgang Röhl lässt die Sau raus, zieht ordentlich vom Leder, wie er es bei stern.de sicher nicht darf, womit er bei der Achse des Guten aber genau richtig ist. Stefan Niggemeier, von Röhl nur genannt „Nigge“, ist Ziel der Giftschüsse.

Ach gut, man kann die verdienstvolle Arbeit von Bildblog als „Erbsenzählerei“ betiteln – aber diese Zählerei ist sinnvoll, da sonst niemand zählt, wie oft zum Beispiel die dpa Falschmeldungen von Bild zu echten Agenturmeldungen umwandelt. Bildblog kritisiert und enttarnt eben in erster Linie die Erhabenheit des „etablierten Journalismus“ – und Wolfgang Röhl ist ein etablierter Journalist. In dieser Position fühlt sich Wolfgang Röhl offenbar von Stefan Niggemeier derart angegriffen, dass er nicht mal mehr dessen Namen im Fließtext ausschreibt, sondern ihn nur noch „Nigge“ nennt. Das ist natürlich fieser Journalismus. Genau, wie die abfällige Bemerkung im letzten Absatz über „irgendein Studium“, das der neue Bildblog-Chef Lukas Heinser abgeschlossen haben soll. Sind das etwa Vorurteile aus der Stern-Redaktion? Ach nein – Ach gut – Achse des Guten.

Das aller aller lustigste an Röhls bockigem Anti-Bildblog-Artikel ist aber, dass er eine Reaktion auf einen Artikel ist, der gar nicht bei Bildblog erschien, sondern in Stefan Niggemeiers eigenem Blog. Den vergisst Röhl auch zu erwähnen. (Oder ist das fiese Absicht?) Niggemeier hatte in seinem Beitrag gut nachvollziehbar gezeigt, dass Röhls stern-Kritik an den Öffentlich-Rechtlichen etwas zahnlos war: Die von Röhl (wiederholt) angeprangerten „ständigen Wiederhohlungen“ bei ARD und ZDF stellten sich im Vergleich mit den Privatsendern als relativ unspekakulär heraus. Nur erwähnte Röhl mit keinem Wort, dass seine investigative Weihnachtsfeiertags-Entdeckung ein Problem der gesamten Fernsehlandschaft ist. Röhls Artikel hinterlässt hingegen den Eindruck, das Wiederholungs-Phänomen sei ein typisches öffentlich-rechtliches. Der stern-Autor schmückt seinen Artikel auch mit Sätzen wie „Ja, denkste.“

Bei der Achse des Guten schreibt Röhl ein bisschen seriöser – und bezeichnet die Bildzeitung als „Drecksblatt“.

Bald Brandzeichen für Roma?

Was in Europa möglich ist und vielleicht von Manchem für unmöglich gehalten wurde


Die französische Polizei „markiert“ Roma, so eine Nachricht, die gestern die Runde machte. Damit wäre Frankreich nach Italien das nächste Land, in dem die Verwaltung von Menschen an die der Nazis erinnert. Rund 100 Roma sollen Stempel auf die Arme bekommen haben – und das wurde von der zuständigen Behörde auch noch damit gerechtfertigt, dass nur so eine doppelte Kontrolle derselben Person verhindert werden könne. Das ist kein plausibler Grund, sondern dieser Begründungsversuch zeigt nur das faschistoide Potential, das sich bis heute in europäischen Verwaltungsapparaten gehalten zu haben scheint. Denn mit dieser Argumentation werden die gestempelten Menschen zu einer Herde degradiert, wie Vieh, das man der Übersicht halber markiert. Vielleicht gibt es dann das nächste Mal gleich Brandzeichen oder Strichcodes.

Was den Behörden das Recht gibt, diese Menschen überhaupt zu kontrollieren? Sie haben keine Aufenthaltsgenehmigungen. In diesem Sinne sind die gestempelten Roma nicht mehr als die konsequente Umsetzung der EU-Logik: Es wird nach klaren Regeln ausgewählt wer rein darf und wer draußen bleiben muss. Was nach einer französischen Provinzposse aussieht, sollte als Warnung vor einem Europa der Selektion verstanden werden. Und wer das für eine Übertreibung hält, kann sich ja seine Falschpark-Knöllchen oder GEZ-Mahnungen mal ins Gesicht drucken lassen, nur so für das Gefühl, für einen behördlichen Verwaltungsakt markiert worden zu sein – ist nämlich ein anderes, als bei einem Disko-Stempel.


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