Gewerkschaft droht Dacia mit Streik

Die rumänischen Arbeiter wollen auch etwas von den Dacia-Gewinnen


Laut einer Meldung von RFI Romania sind die Verhandlungen am Montag zwischen Gewerkschaftsführervize Ion Iordache und Unternehmensvertretern von Dacia gescheitert. Für die rund 14.000 Arbeiter in Mioveni werden 20% mehr Lohn gefordert, so RFI.

Die seitens der rumänischen Renault-Tochter Dacia in den Verhandlungen angebotene Lohnerhöhung sei laut Iordache unbefriedigend gewesen. Den Formalitäten entsprechend werde noch die Antwort des Generaldirektors abgewartet, sowie mit regionalen Vertretern gesprochen, aber der Arbeitskampf wurde von den Gewerkschaftern offiziell eröffnet.

Ion Iordache habe die Lohnerhöhungen mit dem hohen Gewinn Dacias im Jahre 2009 gerechtfertigt. Tatsächlich scheint das letzte Jahr für das Unternehmen ertragreich gewesen zu sein: zum Beispiel berichtete N24 von den Preissenkungen bei Dacia, die vom Unternehmen mit den guten Verkaufszahlen gerechtfertigt worden sein sollen.

Den letzten großen Streik erlebte Dacia vor zwei Jahren. Zwei ausführliche deutschsprachige Artikel dazu: Der Fall Dacia (Stéphane Luçon, Le Monde Diplomatique, Übersetzung aus dem Französischen), Auf der Aufholspur (Komisch, wurde umbenannt, hieß vorher „Auf der Überholspur“) (Philipp Lichterbeck, Tagesspiegel).

update:(10.2.2010)
Offenbar sind die Gespräche zwischen Gewerkschaft und Generaldirektor am gestrigen Dienstag auch gescheitert. Das berichtet masini.ro unter Berufung auf eine Agenturmeldung. Ion Iordache, stellvertretender Vorsitzender der Dacia-Gewerkschaft SAD (Sindicat Automobile Dacia), soll von „großen Schritten in Richtung Streik“ gesprochen haben. Weiter wird er zitiert:

„Die Führung stellt ihre Arroganz unter Beweis, wenn sie die Dacia-Angestellten mit der Arbeitslosen-Situation in Rumänien zu erschrecken versucht. Wir haben solide Argumente für unsere Forderungen, denn 2009 war ein exzeptionelles Jahr für Dacia und 2010 kündigt sich als ebensolches an.“ (Zitiert/ übersetzt von hier.)

Die Gewerkschaft fordert 520 Lei (ca. 125 Euro) mehr für jeden Dacia-Arbeiter im Monat, was etwa 20% des derzeitigen Lohns entspricht. Das Unternehmen wollte nur einer Lohnerhöhung von maximal 170 Lei (ca. 40 Euro) zustimmen. Abzuwarten bleibt nach den mündlichen Absagen nun die formale Antwort des Unternehmens auf die schriftlich eingereichten Forderungen. Diese wird für Mittwoch erwartet.

update: (11.2.2010)
Die Verhandlungen dauern an. Die angebotene Lohnerhöhung wurde seitens Dacia von 170 auf 200 Lei aufgestockt, Iordache gibt sich bisher damit nicht zufrieden. Derweil widmen sich andere Medien der rumänischen Erfolgsstory: Dacia war im Jahre 2009 offenbar die einzige Automarke der Renault-Gruppe, die Profit abwarf. Daran dürfte die deutsche Abwrackprämie nicht ganz unschuldig gewesen sein – denn Deutschland war Dacias größter Absatzmarkt. Hier soll Dacia über 85.000 der rund 300.000 hergestellten Autos verkauft haben (in Rumänien dagegen nur gut die Hälfte mit 45.000 verkauften Wagen).

update: (2.3.2010)
Mit großer Verspätung sei darauf hingewiesen, dass seit 17.2.2010 eine Einigung im Arbeitskampf zwischen dem Dacia-Konzern und den Arbeitern feststeht. Mit der Androhung von Streik wurde eine Lohnerhöhung von 300 Lei (gut 70€) erwirkt, die im kommenden in diesem Jahr jedem rumänischen Dacia-Arbeiter winken soll.

Heute wird gemeldet, dass für die Dacia-Angestellten sogar zwei Samstagsschichten neu eingeführt werden, um der großen Nachfrage nach neuen Dacia-Modellen gerecht zu werden.

Kaisers Kollegen

Klimawandel im Supermarkt


Bei meinem heutigen Einkauf in einer Berliner Filiale der Supermarktkette Kaiser’s überraschten mich am Kühlregal die Worte „(…) der an’na Kasse is’n großer Idiot (…)“. Sie wurden von einer Mitarbeiterin der Filiale laut an sich selbst und/ oder an die Welt gerichtet. Da ich mich ganz allein im akkustischen Empfangsfeld dieser Frau befand, erwiderte ich: „Aber nich‘ so unfreundlich, is‘ doch ein Kollege.“ Darauf verbesserte sie mich prompt: „Nee, is‘ kein Kollege, is‘ nur’n GFB“.

Die Frau schimpfte noch laut, dass der Mann an der Kasse beim vorangegangenen Einräumen der Kühlregale Fehler gemacht habe. Wie dem auch sei, für mich ließ sich nicht prüfen, ob die Qualifizierung als Idiot der Wahrheit entsprach. Der Mann saß an der einzig offenen Kasse der Filiale und kassierte mich freundlich ab, wie überall.

Die drei Buchstaben bestätigten nach kurzer Recherche meine Vermutung: GfB steht für Geringfügig Beschäftigte. Ob er ein Idiot ist oder nicht, er ist auf jeden Fall kein Kollege, sondern ein GfB. Warum ist der Kaisers-Mitarbeiterin diese Unterscheidung so wichtig? Mir fällt keine schnelle Antwort ein. Dafür habe ich eine Ahnung davon bekommen, welches Arbeitsklima in einem deutschen Supermarkt herrscht. Obwohl alle dort die gleiche rot-weiße Arbeitskleidung tragen, herrscht zwischen ihnen nur Geringfügige Kollegialität.

So wird man nicht nur vom Chef, sondern sogar von den eigenen Kollegen Mit-Mitarbeitern für ersetzbar gehalten. Das belebt den Arbeitsmarkt und erhöht die Chancen für 4 Millionen Wartende: GfB statt ALG – aber Kollege, neee.

Ans Bein geRöhlt

Der Blogger und der etablierte Journalist


Wolfgang Röhl lässt die Sau raus, zieht ordentlich vom Leder, wie er es bei stern.de sicher nicht darf, womit er bei der Achse des Guten aber genau richtig ist. Stefan Niggemeier, von Röhl nur genannt „Nigge“, ist Ziel der Giftschüsse.

Ach gut, man kann die verdienstvolle Arbeit von Bildblog als „Erbsenzählerei“ betiteln – aber diese Zählerei ist sinnvoll, da sonst niemand zählt, wie oft zum Beispiel die dpa Falschmeldungen von Bild zu echten Agenturmeldungen umwandelt. Bildblog kritisiert und enttarnt eben in erster Linie die Erhabenheit des „etablierten Journalismus“ – und Wolfgang Röhl ist ein etablierter Journalist. In dieser Position fühlt sich Wolfgang Röhl offenbar von Stefan Niggemeier derart angegriffen, dass er nicht mal mehr dessen Namen im Fließtext ausschreibt, sondern ihn nur noch „Nigge“ nennt. Das ist natürlich fieser Journalismus. Genau, wie die abfällige Bemerkung im letzten Absatz über „irgendein Studium“, das der neue Bildblog-Chef Lukas Heinser abgeschlossen haben soll. Sind das etwa Vorurteile aus der Stern-Redaktion? Ach nein – Ach gut – Achse des Guten.

Das aller aller lustigste an Röhls bockigem Anti-Bildblog-Artikel ist aber, dass er eine Reaktion auf einen Artikel ist, der gar nicht bei Bildblog erschien, sondern in Stefan Niggemeiers eigenem Blog. Den vergisst Röhl auch zu erwähnen. (Oder ist das fiese Absicht?) Niggemeier hatte in seinem Beitrag gut nachvollziehbar gezeigt, dass Röhls stern-Kritik an den Öffentlich-Rechtlichen etwas zahnlos war: Die von Röhl (wiederholt) angeprangerten „ständigen Wiederhohlungen“ bei ARD und ZDF stellten sich im Vergleich mit den Privatsendern als relativ unspekakulär heraus. Nur erwähnte Röhl mit keinem Wort, dass seine investigative Weihnachtsfeiertags-Entdeckung ein Problem der gesamten Fernsehlandschaft ist. Röhls Artikel hinterlässt hingegen den Eindruck, das Wiederholungs-Phänomen sei ein typisches öffentlich-rechtliches. Der stern-Autor schmückt seinen Artikel auch mit Sätzen wie „Ja, denkste.“

Bei der Achse des Guten schreibt Röhl ein bisschen seriöser – und bezeichnet die Bildzeitung als „Drecksblatt“.

Signal, 22.1.2010

Film und Realität


In einem Beitrag in der Frankfurter Rundschau (online) am 19.1. wies Ernest Wichner auf ein frisch erschienenes Buch über Siegfried Jägendorf, „Rumäniens Schindler“, hin: Der Wundertäter von Moghilev.

Ebenfalls am 19.1. gab es im dROMa-Blog eine Meldung samt weiterführenden Informationen und Links zur italienischen Minderheitenpolitik: Größte Roma-Siedlung Italiens wird abgerissen.

Im Nachrichtenportal npr widmete sich Howie Movshovitz am 11.1. dem rumänischen Regisseur Corneliu Porumboiu (Poliţist, adj., A fost sau n-a fost) und dessen Gedanken über seine Arbeit: In Romania, A Quest For Clarity Between The Lines.

Broders Wir-Gut-Die-Böse-Bausatz

Eene meene Muh.


Wolfgang Benz und seine inzwischen alte Position zum Vergleich von Islamophobie und Antisemitismus gefällt Henryk M. Broder nicht. Anstelle einer Diskussion legt Broder einfach ein Gesetz fest: Die Ursache des Antisemitismus liegt bei den Antisemiten, aber die Quelle der Islamfeindlichkeit liegt im Islam. So einfach.

Laut Broder „ist der Antisemit sehr wohl in der Lage zu differenzieren, er bestimmt auch, wer ein guter und wer ein schlechter Jude ist.“ Stimmt. Und Broder bestimmt, wer ein guter und wer ein schlechter Mensch ist. Muslime sind schlechte Menschen und Islamfeindlichkeit ist eine Erfindung.

Das praktische an Broders Bausatz ist, dass er für jede beliebige Gruppe der Welt funktioniert: Die Einschätzungen der Anderen über die eigene Gruppe enttarnt man problemlos als Stereotype (wir sind die Guten) – während die eigene Einschätzung der anderen Gruppe auf der knallharten Realität basiert (die Anderen sind wirklich schlecht).

Und raus bist du.


update:
Gute, sehr detaillierte und lange Analyse der Broder-Benz-Diskussion im Kruppzeuch-Blog.