Brücken-Pop

Un duo muzical Româno-Bulgăresc


Viele Länder Südosteuropas sind für die Betonung ihrer nationalen Identität bekannt. Wirtschaftliche Konkurrenz und der Wunsch nach politischer Einflussnahme (nicht zuletzt auch durch die Anreize der EU) lassen viele Länder im Südosten ihre heterogene und gemeinsame kulturelle Vergangenheit ausblenden. Wie dem auch sei, im Bereich der Pop-Musik könnte sich ein gegenläufiger Trend abzeichnen: Der rumänische Musiker und Produzent Costi Ioniţă arbeitet zusammen mit dem bulgarischen Shooting-Star und Model Andrea Teodorova zusammen – und wie es scheint sogar sehr erfolgreich.

Wer kennt einen erfolgreichen Charts-Hit, in dem deutsche und polnische oder deutsche und dänische Textzeilen gemeinsam auftauchen? Für den Austausch von Rumänisch und Bulgarisch gibt es mit dem oben genannten Duo, das unter dem Namen „Sahara“ auftritt, mindestens ein erfolgreiches Beispiel.

Achso, und wer die Bilder des folgenden Videos als anstößig empfindet, kann diese ins Verhältnis zu dem sonst als „rückständig“ gezeichneten „Balkan“-Klischee setzen. Klar, diese Bilder gibt es im deutschen MTV auch – aber auf den deutsch-türkischen oder deutsch-tschechischen Musiktext dazu warte ich noch …

[01/2012: Hab das Video entfernt, weil es mir aus jetziger Sicht zu sexistisch ist.]

Sinti und Roma Jugendtreffen 2010, Göttingen 10.-13.9.

Vernetzung, Workshops und Kulturfest


In diesem Jahr findet das zweite Treffen junger Sinti und Roma in Deutschland statt, dieses Mal in Göttingen und Duderstadt. Organisiert wird die Begegnung vom Projekt Roma Center Göttingen e.V. und dem Amaro Drom e.V. Berlin.

Die offizielle Anmeldefrist ist zwar schon vorbei, aber wer das Anmeldeformular [→doc] schnell an die darin genannte Mailadresse schickt, wird vielleicht noch Glück haben.

Als Höhepunkt wir das Kulturfestival am Sonntag angekündigt:

Signal, 7.9.2010

Kulissen fallen lassen: Literatur, Vergangenheit und Ausgrenzung


Eine sehr gute Glosse mit scharfem analytischen Blick gab es am 1.9.2010 bei Deutschlandradio Kultur zu hören. Hier brachte Reinhard Kreissl in 4 Minuten unter dem Titel «Die Furcht vor dem Fremden – Frankreichs Roma als „nützliche Feinde“» Wesentliches auf den Punkt. Der Beitrag ist nachhörbar als →mp3 oder auch nachlesbar.

Das Internationale Literaturfestival Berlin (15.9.-25.9.2010) hat in diesem Jahr einen Fokus Osteuropa. Viele Hinweise, das Programm und Flyer gibt es auf der offiziellen Homepage. Daneben gibt es das Programm als →pdf. (Hier eine separate Auflistung von Lesungen und Auftritten der AutorInnen aus Rumänien als →pdf)

Die Auseinandersetzung mit den Spitzeltätigkeiten unter Deutschen aus Rumänien steht im Zentrum einer Tagung vom 24.-26.9.2010 in Jena. Veranstaltet wird diese unter dem Titel Securitate in Siebenbürgen vom Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde e.V. Heidelberg. Infos zu Programm und Gästen hat die Siebenbürgische Zeitung und die Einladung für alle Interessierten inklusive Details zum Programm gibt es hier als →pdf.

Sarrazin – Ein Name und sein Thilo

Sehr eigen, das Fremde


Der Familienname „Sarrazin“ geht auf die Bezeichnung „Sarazenen“ zurück, mit der die „christlichen Europäer“ im Mittelalter die „unangepassten Muslime“ bezeichneten. Damit trägt der Oberlehrer in Sachen „unangepasste Muslime“ also den Namen, der vor hunderten von Jahren für die „drohende Islamisierung“ Europas stand. Dieser Tatsache widmete Jörg Lau vor einem Jahr bereits einen Artikel im Blog von Zeit.de. (Auch einen aktuellen Beitrag zum Thema gibt es von ihm.)

Der Name Sarrazin sagt natürlich nichts über die Person Thilo Sarrazin aus, aber über jenes Europa, das uns der Herr immer versucht zu erklären: In die große Kultur des Abendlandes, die von Thilo Sarrazin verteidigt wird, müssen sich in den letzten Jahrhunderten Muslime in großer Zahl eingeschlichen haben, denn der Name Sarrazin (Variante z.B.: Sarrasin) ist heute weit verbreitet.


Thilo Sarrazin, später Nachfahre (un)angepasster Muslime?
(Foto: CC Wikipedia/ Benutzerin Nina)

Thilo Sarrazin kennt die historische Dimension seines Namens. Möchte er davor fliehen? Ich meine ja. Denn ich glaube, Thilo Sarrazin hat keine Angst vor dem Islam in Europa heute, er hat Angst vor dem Islam als Teil seiner eigenen Identität. Aus dieser Angst heraus stört ihn alles in seinem Umfeld, was ihn an den Islam erinnert. Thilo Sarrazin bekämpft die muslimische Dimension der europäischen Identität – eine Dimension, die er in seinem eigenen Namen mit sich tragen muss. Darum ist er so ausweglos verzweifelt.

Tut doch nicht so!

Polemischer Einwurf


Wer mit den kollektiven Entfernungen der Roma aus Frankreich einverstanden ist, sollte zu seinem Rassismus stehen. Viel mehr ärgert mich, wie heuchlerisch Viele das idealistische Menschenbild der EU-Grundrechtecharta hochhalten – aber nur, solange es ein theoretischer Text ist. Der Artikel 19 darin hat die Überschrift „Schutz bei Abschiebung, Ausweisung und Auslieferung“ und da steht unter §1: „Kollektivausweisungen sind nicht zulässig“. Dieser Artikel resultiert aus der Erkenntnis, dass Menschen Individuen sind und nicht nach irgendwelchen Gruppenkriterien behandelt werden dürfen. Der Artikel bringt die Ablehnung einer Menschenlogik zum Ausdruck, die in der NS-Zeit die Politik bestimmte.

Internationale Medien schauen jetzt auf die Politik Sarkozys. Entrüstung macht sich breit. Ich finde das heuchlerisch, denn bereits vor einem Jahr zeigte sich dort in der behördlichen Praxis ein sehr beunruhigendes Menschenbild. Auch gegenüber Italien gibt es hier und da verkaufsfördernde Medial-Entrüstung. Biometrische Erfassung von Menschen, einschließlich Kindern, nach kollektiven Gesichtspunkten – diese perverse Realität hat sich etabliert! In Umfragen stimmen große Bevölkerungsteile solchen rassistischen Vorgehensweisen zu. Es ist ja ganz schön, dass die Presse noch Ansätze rassismuskritischer Reflexe zeigt, aber genauso schnell ist das Thema dann wieder verschwunden.

Diese rassistischen Kollektivbehandlungen interessieren immer besonders, wenn man sie an Sarkozy oder Berlusconi festmachen kann. Die Bad Boys in der Saubermann-EU. So ein Quatsch! Diese Herren repräsentieren Europa und sie repräsentieren ein in Europa nicht wenig verbreitetes Menschenbild. Nicht an der EU-Charta lässt sich der Zustand unserer Gemeinschaft ablesen, sondern am alltäglichen Umgang mit Menschen. Berlusconi und Sarkozy zeigen uns, was möglich ist. Mit rassistischer Politik erhöhen die beiden ihren Beliebtheitsgrad. Das heißt nicht die beiden Herren Politiker sind das Problem, sondern die große Menge Menschen, die ihre Ansichten teilen!

Jetzt zu Deutschland. Wenn ich diese Empörung über Sarkozy in vielen deutschen Medien lese, wird mir übel. Nicht wegen der Artikel selbst, sondern weil ich weiß, was die gleichen Zeitungen sonst abdrucken. Der Buhamann Sarkozy wird jetzt zum Anlass genommen, Artikel von kritischen Journalisten abzudrucken und an europäische Ideale erinnern zu lassen. Ekelhaft. Die gleichen Redaktionen hätten in letzter Zeit die Gelegenheit gehabt, jeder einzelnen der grausamen Abschiebungen von Roma ins Kosovo einen Artikel zu widmen. Jetzt tun diese Redaktionen plötzlich so, als ob die Roma in Europa ihnen eine Herzensangelegenheit wären. Das ist doch heuchlerisch. Denn wenn Sarkozy und Berlusconi nicht gerade offenen Rassismus praktizieren, segnen jene deutschen Redaktionen Artikel ab, in denen Roma als drohende Einwanderungsgefahr, „penetrante Wischer“ und mit plärrenden Kindern vorgestellt werden. Die Überschrift „Wisch und weg“ wird in identischer Weise von mehreren Zeitungen als adäquat empfunden, über Roma zu berichten, mit denen man lernen müsse, zu leben.

Und als vom Landesparlament in Schleswig-Holstein entschieden wurde, dass der Minderheitenschutz für die dort autochthonen Sinti und Roma im Gegensatz zu anderen Gruppen nicht in die Landesverfassung übernommen wird, blieb der mediale Aufschrei auch aus.

Wer sich für eine derartige mediale Verarbeitung von Menschen entscheidet, bereitet den Nährboden für rassistische Praxis. Man sollte mit dem Kritischsein bei sich selbst anfangen, nicht bei Sarkozy oder Berlusconi.

Ich soll mich freuen, dass das überhaupt thematisiert wird? Nein, auf keinen Fall. In ein paar Wochen ist der internationale Rummel um Sarkozy vergessen. Und der herablassende Umgang mit Roma in Deutschland wird genauso wenig beachtet, wie immer.