Frankfurter Rundschau: kiffender und saufender „Roma“

Qualitätsjournalismus aus deutschen Gerichtssälen: Stefan Behr macht in der Frankfurter Rundschau kurzen Prozess


Der Einsatzort von Stefan Behr ist der Gerichtssaal. Denn:

„Behr macht kurzen Prozess“ – FR-Gerichtsreporter Stefan Behr berichtet über kuriose, traurige, aufwühlende und schockierende Prozesse.“

Zuletzt ging es um einen Mann namens Daniel S., der alte Frauen beklaute. Interessant sind hier die Informationen über jenen Daniel S., die Behr für erwähnenswert hält, zum Beispiel:

Im Zuschauersaal plärren seine vier kleinen Kinder, der Rest der zahlreich anwesenden Familie ist auch nicht viel leiser.

Aber Behr hat noch eine weitere Information über jene „plärrenden Kinder“ und die „nicht viel leisere, zahlreich anwesende Familie“. Vom Anwalt:

Der Anwalt von S. kennt die Familie. Er hat schon den Vater vor Gericht vertreten, die Mutter, die Geschwister. „Ein Umfeld, bei dem es sehr schwierig ist, da sauber durchzukommen.“ Sein Mandant sei in dieser Zeit oft „mit anderen Jungs“ unterwegs gewesen, es habe „erhöhter Finanzbedarf“ bestanden, weil ordentlich gekifft und gesoffen und sonst was wurde. „Wenn ein Roma mal abhängig ist, braucht er viel Geld.“

Herr Behr lässt wichtige Fragen offen:
1. Kam der „Roma“ im Gerichtssaal selbst zu Wort?
2. Warum lässt Herr Behr den „Roma“ nicht im Artikel zu Wort kommen und zitiert nur dessen Anwalt?
3. Ist der Anwalt ein Pflichtverteidiger oder wurde er vom „Roma“ selbst gewählt?
4. Wenn der Angeklagte ein „Roma“ ist, was sind dann Herr Behr und der Anwalt? „Deutsche“? Nicht-„Roma“? Japaner? Pferde?
4.a Welchen Mitteilungswert sieht Behr in der zitierten Information, dass es sich bei dem Angeklagten um einen „Roma“ handelt, wenn er den gleichen Mitteilungswert nicht sieht, zu erwähnen, um was es sich bei ihm und dem Anwalt handelt?

Diesen offenen Fragen gegenüber steht der Erkenntniswert des Artikels, der sich mit den von Behr gegebenen Informationen so darstellt: (ich habe nur die Reihenfolge verändert, um den Erkenntniswert zu verdeutlichen)

– Daniel S. ist „Roma“
– er hat vier „plärrende“ Kinder
– er hat eine große Familie, die auch laut ist
– ein Großteil der Familie stand bereits vor Gericht
– bei „dem Umfeld“ ist es „schwierig sauber durchzukommen“
– Daniel S. kifft und säuft „ordentlich“, hat einen erhöhten Finanzbedarf

(Ich habe jetzt die „alten Damen“, „Rollatoren“, „halbblind“, „24.000 Euro Schaden“ aus der anderen Artikelhälfte weggelassen. Übrigens hat die Geschichte ein Happy End: die satte Strafe bringt den „Roma“ zum „Aufwachen“, aber das kann jeder selbst nachlesen …)

Ach, und mir fällt noch eine Frage ein: Wie heißt der Anwalt bzw. warum zitiert Behr ihn anonym?