Bürgermeister Roms wegen fahrlässiger Tötung angezeigt

Bei einem Brand in provisorischen Behausungen an Roms Stadtrand starben vier Kinder. Dem Bürgermeister Giovanni Alemanno wird nun vorgeworfen, Risiko-Berichte zur akuten Brandgefahr nicht ausreichend beachtet zu haben.


Am 6.Februar 2011 verbrannten vier Kinder in einem Slum-artigen Lager am Rande der italienischen Hauptstadt Rom. In dem Lager sollen rund 14 Menschen aus Rumänien, offenbar mehrheitlich Roma, wie der Standard berichtete, gelebt haben. Die obdachlosen Einwanderer waren laut Standard zuvor aus einem anderen ungenehmigt errichteten Lager von den Behörden vertrieben worden – während ihnen gleichzeitig Unterkünfte versprochen worden sein sollen.

Der Bürgermeister Roms Giovanni („Gianni“) Alemanno geriet nach dem Tod der Kinder unter Druck, ihm wurde vorgeworfen, die menschenunwürdigen Lebensbedingungen der Einwanderer zumindest billigend in Kauf genommen zu haben. Nun wird er sich auch vor Gericht dafür verantworten müssen: Wie hotnews.ro und adevărul.ro heute berichteten, wurde Alemanno wegen fahrlässiger Tötung angezeigt. Das verkündete gestern der grüne ehemalige Stadtverordnete („senator“) in Rom Luigi Manconi als Wortführer der Anzeige auf einer Pressekonferenz seiner NGO A Buon Diritto. Dabei präsentierte Manconi fünf amtliche Risiko-Berichte von der Verwaltung und Polizei Roms aus dem Zeitraum Mai bis Dezember 2010, in denen auf die Situation in den Slum-ähnlichen Lagern offenbar klar hingewiesen wird und so u.a. auch eine akute Brandgefahr seit Monaten bekannt gewesen sein soll. In diesen fünf Berichten sieht Manconi die Grundlage für seine Anschuldigung der Mitschuld des Bürgermeisters Alemanno am Tod der vier Kinder.

In den Behausungen, die aus leicht brennbarem Material bestehen, ergibt sich eine akute Brandgefahr logischerweise insbesondere im Winter, wenn unzureichende Heizmöglichkeiten zur Erzeugung von etwas Wärme genutzt werden. So vermuteten Feuerwehrmänner laut Standard auch, dass der tödliche Brand von einem kleinen Feuer in Blechkanistern ausgelöst wurde. Damit wäre genau das Szenario eingetroffen, vor dem der Bürgermeister mit den städtischen Risiko-Berichten hätte gewarnt werden sollen. Sein Pressesprecher soll zu Alemannos Verteidigung bereits gesagt haben, die Berichte hätten sich auf andere Lager bezogen und nicht konkret auf dieses, in dem jetzt die Kinder starben.

Gewalt gegen eine Rumänin in Rom endet tödlich

Neuer mutmaßlich fremdenfeindlicher Übergriff in Italien mit Todesfolge


Wie hotnews.ro berichtet (englisch hier) wachte eine 32-jährige Rumänin in Italien nach Verletzungen am Kopf nicht mehr aus dem Koma auf und verstarb am letzten Freitag (15.10.10). Die Frau, die in Italien als Krankenschwester arbeitete, wurde Opfer einer mutmaßlich fremdenfeindlich rassistisch motivierten Gewalttat in einer Metro-Station in Rom am vorvergangenen Freitag (8.10.10). Offenbar war der Tat ein Streit vorausgegangen, wie hotnews.ro von einem Caféhaus-Besitzer erfahren habe (siehe hier). In dem Streit soll der 20-jährige Mann die Rumänin beleidigt und aufgefordert haben, in ihr Land zurückzukehren (rumänisch hier).


Siehe auch:
Ein etwas ausführlicherer Artikel auf Italienisch im Corriere della Sera: Lite alla biglietteria del metrò,
donna aggredita esce dal coma

„Z***“ holt UEFA-Pokal

Einmal mehr – hält „der Z***“ her.


Einige europäische Journalisten nutzen für die „Belebung“ der Sprache, insbesondere bei der Beschreibung anderer Menschen, ausgewählte Elemente einer Bildsprache, die an die alten, rassistischen Stereotype vergangener Jahrhunderte erinnert. Uwe Klußmann konnte es sich nicht verkneifen, den moldauischen Präsidenten Voronin mit einem „Z***baron“ zu vergleichen, um die „Clan“-artigen Verstrickungen und die Korruption ein bisschen ethnisch zu bebildern (Medien machen Moldau) und jetzt haut Michele Brambilla in der Sportredaktion des italienischen Il Giornale in die gleiche Kerbe:

„Mircea Lucescu, der 64jährige rumänische Z*** von der Reservebank, nimmt den Pokal mit nach Hause: Schachtar Donezk schlägt Werder Bremen und gewinnt den letzten UEFA-Cup.“

Weniger aufsehenerregend wäre der italienische Artikel (Coppa Uefa Lucescu porta lo Shaktar alla prima vittoria europea), wenn Mircea Lucescu tatsächlich ein Rom wäre. Denn dann ginge es „nur“ darum, ob er sich gefallen lassen möchte, von anderen als „Z***“ bezeichnet zu werden – da das aber nicht der Fall ist, geht es darum, dass die Bezeichnung „Z***“ einen konkreten Zweck erfüllt: Genau wie beim „Z***baron“ von Klußmann soll „der Z*** von der Reservebank“ Assoziationen beim Leser wecken, die allgemein beim Begriff „Z***“ vom Leser erwartet werden. Im Falle Lucescus wird darauf angespielt, dass dieser als Trainer mehrmals die Clubs wechselte und nun den Pokal „mit nach Hause nimmt“. Beide Artikelschreiber scheinen sich auf den rassistischen Instinkt ihrer Leser im Zusammenhang mit dem Wort „Z***“ zu verlassen, oder sind vielleicht gar mitverantwortlich, dass dieser erst animiert wird.

Screenshot Johann Heinrich Zedlers Universallexicon/ Wikipedia (gemeinfrei)

Das rumänische Nachrichtenportal hotnews.ro berichtet von der Empörung, die die Bezeichnung „Z***“ für Lucescu unter den Lesern des italienischen Blattes auslöste, sowie von einem Offenen Brief der rumänischen Botschaft an die Zeitung. Für dieses offizielle rumänische Schreiben, in dem die rassistische und xenophobe Konnotation der Formulierung kritisiert wird, hat Michele Brambilla nach Angaben von hotnews.ro nur Zynismus und Ironie übrig, flankiert seine Sätze mit den Worten „liebe Freunde von der Botschaft“ und verweist reflexartig auf andere, die auch „Z***“ sagen.

Diejenigen, die ihre Sprache mit ethnischen Schubladen schmücken, berufen sich gern auf andere, die das auch tun, betonen ihre stets guten Intentionen und bewerten entgegnete Kritik als übertrieben. Diese Schutzhaltung, aber auch die Ignoranz gegenüber Minderheiten (seien sie ethnischer, religiöser, sexueller oder sonstwelcher Natur), sind symptomatisch für die Tradierung rassistischer und anderer Stereotype. Tabuisierung oder gar Verbote als Reaktionen auf derartige Entgleisungen in europäischen Medien sind Quatsch, stattdessen ist endlich die öffentliche Thematisierung von geduldetem Rassismus gegenüber Roma in der europäischen Presse nötig. Was hier in der Journalistensprache am Beispiel der „Z***“ zutage kommt, sind Mechanismen, die an anderer Stelle in Europa gern als „überwunden“ gefeiert werden.

Der europäische Rassismus ist nicht überwunden, wie der EU-Bericht über die Diskriminierung von Minderheiten kürzlich bewies (Vergessen in Europa). Die Roma brauchen kein Mitleid und keine Bewunderung, sondern Europa braucht eine ernsthafte, intensive Auseinandersetzung mit seiner Geschichte und den gesellschaftlichen Mechanismen der Ausgrenzung und Diskriminierung. Nur so könnte ein allgemeines Bewusstsein für Fälle rassistisch konnotierter Pressesprache entstehen – bis dahin aber muss auch für große europäische Medienhäuser „der Z***“ weiter herhalten.

Rom, die Roma und Rumänien

[Trigger-Warnung: Hinweise auf die rassistischen Fremdbezeichnung von Rom_nija]

Was die rumänische Presse aus der Stimmung in Italien macht


Die Agenţia de Monitorizare a Presei ist eine respektierte und gefürchtete Nichtregierungsorganisation in Rumänien, die zahlreiche Analysen zur Situation der rumänischen Presse und den journalistischen Rahmenbedingungen im Lande erstellt. Eine neuere Veröffentlichung ist der Presseberichterstattung über rumänische Roma in einem ganz speziellen Zusammenhang gewidmet: Kriminalität in Italien. Dafür wurden anhand der online-Ausgaben von drei rumänischen Tageszeitungen (Evenimentul Zilei, Jurnalul National und Libertatea) die Nachrichten der ersten Novembertage 2007 zu dem in Rom verübten Mord an Giovanna Reggiani unter die Lupe genommen.

Der Analyse zufolge (ausführlich hier als PDF, rumänisch) widmen sich die rumänischen Nachrichten in erster Linie den diplomatischen Verstimmungen zwischen Rumänien und Italien, dem „Phänomen“ der Kriminalität von rumänischen Staatsbürgern sowie dem Vorhaben, „kriminelle EU-Bürger“ aus Italien abzuschieben. So würde laut Bericht der in den italienischen Medien angestimmte Zusammenhang zwischen Kriminalität und nicht-italienisch-Sein ohne faktische Grundlage übernommen.

Weit weniger sei hingegen von den „xenophoben Attacken“ gegenüber rumänischen Staatsbürgern in Italien berichtet worden. Außerdem gibt Anlass zum Nachdenken, dass der Grundsatz der Unschuldsvermutung von den rumänischen JournalistInnen mehrheitlich missachtet worden sein soll – die rumänische Presse hätte damit aus dem rumänischen Tatverdächtigen bereits einen Täter gemacht, ganz im Sinne populärer Ansichten in Italien. Im Zusammenhang damit steht offensichtlich, dass der Mann den Roma (in den Zeitungen nicht selten als „[***]ner“¹ tituliert) zugeordnet wurde, die in den analysierten Artikeln fast nur in negativen Kontexten thematisiert werden (Vergewaltigung, Diebstahl, Verbrechen, Mord, Bettelei …). Mehrfach soll in den betrachteten Zeitungsberichten die Sorge um den Ruf Rumäniens im Ausland zur Geltung gebracht worden sein.

Das Ergebnis der Analyse lautet, dass in Rumänien eine professionelle Berichterstattung des Mordfalls verfehlt wurde, da mehrfach folgende Verstöße gegen journalistische Standards begangen wurden:

  • Missachtung des Grundsatzes der Unschuldsvermutung
  • Irrelevante ethnische Kategorisierung des Tatverdächtigen
  • Zitieren unbestätigter Daten und ohne Quellenangaben
  • Generalisierung von Fakten auf der Grundlage eine Einzelfalles
  • Weglassen wichtiger Informationen

Die italienischen wie auch die rumänischen Medien haben laut Analyse die in Italien arbeitenden Nicht-ItalienerInnen zu „Immigranten“ stilisiert und damit das EU-weit gewährte Recht auf freie Wahl des Wohnsitzes ausgeblendet. Aus einem einzelnen Verbrechen wurde, so das Ergebnis weiter, ein allgemeines „Phänomen“ rumänischer/romischer Kriminalität konstruiert. Abschließend heißt es:

Die mediale Aufbereitung des „Falles Mailat“ kann als eine Meisterleistung journalistischen Unvermögens betrachtet werden. Die rumänischen Publikationen haben nahezu ausschließlich die mit der italienischen Presse gelieferten Informationen weiterverbreitet

Das Thema ist hochaktuell – ein in Italien wegen Vergewaltigung eines 14-jährigen Mädchens angeklagter rumänischer Staatsbürger sagt laut heutiger Meldung aus (hier auf Englisch), er sei von italienischen und rumänischen Beamten unter Ausübung körperlicher und psychischer Gewalt zu einem Geständnis gezwungen worden.

Zwischen dem rumänischem Innenminister und seinem italienischen Amtskollegen stehen Gespräche bevor.

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¹ Begriff zur rassistischen Fremdbezeichnung von Rom_nija nachträglich entfernt.