Publikation „Bedrohlich anders“ als Download

Ab sofort steht meine Arbeit „Bedrohlich anders“ als pdf zum kostenlosen Download bereit:

Bedrohlich anders [pdf, 235 S., 3 MB]

Darin geht es um Darstellungen natio-ethno-kulturell markierter Figuren in einem rumänischen und einem deutschen populären Filmbeispiel (FURIA von R. Muntean, 2002 / KNALLHART von D. Buck, 2006). In einem ausführlichen Vergleich zeige ich Überschneidungen und Unterschiede zwischen den Figurendarstellungen der beiden Filme, und wie die Herstellung von Unterschiedlichkeit durch diese Darstellungen erfolgt (Narrativierung von Differenz). Dabei ist der Zusammenhang zwischen den fiktiven Figuren und der außerfilmischen Wirklichkeit von Bedeutung. Im Ergebnis zeigt sich, dass die Figurendarstellungen des rumänischen und deutschen Films derselben symbolischen Ordnung folgen, die sich auf die Stereotypie stützt: Sie lassen sich als Bestandteile eines rassistischen Diskurses der Differenz einordnen, und zwar genauer als Inszenierungen von Weißsein.

Für Fragen, Kritik oder andere Rückmeldungen stehe ich sehr gern zur Verfügung (z.B. über die Kommentarspalte oder e-Mail).

Die Arbeit ist weiterhin auch als gebundene Printversion erhältlich: epubli / amazon.

Adolf Hitlers Staatskarosse war ein Mercedes Benz

Gerade macht ein Werbeclip von Filmstudierenden die Runde, in dem ein Mercedes aus der Gegenwart, zurückversetzt ins Braunau am Inn der Vergangenheit, ein Kind namens Adolf gezielt tödlich anfährt. Als Werbespruch erscheint: „Erkennt Gefahren, bevor sie entstehen“. Die Firma des beworbenen Autos, Daimler Benz, distanziert sich von dem Video, das dadurch nicht weniger mediale Aufmerksamkeit erhält.

Ich habe kein Problem mit Humor zum Thema Nationalsozialismus. Allerdings finde ich drei Punkte an dem konkreten Clip problematisch:

  • „Die Gefahr“ wird auf die Person Adolf Hitler reduziert. Hitlers Erfolg aber war u.a. verknüpft mit alltäglichem deutschen Rassismus und 44% der Wähler*innenstimmen für die NSDAP 1933 im Deutschen Reich. Aus deutscher Perspektive ist es also sehr bequem, im Rückblick die vom deutschen Staat getragene und tödlich umgesetzte weiße Überlegenheitsideologie auf die eine Person Hitler zu reduzieren.
  • Mercedes Benz wird in einem tödlichen Konflikt mit Hitler inszeniert, obwohl sich die beiden prima verstanden. Daimler Benz unterstützte das Deutsche Reich unter Adolf Hitler mit dem Bau von Rüstungsgütern, beutete Zwangsarbeiter*innen aus und unterhielt enge Verbindungen zum NS-Staat. Und Adolf Hitler hatte einen Mercedes Benz als Staatskarosse.
  • Die Ermordung eines Kindes durch eine eigenständig entscheidende Maschine wird als positiv dargestellt. Wir Zuschauenden wissen spätestens im Nachhinein, dass es sich bei dem Todesopfer um Adolf Hitler handeln soll — allerdings ist die Logik, einen Menschen zu töten, ohne dass er etwas verbrochen hat, ein Problem. Dennoch ist das automatisierte Töten von Menschen durch Maschinen auf der Grundlage von „Gefahren“ erkennenden Algorithmen ein Geschäftsmodell. Es gibt bereits Kampfroboter, die in der Lage sind, vollautomatisiert zu töten. So ist es sicher kein Zufall, dass eine Fahrerin oder ein Fahrer des Autos in dem Videoclip nicht gezeigt wird.

  • Im Kontext dieser drei Punkte kann ich den Clip nicht mehr witzig finden. Mag jede Person lachen, worüber sie will, aber wenn das Video explizit Mercedes Benz, Adolf Hitler und die Tötung eines Menschen thematisiert und dabei den realen Kontext von Mercedes, Hitler/ NS-Deutschland und maschineller Tötung ausblendet, finde ich das problematisch.

    Tatort Rassismus

    Im gestrigen Tatort „Melinda“ kamen Charaktere aus einem nicht weiter benannten „nordafrikanischen Land“ vor, die auf plumpe Weise stereotyp rassistisch dargestellt wurden. Regie führte der Tatort-erfahrene Hannu Salonen, der schon bessere Filme als „Melinda“ gemacht hat.

    OK, in Melinda waren alle Charaktere überzeichnet, somit können auch die für „Nordafrika“ stehenden Figuren nicht so bierernst genommen werden — doch! Denn diese standen kollektiv für das gewalttätig Böse überhaupt, abgesehen von ihrem Opfer, dem Mädchen Meldinda. Die Figuren um das Tatort-Team behielten bei aller Überzeichnung nämlich ihre Individualität, standen jeweils mit eigenen Persönlichkeitsmerkmalen für sich und waren untereinander klar abgegrenzt. Dagegen besaßen die arabischsprechenden Männer untereinander keine charakterlichen Abstufungen und standen gemeinsam homogen für Kriminalität, Gewalt, Skrupellosigkeit, Kindesmissbrauch … Dazu gehörten alle arabisch markierten Figuren des Films. Die Ausnahme bildete das hilflose Mädchen, das von den deutschen Polizist*innen gerettet werden muss. Plumper geht’s nicht.

    Symbolhaft für diese Darstellungen war die Szene mit den Bildern der Krankenhaus-Überwachungskamera: Der Dolmetscher läuft mit dem Erstickungs-Tatmittel Handtuch über den Krankenhausflur und schaut, ganz typisch für einen Menschen mit Mordabsicht, lange direkt in die Überwachungskamera. Dabei zieht er zu allem Überfluss eine fiese Fratze in bester Disney-Manier. Hier Leute, einen der das Böse derart in sich trägt braucht ihr nur genau anzusehen!

    Zur Stereotypisierung der Figuren trug ferner bei, dass ihr Herkunftsland unerwähnt blieb. „Ein nordafrikanisches Land“ hieß es die ganze Zeit. Ein Land, dessen Namen das Filmpublikum also für den Kontext der Story nicht kennen braucht. OK, Arabisch wird dort gesprochen. Mit anderen Worten: Eines dieser Länder eben, da unten, ihr wisst schon. Über die braucht ihr nichts weiter wissen als: Arabischsprachig, Afrika, böse, böse und böse. Ziemlich billig für eine traditionsreiche nordeuropäische Krimiserie. Zumal in einem Deutschland, das sich gerade als Hausaufgabe selbst gestellt hat, Rassismus in den Medien zu reflektieren.

    Die dramaturgischen Rollenbezeichnungen sprechen auch Bände. So wird die weibliche Figur, die sich als Melindas Mutter ausgibt, in der Besetzungsliste als „Afrikanische Mutter“ benannt. Während andere Figuren Namen haben oder sogar Berufsbezeichnungen, reichen für diese weibliche Figur die Attribute Kontinent und Eigenschaft als Mutter, also Rassifizierung und Typisierung. Ich will nicht wissen, wie das Casting war.

    Der Schauspieler Kida Khodr Ramadan, der in „Melinda“ einen der bewaffneten Gangster spielt, sprach in einem Interview 2010 über die Schwierigkeit, als Schauspieler*in mit der Markierung „Migrationshintergrund“ klischeefreie Rollen in Deutschland zu finden. Ramadan, der seine Kindheit in Kreuzberg verbrachte und neben Arabisch auch akzentfreies Deutsch und Berliner Dialekt spricht, durfte im gestrigen Tatort einmal mehr den gebrochen Deutsch sprechenden Araber mimen. Im Cast von „Melinda“ ist er aber nicht gelistet. Vielleicht ja auf ausdrücklichen Wunsch.

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    Zu rassistischen Klischees im deutschen Fernsehen berichtete ZAPP Ende 2011 mal:

    [Video leider von den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten depubliziert]

    „Du hast einfach zu viel Farbe“ – Beitrag über Rassismus in der deutschen Fernsehbranche

    In der ZAPP-Ausgabe vom letzten Mittwoch (16.11.2011) gab es einen Beitrag über in Film und Fernsehen verbreitete rassistische Rollenzuschreibungen, die sich ganz konkret auf die Angebote etwa für schwarze Schauspieler_innen auswirken. Die Schauspielerin Liz Baffoe berichtet:

    „(…) da gab’s dann einen Moment, wo ich dann hörte ‚Ja, du bist zwar echt gut und wir mögen dich auch, du hast auch einen gewissen Bekanntheitsgrad, aber du hast einfach zu viel Farbe‘ und dann war ich völlig irritiert, und meinte, was heißt zu viel Farbe? Das hat mir weh getan und ich hab‘ auch denjenigen gefragt, was soll ich jetzt tun? Dann wurde mir gesagt: Kämpf‘ halt weiter. (…)“

    Școala Noastră/ Our School – Vorführung in Berlin

    Am Donnerstag, 17.11.2011, gibt es um 21:00 (nicht wie laut Aushang 20:00) im CineStar Potsdamer Straße 4 eine Vorführung des mehrfach ausgezeichneten Dokumentarfilms Școala Noastră/ Our School. Die Regisseurin Mona Nicoara aus New York wird anwesend sein.

    Die Präsentation erfolgt im Rahmen des European Pro Bono Forum, ist aber kostenlos und öffentlich.
    http://vimeo.com/20395928