Wie wird Voronin voten?

Moldovas neue Allianz versus Voronins Joker


Die vier Oppositionsparteien wollen eine Koalitionsregierung bilden, unter der Überschrift „Allianz für europäische Integration“. Noch aber stehen Gespräche mit den Kommunisten aus, und die beginnen erst, wenn Vladimir Voronin aus dem Urlaub zurück ist. Vorher können keine neuen Ämter besetzt werden.

Fünf zentrale Ziele der neuen Allianz stehen aber schon fest. Zunächst soll die Rechtsstaatlichkeit wiederhergestellt werden, dabei wird auch auf eine gründliche Überprüfung der April-Ereignisse abgezielt. Dann steht die Überwindung der „sozial-ökonomischen Krise“ samt Sicherung von Wirtschaftswachstum auf dem Plan, ein Ziel aller Länder der Welt. Ein drittes Thema ist die Wiederherstellung bzw. das Vorantreiben staatlicher Dezentralisierung mit lokaler Autonomie und an vierter Stelle wird die territoriale Reintegration der Republik Moldau genannt – beides Punkte, die mit Blick auf die abtrünnige Provinz Transnistrien interessant in ihrer Umsetzung werden können. Den fünften und letzten Punkt bildet die Integration in die Europäische Union einschließlich einer darauf abzielenden Außenpolitik. Als erste Amtshandlung soll auch die von Voronin neulich eingeführte Visapflicht für Rumänen wieder aufgehoben werden.

Die vier Parteien demonstrierten bei ihrem heutigen Auftritt Einigkeit (siehe hier). Mit den Kommunisten wollen sie nicht verhandeln, aber den Dialog suchen. Der ist auch unvermeidbar, denn die vier haben zwar die Parlamentsmehrheit und damit das Recht zur Regierungsbildung, für die Ernennung eines neuen Staatspräsidenten reicht es aber nicht. Die dafür noch fehlenden acht Mandate erhofft man sich von den Kommunisten. Mihai Ghimpu von der Liberalen Partei erwartet sogar mehr:

„Die Kommunisten müssen nicht nur mit 8, sondern mit sämtlichen 48 Stimmen für die Wahl eines neuen Präsidenten votieren. So können sie demonstrieren, dass sie tatsächlich Patrioten sind, dass sie ihr Vaterland lieben und dass sie für dessen Volk nur das Beste wollen.“ (Zitiert und übersetzt von hier)

Wessen Erwartungen erfüllt werden und wessen nicht, wird sich in den nächsten Tagen zeigen. Ohne die acht kommunistischen Mandate jedenfalls geht nichts, sie bleiben Voronins Joker.


andere Artikel über Republik Moldau

Signal, 3.8.2009

Ein Buch aus Wien, gleich zweimal Kampf in Rumänien und aufschlussreiche Bilder aus dem Kosovo sind vorzufinden.


Bei ARD lief ein Bericht von Agnieska Ziarek über die bleiverseuchten von Roma bewohnten Lager im Kosovo, in dem u.a. Paul Polansky zu Wort kommt. Online anschaubar: Allein der Beitrag von Agnieska Zarek wurde aus dem Video der Rückschau entfernt..

Bei Deutschlandfunk stellte uns Andrea Mühlberger den bloggenden rumänischen Richter Cristi Danileţ vor, der gegen die Korruption kämpft: als Audio (Stream / →mp3) oder Text.

Renate Nimtz-Köster schrieb auf Spiegel Online ausführlich über die zerstörerische Bauwut in Bukarest. Die Bukarester beginnen sich zu wehren: Aufstand gegen die Immobilien-Mafia.

Thede Kahl und Cay Lienau veröffentlichten jüngst das Ergebnis ihres Forschungsprojekts, das „der Frage nach[ging], welches die Mechanismen eines friedlichen Zusammenlebens sind und wodurch es gestört werden kann“. Das Resultat ist ein Buch mit dem Namen Christen und Muslime.

Signal, 5.7.2009

Viel Kritisches: über deutsche Sorglos-Selbstdarstellung, über Rassismus in Italien, über bedenkliche Tendenzen im deutschen Journalismus und über den Schatten der Migration.


Den Anfang macht Canan Topçu in ihrem Beitrag auf DRadio Kultur am 3.7.: „Ich gehöre zu der Gruppe von Menschen, die einen Migrationshintergrund haben. Und neuerdings beschäftigt mich die Frage, wann ich ihn bekommen habe.“ (Text oder →mp3)

Außerdem zeigt der Journalist Rudolf Stumberger heute in seinem Telepolis-Artikel die Zusammenhänge zwischen journalistischer Abhängigkeit, Neoliberalismus und Bologna: „Der Finanzcrash, der Niedergang des kritischen Journalismus und warum wir keinen „Content“ brauchen“ – von ihm erläutert unter dem Titel Die Krise der publizistischen Repräsentation.

Vom wachsenden Hass der italienischen Bevölkerung auf rumänische Staatsbürger, insbesondere vom Rassismus gegenüber Roma, berichtete Kirstin Hausen am 25.6. bei Deutschlandfunk (Text).

Was die Bundeszentrale für politische Bildung in einer Ausstellung im Auswärtigen Amt so an Fakten ausblendet, um ein unbeschwertes Deutschland-Bild rüberzubringen, wurde im DRadio-Fazit am 2.7. kritisch wahrgenommen: Deutschland für Anfänger →mp3.

Und Volker Lilienthal antwortete am 28.6. auf die DRadio-Kulturfrage „Journalisten oder Journalistendarsteller?“ vor dem Hintergrund der jüngst bekanntgewordenen hohen Nebenverdienste einiger öffentlich-rechtlich beschäftigter Journalisten, wie u.a. Tom Buhrow (Text).

Realität in Europa

Es gibt einen tiefschwarzen Bereich auf der Schattenseite Europas, in den nicht einmal das entfernte Echo der Bekundungen europäischer Ideale vordringt.


Das wirklich Beschämende an diesem Teil europäischer Realität ergibt sich aus den Versäumnissen europäischer und „internationaler“ Verantwortlicher, die, über Jahre hinweg, bis heute keine Veränderung der Situation erreichen konnten.

Isabel Fonseca beschreibt heute in der Frankfurter Rundschau das Lager, in dem unnatürliche Todesfälle, Fehlgeburten und Neugeborene mit Hirnschäden seit Jahren die Bewohner beschäftigen. (Über den zulässigen Höchstwerten) Es geht um die bleiverseuchten Behausungen hunderter Flüchtlinge nahe der Stadt Mitrovica im Kosovo.

„Die Lager wurden von den Vereinten Nationen errichtet, und die Vereinten Nationen tragen zusammen mit den Behörden im Kosovo die Verantwortung für diese Menschen, eine Verantwortung, der sie sich bewusst entziehen, trotz vieler Proteste von Europaabgeordneten, Roma- und Menschenrechtsvertretern, Umweltfachleuten, Anwälten, Journalisten, der Center for Disease Control and Prevention in den USA, dem Dänischen Flüchtlingsrat (DRC), dem Mercy Corps, der Norwegian Church Aid, der WHO und zumindest einer Baronin.“

Angesichts der Andeutungen Fonsecas zur langen Liste der Organisationen, die bereits auf die lebensgefährlichen Bedingungen in dem (von der internationalen Gemeinschaft geführten) Lager aufmerksam machten, erscheint der Fall umso unglaublicher. Viele Roma sind zusätzlich zu ihrer katastrophalen Wohnsituation bis heute andauernder Verfolgung im Kosovo ausgesetzt.

Einige, die auf die menschenunwürdigen Bedingungen unter der Aufsicht von UN, UNMIK, EU und NATO hinwiesen:

Vor dem Hintergrund dieser bis heute andauernden Zustände wird die Situation vom Europarats-Menschenrechtsbeauftragten Thomas Hammarberg als „humanitäre Katastrophe“ bezeichnet (Humanitäre Katastrophe in Nordkosovo). Der Europarat hat darum erneut betont, dass Abschiebungen von Flüchtlingen ins Kosovo unverantwortlich seien („Rückführung von Flüchtlingen kommt Menschenrechtsverletzung gleich“).

Österreich hat vor einigen Tagen Kosovo zu einem „sicheren Drittland“ erklärt (Kosovo gilt als „sicheres Drittland“).

Deutschland schiebt schon seit 2005 die bedrohte Minderheit ab (Abschiebung ins Kosovo) und wird dabei auch nicht müde (Erster Rom aus Hessen ins Kosovo abgeschoben).

Die für den NATO-Krieg im Kosovo aufgebauten westlichen Kameras sind heute, 10 Jahre später, abgebaut. Kein Interesse. Es geht um Roma.


update:

dROMa-Blog schreibt heute zum Thema: Kosovo: Lager hochgradig verseucht

Signal, 23.6.2009

Literatur im Austausch, Architektur im Kontrast und Bulgarischer Film in Berlin


Beispiele rumänischer Gegenwarts-Baukunst präsentieren fast zeitlgeich Kurt F. de Swaaf bei Spiegel Online und Martin Woker bei der NZZ online: de Swaaf liefert Hintergründe zu Ceauşescus „monumentalen Prunkbauten“ (Das finstere Kalkül Ceausescus), während Woker ein Buch vorstellt, mit dem man diesem „städtebaulichen Albtraum der Ceausescu-Ära“ entkommen kann (Schillernde Paläste).

„Einen besonderen Fall von Intertextualität“ hat Renate Lachmann anhand der Spuren des Werks von Bruno Schulz in Danilo Kišs „Bašta, pepeo“ (Garten, Asche) ausgemacht und stellt diesen am Donnerstag, 02.07.2009, 18 Uhr c.t. am Institut für Slawistik der HU Berlin vor. (Dorotheenstraße 65, Raum 5.57, 5. Etage, Veranstaltungskalender der HU-Slawistik)

„Ausgerechnet Bulgarien“, sagt Das Arsenal – Institut für Film und Videokunst e.V. Berlin (Potsdamer Str.2) und hat darum dieser Tage einige bulgarische Filme im Programm.