Filmfestival Cottbus beginnt

Ab sofort gibt’s reihenweise Filme!


Es geht los. Das Programm ist voll, die Eröffnungsparty läuft wohl gerade. Viele Besucher werden erwartet, man entkommt kaum den Hinweisen zum Filmfestival. Radio Eins will direkt aus Cottbus berichten.


Cottbus. Reihenweise Filme in den nächsten Tagen.Cottbus. Reihenweise Filme in den nächsten Tagen.


Schwerpunktregionen in diesem Jahr sind das Schwarze Meer und Russland. Aber auch polnische, slowakische, estnische … Filme sind dabei. Darüber hinaus gibt es Filme zum Thema DDR und Wendezeit. Meine Eindrücke zu einer Auswahl an Filmen gibt es geordnet nach Tagen:

Filmfestival Cottbus – Resumé Mittwoch

Filmfestival Cottbus – vier Filme am Donnerstag

Filmfestival Cottbus – mein Freitag und Samstag

Czernowitz – ein europäisches Symptom?

Czernowitz kann als Synonym für eine aufgeklärte jüdische Kultur in Europa stehen. Oder für die noch immer andauernde Vernichtung dieser Kultur.


Bis zum Holocaust waren die Juden die größte Bevölkerungsgruppe in der Stadt Czernowitz. Ein historischer Abriss über die Czernowitzer Juden auf Englisch kann hier nachgelesen werden, darüber hinaus ist dieses Buch zu empfehlen.

Czernowitz stand für mich als Inbegriff einer aufgeklärten europäischen Kulturmetropole. Rose Ausländer und Paul Celan repräsentieren genau diese deutschsprachige Kultur, sowie deren Auslöschung durch die Deutschen unter Mithilfe der Rumänen.

Heute sind Czernowitz und die Nordbukowina Teil der Ukraine. Neben Ukrainern und Russen haben Minderheiten wie Rumänen, Deutsche und Juden nur noch verschwindend geringe Bevölkerungsanteile. Die Vielsprachigkeit sowie die von den Juden gelebte deutsche Kultur prägten die Geschichte dieser Stadt. Beim Besuch im ukrainischen Czernowitz der Gegenwart konnte ich entdecken, was davon übrig ist.


Friedhof Czernowitz, Some Rights Reserved - sibiuanerLeichenhalle am Eingang des jüdischen Friedhofs Czernowitz.


Ich hatte mehr erwartet, als dieses zerfallende Haus mit rostiger Kuppel und zerschlagenen Fensterscheiben. In der Halle liegen Schutt und Müll, die Inschriften an den Wänden rieseln mit dem Putz herunter. Die Ruine wird geziert von einem kippenden Davidstern. Aber das Haus ist kein offizielles Mahnmal zur Geschichte der Juden. Es ist ein authentisches Mahnmal über den Umgang mit der Gegenwart der Juden von Czernowitz.


Friedhof Czernowitz 2, Some Rights Reserved - sibiuanerVerfall. 2005 hatte dieses Gebäude 100-jähriges Jubiläum.


Die jüdische Gemeinde mit ihren wenigen Mitgliedern schafft es finanziell nicht, den großen Friedhof mit seinen über 50.000 Grabstätten zu erhalten. (Zum Vergleich: der als größter in Europa geltende jüdische Friedhof in Berlin Weißensee beherbergt über 115.000 Grabstätten.) Die Stadt Czernowitz kümmert sich augenscheinlich nicht um den respektvollen Erhalt des jüdischen Friedhofs. Wer hier die Gräber seiner verstorbenen Nächsten besucht, muss sich mit dem Anblick einer großen Anzahl umgekippter Grabsteine abfinden.


Friedhof Czernowitz 3, Some Rights Reserved - sibiuanerGeraten die Czernowitzer Grabsteine nur aufgrund der Physik oder auch durch Menschenhand ins Wanken?


Ob nun die Natur oder Grabschänder die Steine umstürzen – sie sind zahlreich, die nicht wieder aufgestellt werden. Eine idyllische Naturbelassenheit kann nicht über die erkennbare Verwahrlosung des Geländes hinwegtäuschen.

Dem gegenüber stehen die gepflegten nicht-jüdischen Friedhöfe, aber insbesondere eine top-sanierte Innenstadt. Czernowitz vermarktet seinen Habsburg-Flair. Die restaurierten Fassaden werden flächendeckend jede Nacht intensiv beleuchtet.


Innenstadt Czernowitz, Some Rights Reserved - sibiuanerSchickes Czernowitzer Zentrum.


Die große einstige Synagoge im Zentrum der Stadt schmückt heute nur noch Postkarten und Werbebanner. Seit der Zerstörung durch einen Brand 1941 wird das ehemalige jüdische Gebetshaus als Kino genutzt. Diese Zweckentfremdung repräsentiert den Anfang des jüdischen Verschwindens aus Czernowitz, das nahtlos in die heutige Zeit reicht.


Ehemalige Synagoge Czernowitz, Some Rights Reserved - sibiuanerEin Werbefoto mit der Synagoge. Im Hintergrund, hellblau, das gleiche Gebäude heute: ein Kino.


Ehemalige Synagoge Czernowitz 2, Some Rights Reserved - sibiuanerAus der Nähe: Kino „Černivci“. Ein kleines Schild weist auf die ursprüngliche Bestimmung des Hauses als Synagoge hin.


Ein „Jüdisches Haus“ im Zentrum der Stadt beschäftigt sich mit der Geschichte der Bukowiner Juden. Wer gegenwärtiges jüdisches Leben in der heutigen Stadt Czernowitz finden will, muss länger suchen. Die von der Touristeninformation herausgegebene Karte im deutschsprachigen Stadtführer zeigt nicht, wo sich die letzte, gegenwärtig benutzte Synagoge der Stadt befindet. Mit etwas Glück findet man sie in einer Nebenstraße.

Glaubt man dem Vertreter der jüdischen Gemeinde Czernowitz, mit dem wir sprachen, so hat sich die Situation für die ukrainischen Juden, speziell in Czernowitz, seit der „Orangen Revolution“ verschlechtert. Die Hoffnungen an eine „pro-westliche“ Regierung wurden enttäuscht: Minderheiten wie die Juden sehen kein Geld für den Erhalt und die Pflege ihrer kulturellen Einrichtungen, es herrscht eine politische Stimmung der Einschüchterung gegenüber Juden. Die Rede ist von einem erstarkenden Antisemitismus, der den aus der „pro-russischen“ Zeit übertreffe.

Das Erzählte passt zu den Bildern. Im Rahmen einer Ukrainisierung der Gesellschaft scheint alles Jüdische nur noch für die Idealisierung der Czernowitzer Geschichte eine Rolle zu spielen. Wenn es um gegenwärtigen Austausch und um Unterstützung geht, herrscht offenbar Ignoranz.

Im 3sat-Interview auf der Frankfurter Buchmesse verwehrte sich Herta Müller dagegen, mit Paul Celan in einem Atemzug genannt zu werden.

„Ich habe, als ich anfing Celan zu lesen, ein riesiges Problem gehabt und begreifen müssen, auf welcher Seite ich geboren bin. (…) Ich gehöre nicht zu der Minderheit, zu der Paul Celan gehört. Man muss diese historischen Tatsachen ansehen.“ (Zitiert aus diesem Interview)

Wie Paul Celan als Schriftsteller für die deutsche Sprache steht, so steht er als Jude für eine „Seite“, die von Deutschen vernichtet werden wollte und größtenteils auch wurde. Herta Müller wurde durch das Handeln ihrer eigenen Verwandten von dem Schriftsteller Celan entfernt, der in der gleichen Sprache Literatur schrieb, wie sie.

Der Erfolg der NSDAP, die Juden aus dem „deutschen Volkskörper“ herauszudefinieren (was wesentlicher Bestandteil der Identität dieser Partei, seit dem ersten Parteiprogramm 1920, war), äußert sich bis heute im bundesrepublikanischen deutschen Selbstverständnis, auf dessen Grundlage man sich den sogenannten „volksdeutschen“ (christlichen) Minderheiten und deren Nachkommen (etwa in Rumänien oder auch in der Ukraine) finanziell und kulturell verbunden fühlt, nicht aber den Juden.

Solange der nationalistische Schatten und die bis heute gültigen Einteilungskategorien von „Nation“ und „Minderheit“ Bestand haben, so lange wird eine deutsche Außenpolitik in der Ukraine behaglich das Thema Energieversorgung ansprechen und über den schleichenden Zerfall letzter Repräsentationen des Judentums hinwegsehen.

Czernowitz verbildlicht die Musealisierung und Mahnmalisierung des europäischen Judentums. Und die gelungene Auslöschung seiner Gegenwart in der Gegenwart.

Entscheidungen in Moldova

In der Republik Moldau befindet sich eine neue Regierung im Entstehungsprozess


Gestern wurde die Visumpflicht für Rumänen aufgehoben, die von den Kommunisten kurz nach den Protesten im April eingeführt worden war. Damit hob Mihai Ghimpu die nicht nur in Moldova umstrittene Grenzregelung wieder auf. Indes soll auch die Position Ghimpus eines (nicht vom Parlament gewählten) formalen Übergangs-Präsidenten vom moldauischen Verfassungsgericht als rechtmäßig bestätigt worden sein. Vlad Filat wurde jetzt zum offiziellen Kandidaten für das Amt des Premierministers, und damit des Regierungsführers, nominiert.

Die neue Regierungs-„Allianz für europäische Integration“ will die Ministerien neu strukturieren. Unter anderem soll es ein Ministerium für Jugend und Sport geben (der Bereich Jugend war zuvor Teil des Bildungsministeriums) – nach Protesten von Jugendverbänden nun sogar ohne die ursprünglich geplante Verschmelzung mit dem Tourismusministerium. Daneben soll die Grenzsicherung zukünftig dem Finanzministerium unterstehen, was die Kommunisten kritisierten, die damit die Sicherheitsinteressen der Menschen in der separatistischen Region Transnistiren gefährdet sehen. Sowieso soll nun auch das Ministerium für territoriale Reintegration aufgelöst werden und als Staatsbehörde weiter existieren. Die neue Regierung sieht darin eine Verbesserung der Verhandlungsposition mit Blick auf Transnistrien, die Kommunisten hingegen werfen der neu entstehenden Regierung fehlendes Interesse an der Suche nach einer Lösung des Transinistrien-Problems vor. (Alles u.a. hier)

Für großes Aufsehen sorgte auch die neue Regelung, nach der moldauische Regierungsmitglieder neben der moldauischen zukünftig auch andere Staatsbürgerschaften haben dürfen sollen.


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Mihai Ghimpu übernimmt das Steuer

Mihai Ghimpu ist seit der heutigen Parlamentssitzung formal und offiziell geschäftsführender Präsident der Republik Moldau


Nachdem Vladimir Voronin seinen Rücktritt bereits vor einigen Tagen erklärt hatte, gab er nun formal alle Funktionen als amtierender Präsident ab. In der heutigen Parlamentssitzung wurde daraufhin das Amt des Präsidenten für vakant erklärt. Nach der Feststellung, die Republik Moldova solle nicht eine Sekunde ohne Staatschef sein, wurde wenige Sekunden später der derzeitige Parlamentsvorsitzende Mihai Ghimpu zum Übergangspräsidenten Moldovas erklärt.

Der moldauische Staat befindet sich seit den zweiten Parlamentswahlen diesen Jahres vom 29. Juli noch immer in einer Übergangsphase. Das Wahlergebnis lässt nur wenig Spielraum. So entstand ein Zweckbündnis namens „Allianz für eine europäische Integration“ aus den im Parlament vertretenen Oppositionsparteien, um ein Weiterregieren der nach wie vor stark vertretenen Kommunisten um Voronin zu verhindern.

Die reine Sitzmehrheit zur Regierungsbildung ist der neuen Europa-Allianz mit 53 von 101 Mandaten zwar gegeben, allerdings fehlen acht Stimmen für die 61 Mandate, die nach der moldauischen Verfassung zur rechtmäßigen Wahl eines neuen Staatspräsidenten nötig sind. Für die acht Stimmen ist man auf die Kommunisten angewiesen.


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Vladimir Voronin nicht mehr moldauischer Staatspräsident

Der zähe Regierungswechsel in der Republik Moldova wurde heute von einem entscheidenden Schritt des bisher amtierenden moldauischen Staatspräsidenten begleitet


Nachdem es zunächst so aussah, als würden die Kommunisten Moldovas die Bildung einer neuen Regierung und entsprechende Verhandlungen blockieren, scheint der Weg jetzt frei: Vladimir Voronin gab bekannt, seinen Posten als moldauischer Präsident aufzugeben und in die parlamentarische Opposition zu wechseln. Ob das Amt des Staatspräsidenten ihm überhaupt noch zustand, war juristisch umstritten. Vor der eigenen Partei verlautbarte er heute:

„In meiner Eigenschaft als Parteivorsitzender beabsichtige ich nicht, in diesem für die Heimat und für die Partei kritischen Moment, weiterhin in einer doch sehr fraglichen und uneindeutigen Situation als amtierender Präsident zu bleiben. Weder habe ich die moralische noch die politische Basis zur formalen Ausübung dieser hohen Staatsfunktion. Ich lehne den Weg vehement ab, auf den die [anderen Parteien, Anm.d.V.] unser Land führen wollen. Daher wechsle ich ins Parlament und übernehme die Eigenschaft als Abgeordneter, um zusammen mit der Partei, zusammen mit der Fraktion zu sein. Ich werde mit Ihnen an der vordersten Frontline dabei sein.“ (Zitiert und übersetzt von hier)

Eine andere Entscheidung blieb Vladimir Voronin ja ohnehin nicht, zumal die Zeit und die Opposition bereits Druck ausübten. Nun hat er diesen Moment wenigstens noch für eine kleine moralische Theatervorstellung genutzt.

Derweil steht die Europa-Allianz der ehemaligen Oppositionsparteien in den Startlöchern. Die Regierungsbildung sollte zwar formal kein Problem werden, nur für die Präsidentenwahl fehlen den Nicht-Kommunisten ausreichend Stimmen im Parlament. Außerdem blockierte und boykottierte die kommunistische Fraktion in den letzten Tagen Parlamentssitzungen. Der erste Schritt zur Institutionalisierung der neuen Kräfteverhältnisse ist aber getan, indem mit Vlad Filat (sorry) Mihai Ghimpu ein nicht unumstrittener liberaldemokratischer Politiker zum neuen Parlamentspräsidenten gewählt wurde.


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