Ion Sturza – von Rompetrol zu Molpresed?

Man hört es munkeln aus dem nicht mehr ganz Dunkeln zu Moldovas neuem ersten Mann


Jeder trägt sein Päckchen. Ion Sturza ist ein Mann, der ein großes Päckchen trägt. Er entstammt dem moldauischen Bojarengeschlecht Sturdza und sieht sich wohl gerade mit der Frage konfrontiert, ob er noch einmal politisch aktiv wird. Im medialen Buschfunk wird er bereits als moldauischer Präsidentschaftskandidat gehandelt, der von Kommunisten und Allianz gleichermaßen akzeptiert werden könnte.

Als er 1999 einige Monate lang moldauischer Ministerpräsident war, hatte er einen Teil seiner Karriere schon hinter sich. Der studierte Wirtschaftswissenschaftler bekleidete offenbar bereits zu Sowjetzeiten höhere Ämter, darunter ein sehr hohes im Außenhandel. Heute hat er aber die Politik komplett gegen die Wirtschaft eingetauscht und sitzt, auch hier weit oben, beim (ursprünglich einmal rumänischen) Ölkonzern Rompetrol.

Zu alt ist Sturza mit 49 Jahren ganz bestimmt nicht für den Präsidentensessel, es geht wahrscheinlich eher um die Lust. Einem Mann aus der Wirtschaft wird man ein Angebot machen müssen. In einem Interview meint er zu den Spekulationen um seine Person:

„Ich habe sehr viel Arbeit in Wien und mich riefen dieser Tage viele Bekannte an, mit denen ich über dieses Thema gesprochen habe. Ich habe über einen solchen Vorschlag nicht einmal nachgedacht und ich sage Ihnen aufrichtig, dass mich die Funktion als Präsident der Republik Moldau nicht reizt. Generell bin ich kein Mensch, der für Funktionen schwärmt.“ (Zitiert und übersetzt von hier)

Diese klaren Worte lassen eigentlich keinen Raum für Spekulationen. Dafür eine neue Meldung: Ion Sturza soll gestern in einem Chişinăuer Restaurant mit dem Liberaldemokraten Vlad Filat gespeist haben. Was sie besprochen haben, weiß niemand. Fest steht nur: Vlad Filat ist ein Bekannter von Ion Sturza.


andere Artikel über Republik Moldau

Wie wird Voronin voten?

Moldovas neue Allianz versus Voronins Joker


Die vier Oppositionsparteien wollen eine Koalitionsregierung bilden, unter der Überschrift „Allianz für europäische Integration“. Noch aber stehen Gespräche mit den Kommunisten aus, und die beginnen erst, wenn Vladimir Voronin aus dem Urlaub zurück ist. Vorher können keine neuen Ämter besetzt werden.

Fünf zentrale Ziele der neuen Allianz stehen aber schon fest. Zunächst soll die Rechtsstaatlichkeit wiederhergestellt werden, dabei wird auch auf eine gründliche Überprüfung der April-Ereignisse abgezielt. Dann steht die Überwindung der „sozial-ökonomischen Krise“ samt Sicherung von Wirtschaftswachstum auf dem Plan, ein Ziel aller Länder der Welt. Ein drittes Thema ist die Wiederherstellung bzw. das Vorantreiben staatlicher Dezentralisierung mit lokaler Autonomie und an vierter Stelle wird die territoriale Reintegration der Republik Moldau genannt – beides Punkte, die mit Blick auf die abtrünnige Provinz Transnistrien interessant in ihrer Umsetzung werden können. Den fünften und letzten Punkt bildet die Integration in die Europäische Union einschließlich einer darauf abzielenden Außenpolitik. Als erste Amtshandlung soll auch die von Voronin neulich eingeführte Visapflicht für Rumänen wieder aufgehoben werden.

Die vier Parteien demonstrierten bei ihrem heutigen Auftritt Einigkeit (siehe hier). Mit den Kommunisten wollen sie nicht verhandeln, aber den Dialog suchen. Der ist auch unvermeidbar, denn die vier haben zwar die Parlamentsmehrheit und damit das Recht zur Regierungsbildung, für die Ernennung eines neuen Staatspräsidenten reicht es aber nicht. Die dafür noch fehlenden acht Mandate erhofft man sich von den Kommunisten. Mihai Ghimpu von der Liberalen Partei erwartet sogar mehr:

„Die Kommunisten müssen nicht nur mit 8, sondern mit sämtlichen 48 Stimmen für die Wahl eines neuen Präsidenten votieren. So können sie demonstrieren, dass sie tatsächlich Patrioten sind, dass sie ihr Vaterland lieben und dass sie für dessen Volk nur das Beste wollen.“ (Zitiert und übersetzt von hier)

Wessen Erwartungen erfüllt werden und wessen nicht, wird sich in den nächsten Tagen zeigen. Ohne die acht kommunistischen Mandate jedenfalls geht nichts, sie bleiben Voronins Joker.


andere Artikel über Republik Moldau

Signal, 3.8.2009

Ein Buch aus Wien, gleich zweimal Kampf in Rumänien und aufschlussreiche Bilder aus dem Kosovo sind vorzufinden.


Bei ARD lief ein Bericht von Agnieska Ziarek über die bleiverseuchten von Roma bewohnten Lager im Kosovo, in dem u.a. Paul Polansky zu Wort kommt. Online anschaubar: Allein der Beitrag von Agnieska Zarek wurde aus dem Video der Rückschau entfernt..

Bei Deutschlandfunk stellte uns Andrea Mühlberger den bloggenden rumänischen Richter Cristi Danileţ vor, der gegen die Korruption kämpft: als Audio (Stream / →mp3) oder Text.

Renate Nimtz-Köster schrieb auf Spiegel Online ausführlich über die zerstörerische Bauwut in Bukarest. Die Bukarester beginnen sich zu wehren: Aufstand gegen die Immobilien-Mafia.

Thede Kahl und Cay Lienau veröffentlichten jüngst das Ergebnis ihres Forschungsprojekts, das „der Frage nach[ging], welches die Mechanismen eines friedlichen Zusammenlebens sind und wodurch es gestört werden kann“. Das Resultat ist ein Buch mit dem Namen Christen und Muslime.

Republik Moldau, Wahlen 2009 Teil II

Grund zum Feiern in Moldova?


Die Opposition in der Republik Moldova hat den Kommunisten bei den jüngsten Parlamentswahlen (am letzten Mittwoch) fünf Prozent Verlust beschert. Eine zukünftige Regierungskonstellation ist aber unklar. Die taz titelte trotzdem unmissverständlich: Sieg für Opposition und auch die Deutsche Welle klang ähnlich: Oppositionsparteien gewinnen Parlamentswahl in der Republik Moldau. Aber wer kann sich wirklich freuen?

Diejenigen, die im April in Chișinău auf die Straße gingen, werden aufatmen, dass die absolute Mehrheit der Kommunisten gebrochen ist. Voronin bekam am Mittwoch mit 44,69% knapp fünf Prozent weniger als im April (49,48%), und zwar bei einer Wahlbeteiligung von einem guten Prozent mehr als im April (58,8% gegenüber 57,6% im April). Die nächststärkste Partei nach den Kommunisten sind die Liberal-Demokraten mit 16,57% – und das ist das eigentlich Nachdenkenswerte: Die Kommunisten verloren nach den Protesten im April nur fünf Prozent und konnten sich damit am letzten Mittwoch wieder als haushoch führende, stärkste politische Kraft in Moldova positionieren. Wahltricks und das parteiische Staatsfernsehen mögen einen Teil der hohen Stimmenzahl erklären, aber Tatsache bleibt trotzdem, dass die Kommunisten noch immer großes Vertrauen in weiten Teilen der Bevölkerung genießen, trotz (oder wegen?) ihrer autoritären Gebärden gegenüber den Protestierenden im April.

Vielleicht sehen viele Moldauer tatsächlich in den Kommunisten einen Garant für Stabilität. Sowjetnostalgie hin oder her, die regierenden Kommunisten haben sicherlich keine anti-europäische Linie verfolgt. Seit Mai diesen Jahres ist Moldova Teil der unter EU-Führung entstandenen „Östlichen Partnerschaft“ und das 1998 mit der EU ausgehandelte Kooperationsabkommen hat Voronin auch nicht aufgekündigt. Man mag Voronin als Stratege bezeichnen. Oder als Realpolitiker.

Moldova sucht sich, wie jeder europäische Staat, aus verschiedenen Optionen innerhalb der politischen Sphäre seinen Weg selbst aus. Wem es aufstößt, dass Voronin sich politisch bei Putin Beratung holte statt bei Barroso oder Bush, der hängt offenbar den Feindbildern des Kalten Krieges nach. Seit Voronin herrscht in Moldova eine besonders investorenfreundliche Wirtschaftspolitik. Nach Robert Baag vom Deutschlandfunk praktizieren die moldauischen Kommunisten sogar „einen recht robusten Kapitalismus“ (Republik Moldau hat erneut die Wahl).

Bisher ist noch unklar, ob sich die vier neben den Kommunisten ins Parlament gewählten Parteien auf eine Regierungskoalition einigen – unter den vier befindet sich auch die vom abtrünnigen Kommunisten Marian Lupu angeführte Demokratische Partei. Eine bisher von allen ausgeschlossene (aber sicher nicht unmögliche) Option wäre die Koalition einer der vier Parteien mit den Kommunisten. Werden Voronin und Lupu wieder ein Team? Oder schafft es Lupu an die Spitze einer Vierer-Koalition, die eine rein kommunistische Opposition bedeuten würde? Noch ist alles offen …


andere Artikel über Republik Moldau

Standortfaktoren post-bellum

Im Ressort Wirtschaft erschien bei Spiegel Online am 19. Juli der Artikel Kosovo bangt um den Wirtschaftsfaktor Nato von Astrid Langer. Ausführlich wird dort der Zusammenhang zwischen KFOR-Präsenz und wirtschaftlicher Situation des Landes beleuchtet. Mit dem geplanten Truppenabzug der NATO drohe ein „konjunkturelles Fiasko“.


Die Autorin stellt uns einleitend Rejhan vor, die, nach anfänglicher Skepsis, nun seit über zehn Jahren für die deutsche Armee im Kosovo als „Schneiderin“ Uniformen „kürzt“ und „flickt“. Zur Belebung trockener Fakten wird eine Anekdote verarbeitet:

„Einmal habe sie sogar einen Babystrampler aus Tarnfleck genäht, erzählt sie. Den hat der Kompaniechef dann einem frischgebackenen Vater geschenkt.“

Die Schilderung gibt dem Thema ein Gesicht, Individualität. Aber viel interessanter als die Anekdote finde ich allein schon die Tatsache, dass die Autorin dieses Geschichtchen in ihrem Artikel einsetzt. Vor meinem geistigen Auge kreuzen sich zwei gegensätzliche Welten – in todbringenden Kriegen agierende Armeen treffen auf einen Babystrampler. Aber leider folgt dieser grotesk-ästhetischen Überschneidung nicht etwa eine kritische Auseinandersetzung mit der von Krieg durchzogenen Lebenswirklichkeit der kosovarischen Gesellschaft, sondern nur die Beschreibung (sozial)wirtschaftlicher Vor- und Nachteile der NATO-Präsenz in der Region.

„Man merkt: Die 30-Jährige ist stolz, als eine von rund 400 Kosovaren für die Kosovo Force (Kfor) zu arbeiten. „Alle wollen das“, sagt sie. Der Grund dafür ist simpel: Die Anstellung hilft ihrer ganzen Familie, denn mit 368 Euro netto im Monat liegt das Gehalt deutlich über dem Durchschnittseinkommen von 200 Euro. Auch die Krankenversicherung und den Rentenbeitrag zahlen die Truppen für sie, eine Seltenheit. „Für mich bedeutet die Kfor viel“, sagt sie auf Deutsch – denn auch den Sprachkurs spendierte die Nato-Mission.“

Die offizielle Arbeitslosen-Quote liegt bei rund 50%. Die Autorin stellt denn auch zurecht den krassen Gegensatz zwischen Hoffnungsträger KFOR und herrschender Armut heraus. Nur bleibt sie dabei auf der Ebene einer unreflektierten Zustandsbeschreibung, die sich liest, wie ein Werbeprospekt der NATO:

„Und tatsächlich sind die Stellen bei den ausländischen Truppen vielfältig: Es gibt Gärtner, Dolmetscher, Frisöre, Reinigungskräfte, Küchenhelfer, Bedienungen und Straßenbauer. Denn es gibt viel zu tun in den Camps. Aber auch außerhalb der Kfor-Zäune beeinflusst die Anwesenheit der Truppen das Wirtschaftsleben: So werden in Prizren die Kfor-Fahrzeuge in der örtlichen „Big Brother“-Auto-Werkstatt gewaschen und teilweise auch repariert. Benzin wird ebenfalls vor Ort gekauft. Ein einheimischer Bäcker backt das Brot für die Soldaten – extra nach deutschem Rezept und Hygieneauflagen. Das Truppen-Magazin „Maz & More“ wird wöchentlich vor Ort gedruckt, 15 Kosovaren sind damit beschäftigt. Und auch die Schmutzwäsche der Task Force Süd wird in Prizren gewaschen. Zwar gehört die Wäscherei nicht der Kfor – doch die Truppen sind der einzige Kunde.“

Wer will nach dieser Beschreibung den Abzug der NATO aus dem Kosovo?

Erst nachdem ich akzeptierte, dass die Autorin hier eine rein ökonomische Perspektive auf die Gegenwart im Kosovo bietet, verstehe ich die Logik des Artikels. Die Faktenlage ist überschaubar: Einige Menschen in einer verarmten europäischen Region sichern sich ihre Lebensgrundlage mit Diensten für die Armeen aus vorwiegend wohlhabenden Ländern. Die Autorin hat dafür eigene Worte:

„Seit zehn Jahren läuft das so, seitdem die „Kosovo Force“ der Vereinten Nationen in den ethnischen Bürgerkrieg zwischen Serben und Albanern eingeschritten ist. Seitdem sichert die Kfor nicht nur den Frieden. Sie ist auch einer der größten Arbeitgeber im Land geworden, der viele neue Arbeitsplätze schafft.“

Während uns in der ersten Hälfte des Artikels noch einzelne Menschen vorgestellt wurden, ist die Sprache der Autorin im zweiten Teil wesentlich wirtschaftswissenschaftlicher:

„Was das Kosovo wirklich zu bieten hat, sind Arbeitskräfte. Sie sind billig, denn jeder sucht dringend einen Job“

Wie zum Beispiel Rejhan bald. Denn die Rede ist von „rückläufigen Direktinvestitionen“, zwischen vielen Zahlen erfahre ich, dass Unternehmen lieber nach Bulgarien oder Rumänien gehen, dort herrscht nicht ganz so viel Korruption und Instabilität.

Die Autorin weiß auch, dass es dank dem österreichischen Kommandeur Thomas Starlinger „erstmals einen Masterplan für das Kosovo“ gibt. Wie der Plan aussieht, steht nicht geschrieben, aber

„Das Ziel ist dabei eindeutig: ein sich selbst erhaltendes Kosovo.“

Das klingt nach einem guten Ziel. Ob es wirklich der erste Kommandeur ist, der mit seinem „Masterplan“ dem Kosovo Gutes tun will, bleibt dahingestellt.

Sicher, man kann für oder gegen den NATO-Krieg und die Besetzung des Kosovo sein. Die deutschen Medien entschieden sich mehrheitlich für die kompromisslose Verteidigung der deutschen und NATO-Strategie. Aber dass auf Spiegel Online der KFOR als Motor der kosovarischen Wirtschaft nachgeweint wird, ohne auf den Zynismus einer so paradoxen Situation näher einzugehen, führt mir doch einmal mehr den Zustand eines deutschen „Leitmediums“ vor Augen. Die einzige Aussage des Textes ist, dass wirtschaftlicher Aufschwung alle Probleme löst und dass das Militär im gegebenen Fall Teil dieser Lösung ist – nicht mehr nur als gewalttätiges Druckmittel, sondern als Wirtschaftsfaktor.

Die Autorin fragt nicht, ob der Krieg und die jahrelange Stationierung von Armeen auch wirtschaftliche Vorteile etwa für die entsendenden Länder bedeuten. Sie blendet aus, welche Folgen es für eine Gesellschaft hat, wenn eine militarisierte Alltags-Struktur einzig als Überlebenschance von den Menschen wahrgenommen wird. Sie präsentiert in ihrem Artikel keine einzige Idee oder Hoffnung für die Menschen im Kosovo, jenseits der Perspektive, als „billige Arbeitskräfte“ für Investoren zu enden. Der gesamte Fokus der Auseinandersetzung mit den Problemen dieser Menschen basiert auf der Vorstellung, dass sie für irgendjemanden arbeiten, um sich ihr Überleben zu erwerben.

Eine Logik, nach der Menschen als Standortfaktoren und „billige Arbeitskräfte“ bewertet werden, wird von einer jungen Journalistin im Jahre 2009 nicht mehr hinterfragt, sondern verbreitet.


Zum Thema:
Einen Job kriegen im Kosovo,
Die NATO in den Medien