Roma-Artikel-Bauset

Beim Tagesspiegel ist Frühling:


Folgende Fetzen entstammen in genau dieser Reihenfolge dem Tagesspiegel-Artikel Wisch und Weg (15.5.2010). Diese Schlagworte und Schlagsätze sind die Zutaten, wenn (nicht nur, aber auch, und vielleicht gerade) deutscher Journalismus mit dem Thema Roma ein breites Lesepublikum erreichen will:

[Updates unten]

Der letzte Absatz des Artikels enthält als einziger Teil des langen Wischer-Verrisses keine Schlagworte:

Hamze Bytyci, Vorstand des Vereins „Amaro Drom“, einer Organisation von Roma und Nichtroma in Berlin, kritisiert, dass die Debatte um die Roma aus Osteuropa meist nur am Betteln und Scheibenwischen aufgehängt werde. (…) (Wisch und Weg)

Der Tagesspiegel fand wohl, das musste mal gesagt werden.

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Update1, 16.5.10: 1. Das Veröffentlichungsdatum über dem Tagesspiegel-Artikel täuscht, der Artikel war bereits am 15.5. vor 22 Uhr online. 2. Der Tagesspiegel-Artikel war gestern, am 15.5.10 mit „Wisch und weg“ betitelt, wie meinem Screenshot zu entnehmen ist. Inzwischen heißt der Artikel „Scheibenputzer – wisch und weg„. Warum?
update2, 16.5.10 17:45: Ich habe inzwischen zwei kritische Kommentare für den Tagesspiegel-Artikel abgegeben, einen um ca. 13:00 und einen um ca. 16:00. Keiner hat es offenbar durch die „redaktionelle Prüfung“ geschafft, zumindest ist keiner meiner Kommentare veröffentlicht – obwohl ich die Tagesspiegel-Kommentier-Richtlienen beachtet habe. Von meinem zweiten Kommentar habe ich ein Screenshot angefertigt. Warum wird er nicht in der Kommentarspalte veröffentlicht?

Update3, 17.5.10: tagesspiegel.de: Kritik unerwünscht?

8. April – Tag der Roma, Rromano Ghies, Ziua Romilor, Day of the Roma

Rap auf Romani, Hip Hop Rromanes, Hip Hop în limba Romani, Rap in Romani language


Zum „Internationalen Tag der Roma“ gibt es heute ein, wie ich finde, sehr schönes Musikvideo mit prima Beats, in dem die Künstler auf Romani rappen:

Abdies, ko Rromano Ghies, siamen iekh but shukar videoclipo artistentza so sikhaavenamen hip hop Rromanes:

La „Ziua Internaţională a Romilor“ de astăzi avem un videoclip foarte fain în care artiştii ne prezintă hip hop în limba Romani:

At the „International Day of the Roma“ today here is a very nice musicvideo in which we see the artists rapping in Romani language:

http://www.youtube.com/watch?v=SMi4ThphviI

Wem das Video gefällt, der findet beim Youtube-Kanal von GipsySutka noch weitere Beiträge der Formation.

Kana khamen kado videoclipo, dashti arakhen li aver clipuria kadi formatziaqi po youtube channel le GypsySutka-sqi.

Cui îi place acest video va găsi alte clipuri de la această formaţie la canal youtube al lui GipsySutka.

Who liked this musicvideo will find other clips by this formation at the youtube-channel of GipsySutka.

„Deutschland, wohin zog es deine ***ner?“ – Teil 1

[Trigger-Warnung: Screenshot mit ausgeschriebener rassistischer Fremdbezeichnung von Rom_nija, Hinweise auf die rassistische Fremdbezeichnung von Rom_nija]

Die flotten 30er


Gestern titelte die online-Ausgabe der Mitteldeutschen Zeitung: «Schwarzer ***ner» bringt Glück.

Dieser lockere Titel mit Bezug zu deutschem Liedgut (für den Presserat vielleicht eine „musikhistorische“ Wendung) brachte mich auf die Idee, den Versuch einer kleinen Serie zu starten.

Unter dem Titel „Deutschland, wohin zog es deine ***ner?“ sollen kleine Exkurse in die deutsche Kulturgeschichte unternommen werden. Das liebevolle Motiv des exotischen „***ner“, das auch bei den Deutschen bis heute in kreativer Vielfalt lebendig bleibt, soll neben einige Fakten gestellt werden, die für die tatsächlichen Lebensumstände sogenannter „***ner“ standen oder stehen.

Die Spannweite einer Antwort auf die Frage „Deutschland, wohin zog es deine ***ner?“, die von „In das deutsche Volkslied“ bis zu „In die deutschen Gaskammern“ reicht, soll in der kleinen Serie ausgefüllt werden. Verdeutlicht werden soll damit auch, wie sich Bild und Wirklichkeit nicht nur widersprechen, sondern ausschließen können.

Den Anfang macht das Lied „Du Schwarzer ***ner“, an das die Mitteldeutsche Zeitung uns gestern mit Blick auf einen verliebten Tanz von 1946 erinnerte. Eine der heute bekanntesten Interpretationen ist wohl die von Vico Torriani, 1953.

http://www.youtube.com/watch?v=UAOu6rts79I


Dieser bei den Deutschen nach wie vor beliebte Schlager steht für eine Unterhaltungskontinuität, die ohne historischen Entstehungskontext und politische Ereignisse der Zeit auskommt. Größere Verbreitung in Deutschland hatte das Schunkelliedchen auf Schallplatte in den 30er Jahren erlangt.


Carl Lindström AG „Du schwarzer ***ner“ mit Luigi Bernauer, Wikipedia/ Mediatus (CC)


Zu diesem Lied von Karel Vacek (Original: „Cikánka“) stammt die deutsche Übersetzung von Fritz Löhner-Beda, einem Juden, der 1943 in Auschwitz ermordet wurde. Der Tod dieses und anderer Menschen war kein Zufall. 1933 war nämlich eine Partei von reichsweit 44% der Deutschen gewählt worden, in deren Parteiprogramm seit 1920 unter Punkt 4 stand:

„Volksgenosse kann nur sein, wer deutschen Blutes ist“.

Mit diesem Punkt wurde von der NSDAP die konsequente Ausgrenzung der Juden und die Fortführung der schon unter der Weimarer Verfassung praktizierten „***nerbekämpfung“ versprochen. 1935 wurde dann mit dem „Reichsbürgergesetz“ und dem „Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre“ die juristische Grundlage zur praktischen Umsetzung des Wahlversprechens gelegt:


„Blutschutzgesetz“, de.wikipedia.org (gemeinfrei)


Damit war der Weg für die Juden und „***ner“ in Richtung Gaskammern geebnet. Die industrielle Vernichtung von Millionen Menschen konnte beginnen.

Diese Zusammenhänge sind Nebensache, wenn es um ein verliebtes Pärchen im Jahre 1946 geht. Da bringt der „Schwarze ***ner“ nämlich schon wieder Glück. Nachdem er selbst gerade ein bisschen Pech hatte.


Screenshot Mitteldeutsche Zeitung


„Deutschland, wohin zog es deine ***ner?“ – Teil 2

Friesen und Dänen: JA, Sinti und Roma: NEIN

Mindeehaidnschotz nooch Winndrechtong


Die Vorstellungen von Minderheitenschutz scheinen in Schleswig Holstein recht vernebelt. Dort entschieden CDU, SPD und FDP, dass der Paragraph zum Minderheitenschutz der Friesen und Dänen nicht auf die Sinti und Roma erweitert wird, wie es Grüne und Linke gefordert hatten.


Verwischter Minderheitenschutz für Sinti und Roma in Schleswig Holstein, Quelle: Online-Präsenz der Landesregierung Schleswig-Holstein über Sinti und Roma


Der kurze historische Überblick und das Bild der tanzenden Frau auf der Homepage der Landesregierung Schleswig-Holsteins wirken lächerlich, denn Sinti und Roma haben im Alltag für diese Regierung keine Relevanz und geraten in Vergessenheit. Minderheitenschutz ist in der BRD Ländersache und damit Launesache. In Schleswig-Holstein gibt es darum solche und solche Minderheiten: der Schutz der einen wird in der Verfassung festgehalten, der für Sinti und Roma aber nicht.

Das Recht auf ihre eigene Sprache in Deutschland verdanken die Sinti und Roma wohlgemerkt einer europäischen Regelung. Für Dänen und Friesen gibt es in Schleswig Holstein zudem einen eigens für sie als Minderheit eingerichteten Paragraphen in der Verfassung, auf den sie sich berufen können, wenn es um das praktische Fortbestehen ihres kulturellen Lebens geht. Dass die seit über 600 Jahren in dieser Region lebende Gruppe der Sinti und Roma nicht ähnliche juristische Möglichkeiten an die Hand bekommt – in Anbetracht ihrer Verfolgungs- und Vernichtungsgeschichte in deutschen Staaten – ist wohl die traurige Fortsetzung jenes deutschen Selbstverständnisses, in dem Sinti und Roma keinen Platz haben.

Formal wäre das kein größerer Aufwand, als die Worte „und Sinti und Roma“ neben „Dänen und Friesen“ zu schreiben.

update: (26.3.2010)
Der Zentralrat der Sinti und Roma meldete sich auch zu Wort zum Thema.

Slowakei: Zwangserziehung

Heute schon eine gute Idee gehabt?


Geht es nach dem slowakischen Ministerpräsidenten Robert Fico, dann wird sich die Situation der slowakischen Roma demnächst verbessern. Per verordnetem Internat soll den Kindern von Roma der Weg in die slowakische Gesellschaft endlich eröffnet werden.



Herr Fico und die Blaskapelle, die hier (wahrscheinlich anlässlich einer guten Idee von Herrn Fico) kräftig am Musizieren ist. Quelle: sk.wikipedia.org


Ob das mit den Eltern der Kinder abgesprochen ist, dazu hat Herr Fico sich noch nicht geäußert, aber man geht davon aus, dass die Eltern dem Internatsaufenthalt ihrer Kinder nicht unbedingt zustimmen müssen. An der genauen Umsetzung muss natürlich noch gefeilt werden. Unklar ist bisher, ob die Polizei oder die Armee die Kinder aus den Müllsiedlungen abholt rettet. Herr Fico will den Roma auch weiterhin die Option lassen, der slowakischen Mehrheitsbevölkerung den Gefallen zu tun, das freiwillige Leben im Müll ganz von allein aufzugeben. Hierfür werden momentan spezielle Mediatoren ausgebildet, die dann zwischen den normalen Slowaken und den Roma kommunizieren sollen. Herr Fico kommuniziert erstmal nur mit der Presse, nicht mit Roma.

Eine andere Frage ist, ob die Eltern ihre Kinder nach einem Internatsbesuch noch wiedererkennen und sie als echte Roma annehmen. Als gebildete Menschen wären die Kinder ja dann keine Roma im eigentlichen Sinne mehr, sondern Slowaken.

Es ist sicherlich im Sinne von Herrn Fico, wenn darauf hingewiesen wird, dass seine Idee unter anderem auf Maria Theresia zurückgeht, die ihrerzeit die habsburger Roma erfolgreich mit der zivilisierten Lebensweise vertraut machte. In diesem Sinne bleibt mir nur, Herrn Fico alles erdenklich Gute zu wünschen, wenn er an die lange Tradition europäischer Roma-Assimilationspolitik anknüpft.

update: (9.3.2010, 16:25)
Amnesty International findet die Idee von Roebrt Fico gar nicht gut.