Republik Moldau, Wahlen 2009 Teil II

Grund zum Feiern in Moldova?


Die Opposition in der Republik Moldova hat den Kommunisten bei den jüngsten Parlamentswahlen (am letzten Mittwoch) fünf Prozent Verlust beschert. Eine zukünftige Regierungskonstellation ist aber unklar. Die taz titelte trotzdem unmissverständlich: Sieg für Opposition und auch die Deutsche Welle klang ähnlich: Oppositionsparteien gewinnen Parlamentswahl in der Republik Moldau. Aber wer kann sich wirklich freuen?

Diejenigen, die im April in Chișinău auf die Straße gingen, werden aufatmen, dass die absolute Mehrheit der Kommunisten gebrochen ist. Voronin bekam am Mittwoch mit 44,69% knapp fünf Prozent weniger als im April (49,48%), und zwar bei einer Wahlbeteiligung von einem guten Prozent mehr als im April (58,8% gegenüber 57,6% im April). Die nächststärkste Partei nach den Kommunisten sind die Liberal-Demokraten mit 16,57% – und das ist das eigentlich Nachdenkenswerte: Die Kommunisten verloren nach den Protesten im April nur fünf Prozent und konnten sich damit am letzten Mittwoch wieder als haushoch führende, stärkste politische Kraft in Moldova positionieren. Wahltricks und das parteiische Staatsfernsehen mögen einen Teil der hohen Stimmenzahl erklären, aber Tatsache bleibt trotzdem, dass die Kommunisten noch immer großes Vertrauen in weiten Teilen der Bevölkerung genießen, trotz (oder wegen?) ihrer autoritären Gebärden gegenüber den Protestierenden im April.

Vielleicht sehen viele Moldauer tatsächlich in den Kommunisten einen Garant für Stabilität. Sowjetnostalgie hin oder her, die regierenden Kommunisten haben sicherlich keine anti-europäische Linie verfolgt. Seit Mai diesen Jahres ist Moldova Teil der unter EU-Führung entstandenen „Östlichen Partnerschaft“ und das 1998 mit der EU ausgehandelte Kooperationsabkommen hat Voronin auch nicht aufgekündigt. Man mag Voronin als Stratege bezeichnen. Oder als Realpolitiker.

Moldova sucht sich, wie jeder europäische Staat, aus verschiedenen Optionen innerhalb der politischen Sphäre seinen Weg selbst aus. Wem es aufstößt, dass Voronin sich politisch bei Putin Beratung holte statt bei Barroso oder Bush, der hängt offenbar den Feindbildern des Kalten Krieges nach. Seit Voronin herrscht in Moldova eine besonders investorenfreundliche Wirtschaftspolitik. Nach Robert Baag vom Deutschlandfunk praktizieren die moldauischen Kommunisten sogar „einen recht robusten Kapitalismus“ (Republik Moldau hat erneut die Wahl).

Bisher ist noch unklar, ob sich die vier neben den Kommunisten ins Parlament gewählten Parteien auf eine Regierungskoalition einigen – unter den vier befindet sich auch die vom abtrünnigen Kommunisten Marian Lupu angeführte Demokratische Partei. Eine bisher von allen ausgeschlossene (aber sicher nicht unmögliche) Option wäre die Koalition einer der vier Parteien mit den Kommunisten. Werden Voronin und Lupu wieder ein Team? Oder schafft es Lupu an die Spitze einer Vierer-Koalition, die eine rein kommunistische Opposition bedeuten würde? Noch ist alles offen …


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Arrangierte Revolutions-Symbolik

Ein Staat inszeniert seine Feinde


Wir erinnern uns: Im Rahmen des Sturms auf das moldauische Präsidentenamt in Chişinău am 7. April 2009 wurden eine rumänische und auch eine EU-Fahne von Protestierenden auf dem Dach gehisst. Unklar war, wie die Protestierenden, an den Sicherheitskräften vorbei, auf das Dach gelangten, um dort unter den Augen der daneben stehenden Polizisten die Flaggen zu hissen (Weiter Unklarheit in Chişinău).

Der stellvertretende Parlamentspräsident Vladimir Ţurcan, der eine Untersuchungskommission zu den Ereignissen des 7. April 2009 leitet, hat eine Erklärung: Er selbst habe mit fünf Protestierenden verhandelt und diesen den Zugang zum Dach gewährt, wie er in einem Interview sagte (Vladimir Turcan a negociat arborarea …). Er erhoffte sich von der Erlaubnis die Beruhigung der Massen und Deeskalation, gibt er an. Wohlgemerkt war es gerade das Hissen ausländischer Flaggen, das von der moldauischen Regierung, insbesondere Vladimir Voronin, im Nachhinein als staatsfeindlicher Akt eingeordnet wurde.

Nun taucht ein Video auf, das den Skandal noch größer werden lässt: In einem gefilmten Gespräch ist zu sehen, dass Vladimir Ţurcan seinerseits es ist, der die Protestierenden darum bittet, hinaufzuklettern und die Flaggen zu hissen (IMAGINI ŞOC: Ţurcan …). Also kamen die Flaggen doch nicht vom Druck der Straße, sondern auf ausdrücklichen Wunsch der Regierung dort aufs Dach.

„… was ich sehen will: ihr macht euren Ausruf, klettert hoch und bringt sie an …“

Damit entpuppt sich die staatsfeindliche und Pro-Rumänien/EU-Symbolik einmal mehr als vorsätzlich inszenierter Zirkus, mit dem Voronin die protestierenden Menschen in Misskredit zu bringen versuchte. Ob das Skandal-Potential jetzt ausgeschöpft ist?


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Medien machen Moldau

Was Spiegel Online zu unserem Bild von einem Land (und von dem der Roma) beiträgt


Über „ferne Länder“ kann man sich oft nur indirekt informieren. Ein Mitteleuropäer, der nicht selbst an einen Ort reist oder mindestens Menschen von dort kennt, wird über diesen vornehmlich aus den Medien informiert. So entsteht ein Bild im Kopf der Zielgruppe von Medien, das schnell mit der Realität verwechselt wird, obwohl es zunächst nicht mehr als das Bild der vermittelnden Journalisten ist. Da diese Bilder nicht die Realität sind, müssen sie kritisch durchleuchtet werden.

Was für „ferne Länder“ gilt, ist auch für europäische Länder zutreffend, die einzig mit Schlagworten wie Korruption, Kriminalität und Krieg hier und da für Aufsehen in der deutschen Presse sorgen. Eine mediale Instanz ist wohl der Spiegel, der als eines unter sehr wenigen „Meinungsbildern“ hin und wieder über die Republik Moldau informiert. Während in vielen Zeitungen Randnotizen über die Ereignisse nach den umstrittenen Wahlen gelesen werden konnten, versucht Uwe Klußmann in seinem Spiegel-Online-Artikel Europas Armenhaus wird zwischen Ost und West zerrieben vom 19.4. Hintergrundinformationen zu liefern – auf eigene Weise.

Sein Artikel vermittelt einmal mehr den Eindruck, die meisten Einwohner der Moldau wünschten einen sofortigen „Anschluss“ an Rumänien. Dass ausgerechnet dieses Bild von Vladimir Voronin, dem kommunistischen Präsidenten und Sieger des angefochtenen Wahlergebnisses, persönlich mit aufgebaut wurde, das schreibt Klußmann nicht. Dabei wurde längst enttarnt, dass es eigens vom Staat zu Show-Zwecken eingesetzte Provokateure waren, die nach Vereinigung riefen und rumänische sowie EU-Flaggen schwenkten (siehe Weiter Unklarheit in Chişinău). Es ist gar nicht sicher, dass die demonstrierende Masse viel mehr wollte, als einfach nur über die schmutzigen Wahltricks der Regierungspartei aufgeklärt zu werden und faire Neuwahlen zu fordern. Das Bild der staatsgefährdenden Großrumänien-Anhänger entstand im Interesse Voronins, der seine autoritären Gebärden so angesichts eines vermeintlichen rumänisch gesponserten Putsches rechtfertigen konnte. Dass nun das Bild der Vereinigungs-Provokationen sogar bei Spiegel Online auftaucht, bedeutet sicher einen medialen Erfolg für Voronin.

Die zurecht kritisierte Korruption der Regierenden in Moldova ruft bei Klußmann weitere Bildhaftigkeit auf den Plan. Feuilletonistische Ausdrucksweisen wie der „brummelige Bonze“ mögen zum Schmunzeln anregen, wobei generell interessant ist, ob solche etwas herabschauenden Formulierungen in der deutschen Pressesprache auf Berichte über bestimmte geografische Räume reduziert sind. Schwieriger wird es dann schon mit dem Begriff „Clan“ und dem „Z***baron“, an den sich Klußmann von Voronin erinnert fühlt. Wird hier an die beim Leser vorausgesetzten rassistischen Vorurteile appelliert?

Warum sonst werden hier die „Z***“ erwähnt? Und welches Bild sollen diese genau implizieren? „Machenschaften“? „Unzivilisiertheit“? „Die Wilden da unten“? Genügt es nicht, neben dem „brummeligen Bonzen“ darauf hinzuweisen, dass dieser und auch sein Kabinett korrupt sind? Offenbar nicht, also hält „der Z***“ her. Der „Z***baron“ wohlgemerkt. In einem etablierten deutschen Medium wird im 21. Jahrhundert ein ethnisches Attribut verwendet, um eine verwerfliche Eigenschaft zu beschreiben. Bei anderen ethnischen Gruppen wäre dies tabu, die „Z***“ hingegen sind wohl noch uneingeschränkt zur Negativ-Bebilderung „nutzbar“.

Dass dann von „cleveren KP-Ideologen“ mit ihrer „Taschenspieler-Art“ die Rede ist, gehört ins selbe Bild. Das Bild von der Republik Moldau. Ein Bild.


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Signal, 25.4.2009

Kurzfilme in Timişoara, eine Neurscheinung von Andrei Oişteanu und ein Diskussionsabend in Berlin


Die Rubrik „Infos“ wurde aufgelöst. Stattdessen erscheinen Kurzhinweise ab sofort nicht mehr separat, sondern sie werden unter der Überschrift Signal in die Artikel-Erscheinungen eingereiht. (Das alles kann per RSS-Feed abonniert werden.)

Die unregelmäßig auftauchenden Signale werden auf künstlerische, wissenschaftliche, mediale oder anders kategorisierbare Ereignisse und Vorkommnisse hinweisen.

Das heutige, erste Signal ist dreiteilig mit Anhang. Es erreicht uns aus Berlin, Timişoara, einer Lincoln-Bukarest Verbindung und durch die Ultra-Kurzwelle.

Podiumsdiskussion am 27.4.09 in Berlin: „Die rumänische Sprache: Herkunft, Entwicklung, Verbreitung – traditionelle und moderne Sichten, Kontroversen und Instrumentalisierungen“. Rumänisches Kulturinstitut Berlin und Deutsch-Rumänische Gesellschaft laden zu einer Podiumsdiskussion zwischen Larisa Schippel (Berlin) und Wolfgang Dahmen (Jena) über „eine der interessantesten romanischen Sprachen“ ein.

Neurerscheinung von Andrei Oişteanu: Inventing the Jew – Antisemitic Stereotypes in Romanian and Other Central-East European Cultures, University of Nebraska Press, Lincoln 2009. Von ihm erschien in deutscher Sprache zuletzt Das Bild des Juden in der rumänischen Volkskultur. Informationen und Kommentare zu der Neuerscheinung sowie ein Auszug sind in englischer Sprache auf der Verlags-Homepage zu finden.

Kurzfilmfestival vom 6.-10.5.09: Timishort Filmfestival in Timişoara. Und zwar zum ersten Mal, also sicherlich empfehlenswert – u.a. mit dem Film „The Sea“ von dem Berliner Schweden Jöns Jönsson. Mehr: Rumänisch bei hotnews und Englisch auf der Veranstalter-Homepage.

PS: Bei D-Radio Kultur gab es am Donnerstag eine 3-minütige Audio-Notiz zu den moldauischen bzw. rumänischen Ereignissen der letzten Tage, hier nachlesbar.

EU will keine Moldauer

Die Sorgen der EU: zuerst über die Entwicklungen in der Republik Moldau – und nun darüber, dass Rumänien Moldauer einbürgern will


Während sich die Sorgen der EU, Rumäniens und protestierender Moldauer gestern noch deckten (Verunsicherung in Moldova), scheint Rumäniens Vorhaben, Moldauer einzubürgern nicht gerade auf Begeisterung bei der EU zu stoßen. Die Europäische Kommission zeigte sich wohl „besorgt“ – nein sogar „dismayed“ und „appalled“ über Rumäniens Gesetzesinitiative, so EUobserver.com auf Englisch (in der Rep. Moldau leben weniger Menschen als in Berlin, das rum. Gesetz würde nur für einen Bruchteil von ihnen gelten). Eingebürgerte Moldauer würden dadurch nämlich EU-Bürger werden und kämen in den Genuss der freien Wahl ihres Aufenthaltsortes innerhalb der EU. Offenbar will man aber in der EU keine Moldauer.

Auf der Seite des rumänischen Außenministeriums ist von der Verstimmung noch nichts zu lesen, stattdessen gibt es die schön klingende Meldung, dass sich Rumäniens Außenminister Cristian Diaconescu und EU-Parlamentspräsident Hans-Gert Pöttering gestern in Brüssel trafen, um ihre gemeinsame Besorgnis über die Entwicklungen in Moldova zu bekunden und Rumänien mit der EU als „politische Familie“ zu bezeichnen (auf Rumänisch). Dazu gehört die Republik Moldau vorerst noch nicht. Man erwarte von dem Staat aber die Einhaltung europäischer Werte.

Das „Informationsnetzwerk“ EurActiv weist auf „die rumänische Presse“ hin, die Zurückhaltung in den europäischen Hauptstädten vorhersagt, da die Einbürgerung „in einer weiteren Einwanderungswelle von Millionen hungrigen, neuen EU-Bürgern enden könnte“ (auf deutsch). Der Satz erhält keine Einordnung und steht dort ohne Anführungszeichen oder Quellenangabe, wodurch nicht ganz ersichtlich ist, von wem das Bild der „hungrigen Moldauer“ eigentlich stammt.

Bei Kooperationsabkommen mit Nicht-EU-Staaten wird generell von den EU-Anwärtern verlangt, dass diese ihre Grenzen zoll- und visafrei passierbar machen, während das umgekehrt nicht der Fall ist.

Eine Überraschung dürfte es nicht sein, wenn heute die Wahlergebnisse nach der Neuauszählung bekanntgegeben werden, die ITAR TASS bereits kennen will und als Bestätigung des ursprünglichen Ergebnisses angibt (auf Englisch).

Erste Selbstkritik ist aus dem moldauischen Parlament zu hören, in dem von offizieller Seite das gewaltvolle Vorgehen der Polizei als ungerechtfertigt eingestanden wurde (auf Rumänisch).

Einer anderen Meldung zufolge haben zwei OSZE-Beobachter, die anonym bleiben möchten, vom „totalen Chaos“ bei den Stimmenauszählungen in Moldova am 5. April berichtet (auf Rumänisch). Damit weichen sie von bisherigen Aussagen der OSZE ab, die die Wahlen als „allgemein demokratisch“ betitelt.


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