Verunsicherung in Moldova

Die Zivilgesellschaft in der Republik Moldau fürchtet zunehmend um ihre Freiheiten


Die Kritik an den autoritären Gebärden moldauischer Behörden gegenüber Protestierenden nimmt nicht ab. Während die Neuauszählung der Wählerstimmen begonnen hat, fordert die Opposition die Herausgabe der Wählerlisten. Nur so wäre der Nachweis flächendeckender Wahlfälschung durch mehrfache Stimmabgabe u.ä. zu erbringen, die bisher partiell festgestellt wurde. Die Regierung ist dagegen und bleibt bei der einfachen Neuauszählung der Stimmen.

Die russische Nachrichtenagentur RIA Novosti postet die Ansichten des Vizedirektors vom „Institut für GUS-Staaten“ zu den Ereignissen in Moldova (auf deutsch).

So gelassen wie dieser sehen es viele politische Moldauer nicht. Sie betrachten ihre Regierung als unberechenbar und haben das Gefühl, sich auf dem Weg in eine Diktatur zu befinden. Internationale Pressevereinigungen unterzeichneten ein vom Moldauischen Unabhängigen Journalistenverband verfasstes Protestschreiben gegen die Unterdrückung der Pressefreiheit in Moldova (auf Englisch). Heute erschien, ebenso vom Centrul Independent de Jurnalism, die Ergebniszusammenfassung einer Analyse, der zufolge die Proteste im moldauischen Staatsfernsehen nur einseitig aus der Perspektive der Regierung dargestellt wurden (auf Rumänisch).

Der Generalsekretär des Europarats Terry Davis äußerte sich in Anbetracht der Inhaftierung von Kindern und der Einschränkung der Pressefreiheit in der Republik Moldau sehr besorgt.

Heute wurden laut einer Pressemeldung sechs moldauische Botschafter aus europäischen Ländern nach Chişinău bestellt. Auch Rumänien arbeitet an diplomatischen Erneuerungen und ändert einer heutigen Meldung nach gerade ein Verfassungsgesetz dahingehend, dass moldauische Staatsbürger einfacher die rumänische Staatsbürgerschaft erhalten (auf Rumänisch).


deutschsprachiger Blog zu den Ereignissen in Moldova und
auch ein Mitarbeiter des European Council on Foreign Relations bloggt über die Ereignisse
andere Artikel über Moldova

Die Kritik innerhalb Rumäniens nimmt zu

Zwischen Markt und Ethik


Im Artikel Roma sein und Zeitung lesen deutete ich die tendenziöse Form der Berichterstattung über den Mord an Marian Cozma an. Offenbar wird das niedrige journalistische Niveau der rumänischen Presse im eigenen Land als flächendeckendes Phänomen wahrgenommen, so dass den Medien dort vom rumänischen Zentrum für Unabhängigen Journalismus (Centrul Pentru Jurnalism Independent) letzte Woche eine unmissverständliche Rüge erteilt wurde: In einem Appell an die Verantwortung der Journalisten forderte die Organisation die rumänischen Presseorgane auf, sich an journalistische Standards zu halten. In dem kurzen, von zahlreichen NGOs mitgetragenen Aufruf wird explizit der Fall Marian Cozma und die Ressentiments schürende Berichterstattung erwähnt, sowie ein zweiter medialer Missgriff: Ein Fußballspieler des FC Botoşani hatte als Opfer einer Gewalttat die Presse informiert, er sein von einer Gruppe Roma zusammengeschlagen worden. Bei der Polizei sagte er später aus, er habe gelogen – die Täter waren keine Roma. Von den rumänischen Medien war die zuvor gemachte Aussage bereits ohne eigene Recherchen übernommen worden, der erlogene Hinweis auf die ethnische Einordnung der Täter als „Roma“ wurde effektiv an die Kioske und in die Wohnzimmer Rumäniens verteilt.

Die Situation der rumänischen Presse hat nichts mit besonders rumänischen Eigenheiten zu tun. Bis heute lassen sich angesichts der niedrigen Löhne für Journalisten die meisten rumänischen Tageszeitungen, bis auf zwei oder drei, dem Niveau der deutschen BILD-Zeitung zuordnen. Mit Sensations-Journalismus ist das meiste Geld zu verdienen, das nicht unbedingt in der Redaktion aufgeteilt wird. Wohlgemerkt befindet sich ein Großteil der rumänischen Printmedien in deutschem, österreichischem und schweizer Privatbesitz – der südosteuropäische Absatzmarkt floriert im Schmierblattgeschäft und davon haben insbesondere die Unternehmen außerhalb Rumäniens einen Vorteil. Was die Unterordnung unter eine deutsche Verlagsgruppe für die Pressefreiheit in Rumänien bedeuten kann, wurde 2004 deutlich, als die deutsche WAZ Mediengruppe einer rumänischen Zeitung in ihrem Besitz die Themen und sogar den Chefredakteur diktierte (hierzu berichteten taz und telepolis).

Die Übernahme rumänischer Medien durch deutsche Verlagsgruppen bringt also nicht automatisch mehr Pressefreiheit für Rumänien, sondern sogar das Gegenteil kann der Fall sein. Die Defizite der rumänischen Presse können nur in Rumänien konstruktiv diskutiert werden – und die kritischen Anmerkungen von Organisationen wie dem Centrul pentru Jurnalism Independent oder der Agenţia de Monitorizare a Presei sind der Beweis, dass in Rumänien mehr funktioniert, als vielleicht in Deutschland angenommen wird.