Roma sein und Zeitung lesen

[Trigger-Warnung: Hinweise auf die rassistische Fremdbezeichnung von Rom_nija]

Zur Ethnisierung von Kriminalität in der Pressesprache


Der rumänische Handballspieler Marian Cozma wurde in der ungarischen Stadt Veszprém in der Nacht zum 8.2. in einer Diskothek ermordet. Im World Wide Web bieten verschiedene Autoren ihre Ideen zum Tathergang und den Motiven an. Den kleinsten gemeinsamen Nenner haben aber fast alle Meldungen in der expliziten Feststellung, dass es sich bei den Tätern um Personen „der Ethnie Roma“ gehandelt habe. Auf der rumänischen Online-Nachrichtenseite hotnews.ro wird am Morgen nach dem Vorfall in einer Meldung ein Zitat übernommen, in dem von „einer Gruppe [***]ner“ oder auch „einigen [***]ner mit Pistolen“ die Rede ist. Ein Zusammenhang zwischen dieser Bezeichnung der Täter und dem eigentlichen Artikel-Thema ist nicht erkennbar. Der Artikel liefert keine Hintergrundinformationen zu dem Mord, stattdessen werden die Täter ethnisch kategorisiert. Es entsteht der Eindruck, die Einordnung der Täter als Roma würde die Fragen nach den Hintergründen der Tat beantworten.

Das gleiche rumänische Nachrichtenportal Hotnews.ro beschäftigte sich gestern, am 11.2., mit den Äußerungen eines ungarischen Soziologen, der auf den anti-Roma-Rassismus der Ungarn hinweist. Die Ressentiments der ungarischen Mehrheitsbevölkerung gegenüber den Roma würden bereits das Niveau bürgerkriegsähnlicher Zustände erreichen. Der Mord an Cozma dürfte auf keinen Fall zu „verallgemeinernden Schlussfolgerungen“ gegenüber den Roma führen, ist in dem rumänischen Artikel zu lesen, als es um den ungarischen Rassismus gegenüber Roma geht.

Ebenso am gestrigen Mittwoch berichtete die Süddeutsche Zeitung von dem Mord. Hier heißt es: „Ihren rassistischen Kontext bekommt die Tat dadurch, dass solche Messerattacken tatsächlich als typische Racheakte von Roma-Banden gelten.“ Was genau daran nun Roma-typisch sein soll, einen Mann zu erstechen, wird nicht geschrieben. Und wer überhaupt diese Behauptung in den Raum gestellt hat, diese Tat sei Roma-typisch, bleibt auch unklar – stattdessen wird das Bild der messerstechenden Roma einfach weiterverbreitet. Zumal es ein paar Zeilen weiter heißt, es sei „ungeklärt, ob die Täter Roma waren“. Der Artikel trägt den Namen „Stich ins Herz“. Und eine Unterüberschrift: „Ungarn und Rumänien streiten nach dem Mord an einem Handballprofi“. Aber von dem Streit ist im Text nirgends die Rede. Stattdessen heißt es, die Rumänen seien „gerührt über das Mitleid der Mehrheit der Magyaren mit ihrem Handball-Legionär“ – die Trauer um Cozma lässt demnach Ungarn und Rumänen einander näherkommen. Der reine Informationsgehalt dieses Zeitungsartikels ist mager und verwirrend zugleich. In Ungarn wie in Rumänien wird die Stimmung gegenüber Roma vermutlich angespannt sein, begünstigt durch die jeweils einheimische Berichterstattung. Die Süddeutsche Zeitung leistet ihren Beitrag für die deutschsprachige Leserschaft.