Die Kritik innerhalb Rumäniens nimmt zu

Zwischen Markt und Ethik


Im Artikel Roma sein und Zeitung lesen deutete ich die tendenziöse Form der Berichterstattung über den Mord an Marian Cozma an. Offenbar wird das niedrige journalistische Niveau der rumänischen Presse im eigenen Land als flächendeckendes Phänomen wahrgenommen, so dass den Medien dort vom rumänischen Zentrum für Unabhängigen Journalismus (Centrul Pentru Jurnalism Independent) letzte Woche eine unmissverständliche Rüge erteilt wurde: In einem Appell an die Verantwortung der Journalisten forderte die Organisation die rumänischen Presseorgane auf, sich an journalistische Standards zu halten. In dem kurzen, von zahlreichen NGOs mitgetragenen Aufruf wird explizit der Fall Marian Cozma und die Ressentiments schürende Berichterstattung erwähnt, sowie ein zweiter medialer Missgriff: Ein Fußballspieler des FC Botoşani hatte als Opfer einer Gewalttat die Presse informiert, er sein von einer Gruppe Roma zusammengeschlagen worden. Bei der Polizei sagte er später aus, er habe gelogen – die Täter waren keine Roma. Von den rumänischen Medien war die zuvor gemachte Aussage bereits ohne eigene Recherchen übernommen worden, der erlogene Hinweis auf die ethnische Einordnung der Täter als „Roma“ wurde effektiv an die Kioske und in die Wohnzimmer Rumäniens verteilt.

Die Situation der rumänischen Presse hat nichts mit besonders rumänischen Eigenheiten zu tun. Bis heute lassen sich angesichts der niedrigen Löhne für Journalisten die meisten rumänischen Tageszeitungen, bis auf zwei oder drei, dem Niveau der deutschen BILD-Zeitung zuordnen. Mit Sensations-Journalismus ist das meiste Geld zu verdienen, das nicht unbedingt in der Redaktion aufgeteilt wird. Wohlgemerkt befindet sich ein Großteil der rumänischen Printmedien in deutschem, österreichischem und schweizer Privatbesitz – der südosteuropäische Absatzmarkt floriert im Schmierblattgeschäft und davon haben insbesondere die Unternehmen außerhalb Rumäniens einen Vorteil. Was die Unterordnung unter eine deutsche Verlagsgruppe für die Pressefreiheit in Rumänien bedeuten kann, wurde 2004 deutlich, als die deutsche WAZ Mediengruppe einer rumänischen Zeitung in ihrem Besitz die Themen und sogar den Chefredakteur diktierte (hierzu berichteten taz und telepolis).

Die Übernahme rumänischer Medien durch deutsche Verlagsgruppen bringt also nicht automatisch mehr Pressefreiheit für Rumänien, sondern sogar das Gegenteil kann der Fall sein. Die Defizite der rumänischen Presse können nur in Rumänien konstruktiv diskutiert werden – und die kritischen Anmerkungen von Organisationen wie dem Centrul pentru Jurnalism Independent oder der Agenţia de Monitorizare a Presei sind der Beweis, dass in Rumänien mehr funktioniert, als vielleicht in Deutschland angenommen wird.