Signal, 23.6.2011

… kurz und knapp


Zu den Vorfällen gegenüber Angehörigen der ungarischen Minderheit in Rumänien gibt es einen guten Überblick mit Hintergründen beim Pester Lloyd: Angriff auf ungarische Minderheit in Rumänien.

Die rassistische Medienberichterstattung über Griechenland wurde bei ZAPP gestern thematisiert: Wie Medien die Griechen zu Idioten machen.
http://www.youtube.com/watch?v=mamPM5q1lDI

Am Samstag (25.6.2011) eröffnet in der Galerie TÄT (Schönhauser Allee 161A) eine sehr empfehlenswerte Ausstellung unter dem Namen ROOM RUMOR. Das dürfte spannender werden als übliche Berliner Vernissagen. Es ist die erste Gemeinschaftsausstellung des jungen Verlags AKV Berlin.

Neuköllner-Roma-Schau bei Spiegel TV

[Trigger-Warnung: Hinweise auf die rassistische Fremdbezeichnung von Rom_nija]

Dem Elend auf der Spur: „Sprecht ihr Deutsch?“


Spiegel TV sendete vor einiger Zeit einen Beitrag von Georg Heil unter dem Titel »Einwanderer-Elend: Die neuen „Gastarbeiter“ vom Ost-Balkan«. Die 7:42 Minuten gibt es wahlweise bei Spiegel Online oder bei Youtube zu sehen (die embedd-Funktion ist leider deaktiviert).

Die im Titel versprochene Auseinandersetzung mit „Elend“ suchte ich in dem Filmbeitrag vergebens, von Fragen nach den Ursachen ganz zu schweigen. Stattdessen stelle ich mir einmal mehr die Frage, welchen Gesetzmäßigkeiten deutscher Journalismus folgen kann, wenn über Menschen aus den zwei jüngsten EU-Mitgliedsländern berichtet wird.

„[***]nerfolklore, Scheibenputzen oder bloßes Betteln – viele Roma verdienen so auf den Berliner Straßen ihr Geld.“

Diese als Information verpackte vage Vermutung (Welche seriösen Zahlen gibt es und was ist „viele“?) ist die Einleitung, die mit diesen Bildern geschmückt wird:


Screenshots von Spiegel TV Magazin Bericht „Einwanderer Elend…“

Wir sehen gefilmte Menschen, die nicht als Individuen erkennbar sind, sondern nur der symbolartigen Bebilderung dienen. Diese Einstimmung ohne informativen Mehrwert knüpft an verbreitete Ahnungen Vorurteile über Roma an.

Um diese Ahnungen Vorurteile zum Einkommenserwerb der Roma erfolgreich zu multiplizieren, lässt der Beitrag Fakten unter den Tisch fallen. Im Print-Spiegel erschien kurze Zeit vor dem Spiegel-TV-Bericht ein Artikel von Özlem Gezer über die Ausbeutungsverhältnisse auf deutschen Baustellen – mit einer unmissverständlichen Überschrift: Legale Sklaverei (23.05.2011). Warum holte sich Heil für seinen TV-Bericht zum gleichen Thema bei Print-Kollegin Gezer keine Inspiration in Sachen Recherche? Gerade weitere Recherchen wären notwendig, um die Zustände im deutschen Pflegesektor, in der Gastronomie, im Hotel-, Reinigungs- sowie eben im Baugewerbe ans Licht zu holen. Das ließe sich natürlich nicht so leicht auf Neuköllns Straßen abfilmen, wie die symbolisch aneinandergereihten Menschen-Beispiele in dem Spiegel-TV-Beitrag.

Die Neuköllner Behörden hätten „große Mühe, Gesundheitsschutz und Schulpflicht in den Hinterhöfen der Roma-Häuser durchzusetzen“, heißt es weiter. In Anwesenheit des Kamerateams äußert der Neuköllner Stadtrat dann prompt die Idee, den Sperrmüll durch die Müllabfuhr mal beseitigen zu lassen. Warum diese spontane Idee den Behörden nicht schon früher kam, welche Rolle die Hausverwaltung hier spielt oder wie lange die Mülltonnen schon überfüllt sind, wird in dem Beitrag nicht gefragt. Stattdessen wird unspektakulär aussehender Müll als Kulisse unter der Überschrift „Roma-Haus-Hinterhof“ spektakulär inszeniert. Die kommentierende Stimme aus dem Off kann überdies mit der Information aufwarten, dass „Mülltrennung“ für die „Neu-Einwanderer bislang noch ein Fremdwort“ sei. Nicht nur das – die Stimme aus dem Off weiß es sogar für den eigenen Beitrag zu interpretieren, wenn Menschen einfach keine Lust auf ein Kamerateam in ihrem Hinterhof haben:

„Diskussionen über Abfallentsorgung scheitern bereits an der Kontaktaufnahme“


Screenshot von Spiegel TV Magazin Bericht „Einwanderer Elend…“

Aber wenn erwachsene Menschen sich nicht im deutschen Fernsehen vorführen lassen wollen, gibt es andere Möglichkeiten, das journalistische Werk über „Roma-Häuser“ mit Bildern zu füllen: „Sprecht ihr Deutsch?“, fragt der interessierte Spiegel-TV-Onkel die anwesenden Kinder. Ja genau, von kleinen Kindern auf einem Berliner Hinterhof sammelt ein deutscher Journalist Informationen zum Thema „Gastarbeiter-Elend“. Ein sensibles Thema braucht eben einen sensiblen Journalisten. Eine Frau, die es offenbar nicht gern sieht, dass die Kinder von unbekannten Erwachsenen gefilmt werden, ruft unzufrieden in den Hof, worauf Spiegel TV mit der Kamera aufs Fenster draufhält – samt Frage an das kleine Mädchen: „Ist das deine Mutter?“. Nicht die gefilmten Menschen, sondern die unverhüllte Respektlosigkeit des Spiegel-TV-Teams ist das eigentliche „Elend“ in diesem Bericht.

Danach geht es weiter mit „Besuch von Berliner Beamten“, den „die Hausbewohner vom Balkan regelmäßig“ bekämen. Gemeint sind Polizeibeamte, die wegen eines Überfalls ins „Roma-Haus“ gerufen worden seien. Alles, was das TV-Team filmen kann, sind Bluttropfen im Hausflur und die Aussage eines „Anwohners“ – der nicht weiß, was passiert ist. Für siebeneinhalb Minuten Boulevardfernsehen ist das allemal ausreichend, für einen Spiegel-TV-Bericht über Roma auch. „Kommt sowas öfter vor?“ fragt der Journalist. „Das hier die Polizei steht? Ja!“ antwortet der „Anwohner“.

Warum die Polizei öfter vor diesem oder anderen Häusern in Neukölln steht, sagt der Anwohner nicht. Das wäre der Moment, in dem Spiegel TV für eine ausgewogene Berichterstattung darauf hinweisen könnte, warum die Polizei in Neukölln auch kommen muss: Zum Beispiel für Ermittlungen der Mordkommission im Falle vorsätzlicher Brandstiftung in einem Neuköllner Mietshaus, in deren Folge eine dreiköpfige Familie aus Bosnien samt Baby ums Leben kam. Oder weil es im Zuge sogenannter „Ausländer-Raus“-Kampagnen Autonomer Nationalisten immer neue Anschläge auf Neuköllner Projekte gibt. Aber diese Gründe, aus denen die Polizei in Neukölln kommen muss, lässt Spiegel TV unerwähnt. Es muss eben Prioritäten geben, wenn mit verallgemeinernden Bezeichnungen wie „Bewohner vom Balkan“ und „Roma-Haus“ Journalismus gemacht wird.

Für eine Reportage über Roma in einem „Roma-Haus“ mit „Kontaktaufnahme“-unwilligen Roma sind auskunftsfreudige „deutsche Nachbarn“ wichtig für den Informationswert. Der deutsche Informant spricht gern in die Kamera: Wie groß die Wohnung der Roma ist, wie viele Leute dort leben und lebten, alles, was einen authentischen Elendsbericht über „Gastarbeiter“ ausmacht.

Die einzig interessante Aussage, nämlich dass die Roma zwischen 25 und 45€ pro Quadratmeter Miete zahlen würden, nimmt das TV-Team nicht etwa zum Anlass, um sich mal bei der Hausverwaltung nach derart astronomischen Preisen trotz schlechter Müllabfuhr zu erkundigen. Dafür begleitet „Z***folklore“ die szenischen Übergänge der Kurzdoku bei Kamerafahrten durch die Karl-Marx-Straße.

Dann kommen die guten Beispiele. Schüler_innen einer Sprachschule dürfen dem Kamerateam auf die Frage antworten, warum sie nach Deutschland gekommen sind. Die Frage dürfte ihnen ja von der Passkontrolle schon bekannt sein. Das Reporterteam war derart beeindruckt von dem Besuch im Neuköllner Deutschkurs, dass es im Kommentar heißt:

„Der Wille zur Integration in die Gesellschaft ist bei den jungen Rumänen bereits ausgeprägt.“


Screenshot von Spiegel TV Magazin Bericht „Einwanderer Elend…“

Die eingangs gezeigte Frau, die sich nicht neben Mülltonnen filmen lassen wollte, wurde als Kommunikationsverweigerin dargestellt, während dann jungen Schüler_innen in einem Deutschkurs der Wille zur Integration attestiert wird. Aus der erhabenen Position hinter der Kamera werden Menschen in deutsche Schwarz-Weiß-Schablonen gepresst, über deren Hintergründe der gesamte Beitrag kein bisschen Information liefert. Diese Menschen werden als symbolische Gruppenvertreter_innen instrumentalisiert, um auf billigste Weise schmutzige Hinterhöfe gegen saubere deutsche Schulen ins Bild zu setzen, um integrationsunwilligen „Balkan-Bewohnern“ später „integrationswillige junge Rumänen“ gegenüberzustellen.

Als dann ein Bulgare über Lohnbetrug bei türkischen Baufirmen in Berlin berichtet, vergisst Spiegel TV wieder journalistische Ergänzungen: Hinter jedem ausbeutenden ausländischen Subunternehmen muss ein deutscher Konzern als Auftraggeber stehen (weil das gesetzlich vorgeschrieben ist), der davon enorm profitiert. Warum verschweigt Spiegel TV die deutschen Strukturen hinter dem vorgeführten Beispiel von Ausbeutung?

Einen wesentlichen Hinweis zur journalistischen Arbeitsweise in diesem Spiegel-TV-Bericht gibt es am Ende. Wir befinden uns wieder auf dem Hinterhof vom Anfang und hören als Kommentar:

„Einige deutsche Bewohner fühlen sich durch die neuen Nachbarn vor allem im Badespaß gestört.“

Dann sehen wir einen Mann, der in dem Hof erbost einer Badewanne entsteigt. Seine deutlichen Worte lauten allerdings:

„Kamera weg! Nein, ick will nich in’s Fernsehen!“

Dieser Mann fühlt sich in seinem Badespaß keinesfalls von irgendeinem Nachbarn, sondern eindeutig durch das anwesende Kamerateam von Spiegel TV gestört. Das wird dann einfach mit dem Kommentar unterlegt, die „neuen Nachbarn“ seien das Ärgernis für den Mann – mit anderen Worten: Die Roma sind schuld. Was nicht passt, wird passend gemacht.

Ein Stimmungsbild zu dem Thema findet sich in den Kommentaren unter der Youtube-Version des Beitrags.


Hinweis: Das dROMa-Blog hat einen kurzen Artikel zu einem britischen Medienprojekt, das für den verbreiteten Rassismus gegenüber Roma in den Medien sensibilisieren will: Auf der Seite jewify.org wird der Begriff „gypsy“ oder „traveller“ mit „jew“ ersetzt. Mehr: Was, wenn sie Jude gesagt hätten?

Von Fidesz bis Jobbik – Besorgniserregende Portraits aus Ungarn [goEast 2011]

„Wir sind ganz normale Ungarn, die sich am Faschismus orientieren“


Der Dokumentationsfilm Auf der Suche – ein Rechtsruck erschüttert Ungarn von Karolina Doleviczenyi sucht nach Beweggründen von Menschen in Ungarn, sich als politisch rechts zu bekennen. Das Resultat ist ein fragmentarischer, klischeeloser Einblick in die Gedanken von durchschnittlichen Leuten aus unterschiedlichsten Altersgruppen und sozialen Kontexten. Sie verknüpfen aktuelle, soziale Probleme mit der „historischen Ungerechtigkeit“ gegenüber Ungarn, die sie im Vertrag von Trianon sehen. Die Aussagen der Protraitierten reichen von rechtskonservativem, Fidesz-nahen Antikommunismus und Nationalismus („für ein Europa der Nationen“) bis hin zu Jobbik-üblichen radikal-antisemitischen und -antiromischen Verschwörungstheorien. Sie alle geben unterschiedlichsten Problemen und Ängsten nationale Kontexte und erkennen so in den „Schuldigen“ auch immer die Feinde Ungarns.

Es sind nicht an den Rand gedrängte, sondern vorwiegend gut situierte, gebildete Menschen, die in Doleviczenyis Film zu Wort kommen. Der Rechtsruck hat die gesamte Gesellschaft erfasst und so hält eben eine junge, gut situierte Mutter es für einen Grund zur Scham, ihrem Kind bei Auslandsreisen innerhalb Europas „ständig“ erzählen zu müssen, dieses und jenes Land hätte früher mal zu Ungarn gehört.

Doleviczenyi, die Ungarn aus ihrer Kindheit als fröhlich in Erinnerung hat, sagt, sie kann heute nur grimmige und gestresste Gesichter beim Spaziergang durch Budapest entdecken. Ihr Film verdeutlichte mir, mit welch alltäglicher Leichtigkeit und Überzeugung Menschen sich für ihre eigene Unzufriedenheit Sündenböcke suchen. Der Film entstand vor und endet mit der Parlamentswahl in Ungarn 2010, dem Land der aktuellen EU-Ratspräsidentschaft.

Roberto Festa stellte in seinem Film Il Cuore D’Europa (Das Herz Europas) keine Fragen, er ließ die Kamera laufen. Parallel begleiten wir als Zuschauer_innen eine weibliche, Ende 30-jährige „Führungskraft“ in der Magyar Gárda (Ungarische Garde) und einen männlichen mitzwanziger Studenten über ein Wochenende. Der Film gibt einen Einblick in den konkreten Alltag zweier bekennend radikal-nationalistischer Menschen. Die weibliche Protagonistin erleben wir bei den Vorbereitungen eines „Gedenkmarsches“ für ein ermordetes Kind, das von der Garde zum Opfer von „Roma-Kriminalität“ stilisiert wird. Wir werden Zeug_innen eines folkloristischen Nazi-Theaters. Die Absurdität der Inszenierungen wird am Filmende im Abspann umso deutlicher, wo der Regisseur informiert, dass der geständige Mörder des Kindes zum Zeitpunkt des „Trauermarsches“ bereits seit drei Monaten inhaftiert war und kein Rom ist. Und der Aufmarsch fand nicht auf irgendeiner isolierten Wiese statt, sondern vor dem Bürgermeisteramt der Ortschaft und mit dem Bürgermeister als Hauptredner. Diese nationalistischen selbsternannten Ordnungshüter_innen sind keine Randgruppe, sie sind Teil des gesellschaftlichen Alltags.

Die Nationalfolklore, die Märsche durch Dörfer, das paramilitärisch anmutende Training, der Drill, die Uniformen – all das sind ganz reale Tatsachen in einem EU-Land 2011. Der Film vermittelt einen Eindruck von finsteren, besorgniserregenden Entwicklungen in Ungarn. Es wurde konkret: die Sündenböcke wurden benannt und in antisemitischen und antiromischen Statements und Hassparolen ganz klar zum primären Ziel der Aggression erklärt. Die Erklärungsmuster über soziale Benachteiligung als Ursache für Nazi-Identitäten greifen hier nicht, so kommt etwa der portraitierte Budapester Jugendliche aus einem „bildungsnahen“ Haushalt, studiert Geschichte, arbeitet für ein Theater und seine Eltern sind Graveurin und Maler. Der junge Mann argumentiert nicht mehr nur mit Trianon: er schimpft, Juden sollen „zurück“ nach Israel, „N***“ raus aus Europa und er stellt sich nachts betrunken mit ausgestrecktem Hitlergruß-Arm vor das Holocaust-Memorial.

Die Kamera vermittelt ein Bild der Beiläufigkeit und Banalität dieser Handlungen, erst im Nachdenken über das Gesehene erklärt sich ansatzweise, welches Ausmaß Nationalismus und Rassismus in Ungarn bereits erreicht haben dürften und wie verbreitet und alltäglich die wirklich offen gezeigten, derbsten Auftritte der radikalen Rechten dort sind. „Wir sind keine Nazis, wir sind einfache Ungarn, die sich am italienischen Faschismus orientieren“, sagen der Protagonist und seine Freunde in die Kamera.

In beiden Filmen wurde deutlich, dass radikaler Nationalismus kein „Unterschichten“-Problem ist, sondern die Konsequenz aus alltäglichem, etablierten Rassismus ist, der sowohl schweigende als auch laute Zustimmung in einem momentan größer werdenden Teil aller Gesellschaftsschichten findet.

Volksgruppenwandern mit der taz +2updates

Wanderausflug


„Abschiebesaison in NRW hat begonnen“ titelt Pascal Beucker in der taz kritisch. Ein Foto von drei Frauen bringt die Fakten (in der online-Ausgabe) auf den Punkt: „Tränen in NRW: Wandervolksgruppen droht die Abschiebung.“ Für Tränen lässt das Agenturbild genügend Interpretationsraum, die Wanderstöcke der drei traurigen Frauen passten nicht mehr aufs Foto. Die Kernkompetenz in der Frage, was Wandervolksgruppen überhaupt sind, sieht die taz bei ihren Leser_innen: Dazu gibt es Bibliotheken gefüllt mit Büchern.


Quelle: taz.de – Abschiebesaison in NRW hat begonnen

Das Wandern ist eine wesentliche Eigenschaft der Wandervolksgruppen, ja es ist Teil ihrer Kultur. Während wir Sitz-, Steh- Warte- und Verharrvolksgruppen eher die Bewegung meiden, lassen sich Wandervolksgruppen in Spazier-, Lauf- oder Fliehvolksgruppen feiner unterscheiden, je nach Ausprägung und Motiv ihrer Wanderkultur. Die taz sensibilisiert uns für das Problem der Abschiebung, für das der Wandervolksgruppenhintergrund dieser Menschen elementar ist. Der deutsche Zentralrat der Rastlosen und Wandervolksgruppen, den die taz für ein Interview leider nicht gewinnen konnte, hat bereits protestiert gegen die Abschiebungen als Zeichen einer „deutschen Kultur der Ruhe“.

update 7.4.2011:
Gestern antwortete mir der Autor des taz-Artikels Pascal Beucker in einer Mail und hinterließ zudem hier als Kommentar, dass die Bildunterschrift samt Begriff „Wandervolksgruppen“ in der online-Ausgabe nicht von ihm stamme, er den Begriff „aus gutem Grund nicht“ verwende und dieser in der Print-Ausgabe der taz auch nicht auftauche.

update 2 (1.5.2011):
Die online-Redakteure haben das Wort aus der Bildunterschrift am 13.4.2011 entfernt, ohne dies weiter kenntlich zu machen. Am selben Tag bekam ich aus der online-Redaktion eine Mail, in der die Reaktion die Verwendung des Begriffs „Wandervolksgruppen“ als Fehler bezeichnet und sich dafür bei mir entschuldigt.


Erhellend über das Nomaden-Motiv: Brigitte Mihok & Peter Widmann – Sinti und Roma als Feindbilder.

Bürgermeister Roms wegen fahrlässiger Tötung angezeigt

Bei einem Brand in provisorischen Behausungen an Roms Stadtrand starben vier Kinder. Dem Bürgermeister Giovanni Alemanno wird nun vorgeworfen, Risiko-Berichte zur akuten Brandgefahr nicht ausreichend beachtet zu haben.


Am 6.Februar 2011 verbrannten vier Kinder in einem Slum-artigen Lager am Rande der italienischen Hauptstadt Rom. In dem Lager sollen rund 14 Menschen aus Rumänien, offenbar mehrheitlich Roma, wie der Standard berichtete, gelebt haben. Die obdachlosen Einwanderer waren laut Standard zuvor aus einem anderen ungenehmigt errichteten Lager von den Behörden vertrieben worden – während ihnen gleichzeitig Unterkünfte versprochen worden sein sollen.

Der Bürgermeister Roms Giovanni („Gianni“) Alemanno geriet nach dem Tod der Kinder unter Druck, ihm wurde vorgeworfen, die menschenunwürdigen Lebensbedingungen der Einwanderer zumindest billigend in Kauf genommen zu haben. Nun wird er sich auch vor Gericht dafür verantworten müssen: Wie hotnews.ro und adevărul.ro heute berichteten, wurde Alemanno wegen fahrlässiger Tötung angezeigt. Das verkündete gestern der grüne ehemalige Stadtverordnete („senator“) in Rom Luigi Manconi als Wortführer der Anzeige auf einer Pressekonferenz seiner NGO A Buon Diritto. Dabei präsentierte Manconi fünf amtliche Risiko-Berichte von der Verwaltung und Polizei Roms aus dem Zeitraum Mai bis Dezember 2010, in denen auf die Situation in den Slum-ähnlichen Lagern offenbar klar hingewiesen wird und so u.a. auch eine akute Brandgefahr seit Monaten bekannt gewesen sein soll. In diesen fünf Berichten sieht Manconi die Grundlage für seine Anschuldigung der Mitschuld des Bürgermeisters Alemanno am Tod der vier Kinder.

In den Behausungen, die aus leicht brennbarem Material bestehen, ergibt sich eine akute Brandgefahr logischerweise insbesondere im Winter, wenn unzureichende Heizmöglichkeiten zur Erzeugung von etwas Wärme genutzt werden. So vermuteten Feuerwehrmänner laut Standard auch, dass der tödliche Brand von einem kleinen Feuer in Blechkanistern ausgelöst wurde. Damit wäre genau das Szenario eingetroffen, vor dem der Bürgermeister mit den städtischen Risiko-Berichten hätte gewarnt werden sollen. Sein Pressesprecher soll zu Alemannos Verteidigung bereits gesagt haben, die Berichte hätten sich auf andere Lager bezogen und nicht konkret auf dieses, in dem jetzt die Kinder starben.