Das Wort [***]ner¹ in Rumänien (von April 2007)

[Trigger-Warnung: Hinweise auf die rassistische Fremdbezeichnung von Rom_nija]

¹Rassistische Fremdbezeichnung für Roma nachträglich unkenntlich gemacht.

Restriktive Sprachpolitik: Mit der Streichung des Wortes „[***]ner“ sollen Probleme beseitigt werden

Mittels Kurzmitteilung erfuhr man am 30. April 2007 bei ‚Deutschlandradio Kultur‘, der „Präsident der Roma in Rumänien“, Nicolae Păun, wolle im Rahmen seines Kampfes gegen Diskriminierung das Wort „[***]ner“ aus dem rumänischen Wörterbuch streichen lassen, da dort neben der Wortbedeutung als Name für Roma auch die Verwendung für eine Person mit schlechten Angewohnheiten zu finden ist.

Die sofort in Rumänien losgebrochene Diskussion wurde von Păun selbst, der Vorsitzender der Partei der Roma in Rumänien ist, etwas entschärft, indem er seinen Standpunkt in einem Radio-Interview mit ‚BBC Romania‘ relativierte. Er setzt sich nun für die Bearbeitung der pejorativen Ausführungen zur Bezeichnung „ț[***]“ unter Beteiligung der Roma ein. Er fordert damit nicht nur die Beteiligung einer oft thematisierten aber selten gefragten Gruppe an einem wunden gesellschaftspolitischen Thema, sondern auch die wissenschaftliche und politische Offenheit vorwiegend traditionell verhafteter Sprachwissenschaftler der gern elitär wirkenden „Academia Română“.

Dieses Thema eignet sich aber überhaupt nicht als der große mediale Aufhänger, der es momentan zu werden scheint, da man Gefahr läuft, sich bewusst vom restriktiven Mittel der Sprachpolitik verführen zu lassen. So neigt die Diskussion zu einer Überbewertung der Lexikographie, indem sie die klaffende Lücke zwischen Wunsch und Realität zur Situation der Roma in Rumänien allein der Sprachwissenschaft aufzubürden scheint. Hier stellt sich die Frage nach der Aufgabe oder sogar Verantwortung lexikographischer Werke mit ihrem Einfluss auf ein so lebendiges Abstraktum wie Sprache.

Beeinflusst die Veränderung einer Wortdefinition im Lexikon, oder sogar die Streichung, die Sprecher betreffender Sprache direkt? Grundsätzlich ist das eine Schwierigkeit, gesprochene Sprache lässt sich nur schwer autoritär beeinflussen und als Beispiel dafür dient das zitierte rumänische Standard-Wörterbuch DEX (Dicţionarul Explicativ Al Limbii Române) selbst. Obwohl dort nämlich alle in Rumänien benutzten vulgären Wörter, einschließlich der beiden am häufigsten benutzten „p-Wörter“ fehlen, wirkt sich das bis heute nicht auf die gesprochene Sprache aus. Wer in Rumänien war, kennt die hohe Frequentierung solcher Wörter im Gegensatz zu äquivalenten Schimpfwörtern bei uns, die aber alle im vergleichsweise kleinen Standard-Duden zu finden sind.

Der Duden widmet sich der in der aufgeklärten Sprachwissenschaft bevorzugten deskriptiven, das heißt be-schreibenden Lexikographie, während das DEX zur normativen, also vor-schreibenden Lexikographie tendiert und damit einfach so tut, als ob in der rumänsichen Sprache keine vulgären Ausdrücke existieren.

Dennoch ist die unterstützend-diskriminierende Rolle des DEX unbestreitbar, es ist nicht zu leugnen, dass das Negativ-Bild aus dem Artikel zum Wort „ț[***]“ in Wechselwirkung mit dem realen Negativ-Bild über die mit diesem Wort bezeichneten Menschen steht. Insofern ist Păuns Vorschlag zur Bildung einer großen Gruppe einschließlich Roma und Kritikern des Wortes „ț[***]“ für die Bearbeitung des Artikels die beste Lösung. Eine Streichung des Wortes wäre, wenn auch im DEX an anderer Stelle bereits vorhanden, Zensur.

Wenn das Wörterbuch auch weiterhin der traurigen Tatsache Rechnung tragen will, dass „ț[***]“ in Rumänien als Bezeichnung für „Menschen mit schlechten Eigenschaften“ verwendet wird, so bleibt wenigstens ein Hinweis auf die eindeutig rassistische Konnotation. „Menschen mit schlechten Eigenschaften“ unterliegen wohl eher den subjektiven Kriterien des Betrachters, als der Universalität eines Wörterbuchs, das suggeriert, diese Gruppe sei eine tatsächliche und feste Größe. Es ist zum Glück unmöglich, dass analog in einem deutschen Wörterbuch unter dem Stichwort Jude irgendwo kommentarlos die Beschreibung „Bezeichnung für einen geldgierigen Menschen“ stünde, nur weil es Deutsche gibt, die geldgierige Menschen als Juden bezeichnen oder Juden für geldgierig halten.

Die gesellschaftspolitische Relevanz der Konnotation eines einzigen Wortes und der entstehenden Problematik für ihre Dokumentation ist eindeutig, zumal es um eine in allen Bereichen sowieso schon marginalisierte Gruppe geht. Dennoch kann der Austragungsort für diese Diskussion nicht das DEX sein, schon gar nicht, weil es bereits an anderer Stelle teilweise normativ und zensierend auffällt.

Die Diskussion muss, wie von Păun gefordert, endlich unter Beteiligung der betreffenden Gruppe weitergeführt werden und das DEX sollte nur eines von vielen direkt oder indirekt wertevermittelnden Instanzen sein, wo Resultate sichtbar werden. Darum ist die von Păun angeregte Diskussion begrüßenswert und wichtig für die Herausbildung zeitgemäßer Wertvorstellungen hinsichtlich der Roma in Rumänien.


Siehe auch:
Ab heute heißt Du [***]ner!