Broder’s tit-for-tat

Wenn es nach Henryk M. Broder ginge, hat die Schweiz nur den Anfang gemacht – für einen neuen Umgang mit „dem Islam“


Henryk M. Broder kommentiert das Minarettverbot in der Welt Online mit gewohnter Ironie (Einer muss den Anfang machen). Er hat recht, wenn er sagt, dass ein Volksentscheid sich nicht nach den Interessen anderer Länder zu richten hat. Aber viel weiter kann ich Broder nicht folgen.

„Moslems dürfen in Europa Gebetshäuser bauen, Christen in den arabisch-islamischen Ländern dürfen es nicht (von den Juden und anderen Dhimmis nicht zu reden). In Afghanistan und Pakistan droht Konvertiten die Todesstrafe, Touristen dürfen nach Saudi-Arabien nicht einmal Bibeln im Gepäck mitführen. Das sind Zustände, die nicht toleriert werden können.“ (Henryk M. Broder: „Einer muss den Anfang machen“, Welt Online)

Diese Zustände sind nach Broder’s Logik eine gute Begründung für das Minarett-Verbot: Weil autoritäre und diktatorische Regime Andersdenkende verfolgen, müssen Muslime hier in Europa nach dem „tit-for-tat“-Prinzip behandelt werden.

„So wie zwischen den Regierungen Slots für die Fluggesellschaften ausgehandelt werden, werden jetzt auch „Landerechte” für den Bau von religiösen Einrichtungen vereinbart. Natürlich nicht im Verhältnis eins zu eins, aber grundsätzlich.“ (Henryk M. Broder: „Einer muss den Anfang machen“, Welt Online)

Hinter dieser Ironie verbirgt sich Broder’s Vorstellung einer homogenen „muslimisch-arabischen“ Welt, der es entgegenzutreten gilt. Nicht in einzelnen Menschen, sondern im Islam sieht Broder die Bedrohung. Und dieser Islam wird für Broder gleichermaßen von den Ahmadinedschads dieser Welt, wie von muslimischen Schweizern oder Flüchtlingen repräsentiert. Denn sonst würde auch Broder klar sein, dass ein Schweizer Minarettverbot die Diktatoren anderer Länder wohl kaum stört (oder eher freut).

„Wenn es in Bonn eine König-Fahd-Akademie geben kann, die nicht der Schulaufsicht untersteht, muss es in Riad oder Jedda eine Evangelische, eine Katholische oder eine Akademie für Theorie und Praxis des Atheismus geben können.“ (Henryk M. Broder: „Einer muss den Anfang machen“, Welt Online)

Ist Broder nun dafür, dass verschiedene Religionen an einem Ort ihre Repräsentationsbauten haben sollen oder dagegen? Ist Broder nun für religiös-differenzierte Bildung, also muslimische neben christlichen und jüdischen Einrichtungen, oder dagegen? Seinem Text nach zu urteilen hat er keinen klaren Standpunkt, sondern einen Erziehungsauftrag gegenüber dem „Kollektiv der Muslime“. Broder möchte endlich ein bisschen mehr von der Intoleranz diktatorischer Regime als eigenen Maßstab nehmen, um den Muslimen ein Zeichen zu setzen. Das ist Broder’s tit-for-tat. Wie gesagt, nicht eins zu eins, für die Wiedereinführung der Todesstrafe wird Broder nicht sein. Aber mit ein bisschen Minarettverbot hier und da, meint er, könnte man die „arabisch-muslimische Welt“ schon mal provozieren.

Bei allen vermeintlichen und tatsächlichen Werten Europas, sie werden nicht bewahrt, indem man die eigene Intoleranz an die anpasst, die man anderen vorwirft.