Signal, 25.3.2010

Einblick / Zweifel / Dreißig


Ein sehr guter Artikel über das zeitgenössische rumänische Kino ist in der aktuellen (2009er) Jump Cut zu finden. Constantin Pârvulescu beschreibt (im Zentrum steht 4 Monate, 3 Wochen und 2 Tage), wie sich die filmische Auseinandersetzung mit dem Kommunismus vom Anklagen Einzelner verabschiedet und die rumänische Kinofilmkamera seit 2000 zunehmend für den „microhistorical approach“ steht.

Entwarnung für die Panikpresse: Laut aktueller UNHCR-Meldung ist die Anzahl der Asylanträge 2009 im Vergleich zu 2008 in den Industrieländern insgesamt nicht angestiegen. Damit wäre der Mythos „Asylansturm“ für die Vergangenheit entzaubert – bleibt noch die Zukunft, für die fleißig weiter von strömenden Asylanten berichtet werden darf.

Das (Puppen)Theaterstück Wenn es Nacht wird. Männer am Rande des Nervenzusammenbruchs (Text: Falk Richter, Regie: Christian Weise) hat diesen Freitag, 26.3.2010 um 20:00 im Ballhaus Ost Premiere (+ Aufführungen 27./28.3.). Premiere in Halle ist am 1.4.2010.

Signal, 22.1.2010

Film und Realität


In einem Beitrag in der Frankfurter Rundschau (online) am 19.1. wies Ernest Wichner auf ein frisch erschienenes Buch über Siegfried Jägendorf, „Rumäniens Schindler“, hin: Der Wundertäter von Moghilev.

Ebenfalls am 19.1. gab es im dROMa-Blog eine Meldung samt weiterführenden Informationen und Links zur italienischen Minderheitenpolitik: Größte Roma-Siedlung Italiens wird abgerissen.

Im Nachrichtenportal npr widmete sich Howie Movshovitz am 11.1. dem rumänischen Regisseur Corneliu Porumboiu (Poliţist, adj., A fost sau n-a fost) und dessen Gedanken über seine Arbeit: In Romania, A Quest For Clarity Between The Lines.

Signal, 4.12.09

Sammeln, Sorgen, Schieben


Über das Schieben und Sammeln von Geld: Die Dokumentation „Kapitalismus, unser Geheimrezept“ (56 min) von Alexandru Solomon kann noch für einige Tage bei arte+7 nachgesehen werden. Darüber hinaus wird der Film laut arte-Programm am 10.12.09 um 10:50 im Fernsehen wiederholt.

Sorgenfalten im Süden: Harald Neuber schrieb bei Telepolis am 26.11. zur Situation in und um den jüngsten Staat Europas.

Über das Sammeln und Schieben von Menschen: Bei Deutschlandfunk gab es am 27.11. einen kurzen Bericht von Anja Schrum und Ernst-Ludwig von Aster über die von der EU finanzierten Auffanglager in der Ukraine, wo der Umgang mit den Flüchtlingen nicht den Menschenrechten entspricht. (Als Audio Browser-integriert oder →mp3)

Signal, 22.11.2009

Filme aus Russland – Sicherheitsbedürfnis in Bulgarien – Antisemitismus in Ungarn


Bei Deutschlandradio Kultur äußerte sich Laszlo Földenyi kürzlich besorgt über die Zustände in Ungarn, wo „Rechtsextreme und Antisemiten das Sagen“ haben, wie es auch Imre Kertész zuvor formuliert hatte. Das Interview mit Földenyi kann hier nachgelesen werden.

Vorgestern verfasste Frank Stier auf Telepolis eine gute Situationsbeschreibung über Bulgarien, wo die Parlamentswahlen, mit denen Boiko Borissov Ministerpräsident wurde, inzwischen vier Monate zurück liegen.

Am Mittwoch startet die Russische Filmwoche in Berlin mit der Eröffnung im Kino International. Auf der Homepage gibt es das Programm, auch als →pdf.

Filmfestival Cottbus – mein Freitag und Samstag

schlussendlich


Am Freitag habe ich nur einen Film geschafft:

Kara Köpekler Havlarken (Schwarze bellende Hunde), Mehmet Bahadir Er/ Maryna Gorbach, Türkei/ Ukraine 2009

Der Film versucht jung zu wirken, zumindest merkt man ihm die teilweise aufgesetzt wirkenden Momente mit schnellen Schnitten und flotten Sprüchen an. Leider erscheinen die Gangster manchmal etwas ungewollt lächerlich und Spannung will nicht so recht entstehen.

Die zwei ambitionierten Protagonisten geraten zwischen die Fronten zweier verfeindeter Gebietshoheiten in einem Istanbuler Stadtteil, als sie in das von der Mafia verwaltete Security-Business einsteigen wollen. Die Entführung der Geliebten eines der Beiden am Ende des Films ist vorhersehbar, da die Liebesgeschichte nur stiefmütterlich behandelt wird und so als Mittel zur Story-Aufpolierung zu erkennen ist. Einige interessante Bilder gibt es aber im Film, insbesondere im Ensemble mit den Überwachungskamera-Aufnahmen aus der großen Mall. Ansonsten verrät der Titel bereits viel über die Gefahren, die den Helden so auflauern …

Am Samstag habe ich abschließend ein etwas größeres Programm genossen:

Byalo Zeleno Cherveno (Weiß Grün Rot) Kurzfilm, Milena Andonova, Bulgarien 2008

Der Kurzfilm präsentiert zu jeder der drei Nationalfarben eine kurze Szene, die symbolisch für die bulgarische Gegenwart steht. In drei kurzen Stichworten ließen die sich mit Alkoholismus, Naturausbeutung und Dekadenz zusammenfassen. Damit zeigt der Film einen für die Region selten kritischen Umgang mit dem eigenen Nationalsymbol Fahne.


A dnes nakade (Wohin heute), Rangel Valchanov, Bulgarien 2007

Bei diesem Film bin ich zwiegespalten. Die Idee, eine Schauspielergruppe einzusperren und ihr Spiel zu filmen liefert die Grundspannung. Man befragte die jungen Leute zu aktuellen, persönlichen und allgemeinen Themen. Das geschah vor 20 Jahren. Jetzt wurden die gleichen Schauspieler zu einem Treffen geladen, auf dem sie erneut eingesperrt wurden. Sie reflektieren über sich und Bulgarien, über die wesentlichen Veränderungen in ihren Leben in den letzten 20 Jahren.

Der Film wäre eine runde Sache, wenn sich nicht die ganze Zeit jene unangenehme Figur in den Vordergrund spielen würde, die der (echte oder gespielte) Erfinder und Regisseur des Ganzen ist. Außerdem schafft es der Film nicht, den Eindruck zu beseitigen, dass die als improvisiert dargestellten Szenen durchweg gespielt sind. So sieht man der schlecht erzeugten Glaubwürdigkeit nach zu urteilen kein spannendes Projekt, sondern nur einen Film über eine tolle Idee.


40-ci qapi (Die 40. Tür) Elchin Musaoglu, Aserbaidschan 2009

Hinter der 40. Tür verbirgt sich im Märchen, wie es in dem Film heißt, die geheimnisvolle, unbekannte Welt, die allen verborgen bleibt. Dieses Bild steht für Rustams abgelegenes Dorf und jene Welt, die er nach dem Tod seines Vaters verlässt, um für sich und seine Mutter zu sorgen. Der Vierzehnjährige erlebt die Großstadt als eine raue Welt aber findet sich sehr schnell und selbstbewusst zurecht. Die Bilder und die Kamera sind wunderbar in dem Film, außerdem überzeugt der Darsteller des jungen Protagonisten. Bis auf die letzte Filmsequenz wird auf gängigen Kitsch völlig verzichtet.


Sonbahar (Herbst), Özcan Alper, Türkei/ Deutschland 2009

Diesen Film fand ich belastend. Der aus dem Gefängnis entlassene Protagonist sieht die ganze Zeit traurig aus und findet sich in sein altes Leben nicht mehr ein. Der Mann ist depressiv, aber man erfährt nicht, was ihn eigentlich bewegt. Kurze Flashbacks deuten die politische Verfolgung an, der er und viele andere in seinem Alter ausgesetzt waren oder sind. Der Film ist offenbar eine Hommage an die gebrochenen jungen Männer, deren Träume zerstört wurden.

Leider bleibt die Schwere und Trauer des Films ohne inhaltliche Füllung. Stattdessen werden in unendlich lang erscheinenden Einstellungen Bewegungen des Protagonisten oder Landschaften gezeigt, die die Teilnahmslosigkeit der Figur zum Ausdruck bringen. Selbst mit der Frau, mit der der Protagonist noch am ehesten interagiert, bleiben die Dialoge oberflächlich. Dabei verbergen sich hinter den Figuren interessante Geschichten. Aber man erfährt weder etwas über die Vergangenheit, noch über die Gedankenwelt der georgischen Prostituierten und des in der Türkei politisch verfolgten Sozialisten. Ihr Zusammentreffen bleibt das zweier ganz allgemein trauriger Figuren. In einem nur von Trauer und Sentimentalität gefüllten Film. Vielleicht muss man das Thema näher kennen, um den Film zu mögen.


Siehe auch:
Filmfestival Cottbus – Resumé Mittwoch
Filmfestival Cottbus – vier Filme am Donnerstag