Bitte aus Freiburg: Unterschrift gegen Roma- Abschiebungen

Freiburger Appell


Erinnert sich noch jemand an die deutsche Empörung, als Roma aus Frankreich abgeschoben wurden?

Eine Freundin von mir engagiert sich ehrenamtlich beim Sozialreferat der PH Freiburg in einem Flüchtlingswohnheim für Roma aus dem Kosovo. Am Wochenende schrieb sie mir in einer E-Mail, sie arbeitet dort

mit Jugendlichen, deren Familien penetrant Angst vor Abschiebung haben müssen. Im Dezember wurde erst eine Familie abgeschoben, deren Kinder hier aufgewachsen sind und in einem fremden Land plötzlich „zu Hause“ sein müssen.

Als konkrete Handlungsmöglichkeit in dieser Situation verweist sie in ihrer Mail auf den von einem Bündnis ausgearbeiteten „Freiburger Appell“, in dem es heißt:

In Freiburg befinden sich etwa 390 Personen, mehrheitlich Romni und Roma aus dem Kosovo in einem sogenannten Bleiberechtsverfahren. Bleiben darf, wer bis zum 31.12.2011 dauerhaft in Arbeit ist und den Lebensunterhalt aus eigener Kraft bestreiten kann. Der Zugang zum Sozialsystem bleibt ihnen verwehrt. Wer arm ist, oder in der Wirtschaftskrise seine Arbeit verloren hat, wird abgeschoben.

Auf kommunaler Ebene wurde und wird im Rahmen der Bleiberechtsbestimmungen versucht, mit und für die Betroffenen einen „Bleibejob“ zu finden. Ausgeschlossen davon: Alte, Kranke und weitere mehr. Etwa 320 Romni und Roma, die in einem Duldungsstatus leben, sollen in den nächsten Monaten aus Freiburg vertrieben oder zwangsweise abgeschoben werden. Letztendlich ein politisches und ökonomisches Selektionsverfahren. Ein Selektionsverfahren mit fatalen Konsequenzen für die Betroffenen. Das Wohl der Kinder spielt in den politischen und gesetzlichen Vorgaben auf deutscher und kosovarischer Seite praktisch keine Rolle, obwohl fast die Hälfte der Betroffenen Kinder sind.

Obwohl amnesty international die Lebenssituation für Roma im Kosovo als politische Verfolgung bezeichnet, eine UNICEF-Studie verdeutlichte, dass die Kinder und Jugendlichen der Abgeschobenen die grossen Verlierer sind, der EUROPARAT und weitere mehr sich gegen Abschiebungen aussprechen, wird ins Elend abgeschoben. Der Obmann für Menschenrechte im kosovarischen Parlament Sami Kurteshi verdeutlichte die Situation der Abgeschobenen so: „Wenn die Eltern keine Arbeit haben, möglicherweise auch keine Wohnung, werden sie entweder versuchen wieder zu fliehen. Oder sie werden kriminell. Oder sie sterben einfach.“ Günter Grass schrieb im Oktober 2010 in einem Offenen Brief an die Innenminister: „Wer Menschenrechte in so eklatanter Weise mißachtet, spielt mit der Zukunft des Friedens auf unserem Kontinent.“

Am 11. April 2006 hat sich der Freiburger Gemeinderat „für ein dauerhaftes Bleiberecht der seit vielen Jahren in unserer Stadt lebenden Minderheiten aus dem Kosovo“ ausgesprochen und dies am 27. April 2010 nochmals bekräftigt. Ein kommunaler Beschluss ohne Rechtsbindung. Doch Abschiebungen wird diese Resolution nicht verhindern!

In diesem Aufruf des gruppenübergreifenden Freiburger Forums „aktiv gegen Ausgrenzungen“ (der ganze Aufruf als →pdf) bitten die VerfasserInnen um Unterschriften – als Bekenntnis einer möglichst breiten Solidarität in der Bevölkerung mit den Menschen, die in Unsicherheit und Angst vor Abschiebung leben müssen.

Ihr könnt sehr einfach unterschreiben, entweder indem ihr den ausgedruckten Bogen (→pdf) samt ausgefüllter Unterschrift(en von Freunden + Familie) per Post an die darin genannte Adresse schickt oder indem ihr eine Mail mit eurem Namen und Adresse sowie dem Betreff „Unterschrift Freiburger Appell“ an die e-Mail-Adresse info [ät] aktionbleiberecht [punkt] de schickt (Leerzeichen streichen sowie ät und punkt mit @ und . ersetzen).

Worte für die ungarischen Roma

Glaubt man den Worten eines ungarischen Staatssekretärs, wird sich die Situation der ungarischen Roma bald verbessern. Aktuelle Taten der Regierung lassen das Gegenteil befürchten.


In vielen Medien ist Ungarn mit dem Regierungsstil seiner rechten Regierung, besonders angesichts der übernommenen EU-Ratspräsidentschaft, momentan ein weit verbreitetes Thema.

Auch die Situation der ungarischen Roma hängt ganz entscheidend mit dem Thema zusammen. In dem Land wurden in den letzten Monaten verschiedene brutale rassistisch motivierte Morde, auch an Kindern, begangen. In einem grausamen Fall gab es dazu jüngst eine Gerichtsverhandlung.

Die extrem rechte Partei Jobbik, die vor den Wahlen im April 2010 mit Aufmärschen auch in von Roma bewohnten Stadtrandgebieten provozierte, sitzt nun als drittstärkste Fraktion im ungarischen Parlament. Hoffnungen auf wachsende politische Partizipationsmöglichkeiten brauchen sich ungarische Roma-Vereine und NGOs wohl nicht zu machen. Im Gegenteil, das neuste Signal der ungarischen Regierung bedeutet sogar die existentielle Bedrohung für die Minderheiteninstitutionen: Die ungarische Regierung hat jetzt als Vorhaben verkündet, bis zu 35 Roma-Stiftungen und -Vereine aufzulösen.

Dabei hatte der ungarische Staatssekretär für Minderheitenrechte und Integrationsfragen Zoltán Balog in einem Interview mit der Frankfurter Rundschau im Dezember 2010 verkündet, er wolle das Thema Roma zu einem EU-Thema machen und den Einsatz von Mitteln für Roma-Projekte verbessern. Die jüngsten Ankündigungen der ungarischen Regierung sprechen eine andere Sprache.

Das französische Auslandsfernsehen France 24 berichtete heute kurz über ungarische Roma. In dem Beitrag erläutert auch Zoltán Balog noch einmal kurz sein Konzept, mit dem er zur Verbesserung der Situation für die Roma während Ungarns EU-Ratspräsidentschaft beitragen möchte. Fragt sich nur, warum er es bisher nicht schon in Ungarn angewandt hat.

http://www.youtube.com/watch?v=-LFhu7uPFr0

Es werden die Taten sein, an denen die ungarische Regierung ihre angestrebte Politik gegenüber den Roma messen lassen muss. Und die lassen mit den geplanten Vereinsauflösungen nur eine Verschlechterung der Lage befürchten.

Filmfestival Cottbus 2010

Zum 20. Mal ist in Cottbus der osteuropäische Film zu Besuch


Das Wetter lädt zum Kino-Besuch ein in Cottbus, am heutigen Filmmittwoch. Der Himmel ist verhangen und es nieselt. Filme gibt es genug zu sehen, das Programm ist dicht. Es sei aber ein schwaches Produktionsjahr 2010 gewesen, meinte eine Festivalkennerin zu mir, das merke man auch hier in Cottbus. In den Vorjahren hätten sich die verschiedenen europäischen Festivals mit Ost-Schwerpunkt stärker unterschieden, während sich in diesem Jahr aufgrund einer ähnlichen Filmauswahl die Programme überschneiden würden.


Filmfestival Cottbus 2010, Stadthalle

Eine große Bedeutung für das Cottbusser Festival hat inzwischen die Kontaktveranstaltung Connecting Cottbus, zu der sich während des Festivals Filmschaffende treffen, um zukünftige Produktionen zu koordinieren und zu „pitchen“. Die Filmvorführungen für das öffentliche Publikum und der Wettbewerb dürften aber weiterhin ein Schwerpunkt des Festivals bleiben, denn öffentliches Interesse am osteuropäischen Film gibt es offensichtlich – die Kinos sind teilweise komplett besetzt.

Die große Menge Filme wird in vielen Kinos über die Stadt verteilt gezeigt. Weil das Filmtheater Weltspiegel in diesem Jahr wegen Rekonstruktionsarbeiten als Vorführstätte ausfällt und auch der untere Saal im Glad House von der Liste genommen wurde, sind viele Filme erstmals in zwei Säle der UCI-Kinowelt verlegt worden, die allerdings weit außerhalb der Innenstadt in einem Gewerbegebiet liegt. Zwischen dem zentralen Anlaufpunkt, der Cottbusser Stadthalle, und dem UCI-Gebäude liegen 6 km Fahrt- bzw. Fußweg.

Ein mit ÖPNV-Bussen eingerichteter Shuttle-Service funktioniert hier zwar an sich sehr gut, ist aber auf pünktlich beginnende Filme abgestimmt. Sobald ein Film verspätet beginnt, ist der Shuttle nach dem Film (und der Diskussion) weg und im ungünstigsten Fall steht man dann im Gewerbegebiet Cottbus Süd abends im Nieselregen, ohne Anschluss.

Die Verlagerung in die entfernte UCI-Welt war bisher der kritischste Punkt, über den ich mehrere unerfreute Stimmen hörte. Dass Filme mit Verspätung beginnen geschieht meinem Eindruck nach nicht mehr so häufig wie 2009 und ist eigentlich auch kein wesentlicher Punkt, solange man eben keinen (Film-)Anschluss dadurch verpasst. Erst bei einer Filmverzögerung habe ich übrigens nebenbei gelernt, dass ein Filmvorführer in der UCI-Kinowelt heutzutage mehrere Kinosäle zeitgleich bedienen muss. Ob er zwischen verschiedenen Abspielräumen wechseln muss oder ob mehrere Säle an einen Abspielraum grenzen, habe ich (noch) nicht herausbekommen.

Update 10.11.2010

So, mit einiger Verspätung gibt es im Folgenden einen Überblick zu einigen Filmen die ich dieses Jahr in Cottbus gesehen habe.

Nachdem die Preisträger des diesjährigen Festivals ja feststehen, will ich gleich mit dem Hauptpreis beginnen: Den bekam der serbische Film Beli, beli svet (White White World). Der Film ist wirklich gut, aber ich fand ihn nicht sehr gut. Das Beeindruckendste an dem Film ist Jasna Đuričić in der Rolle der Mutter namens Ružička, die nach Jahren den Knast verlässt und vor neuen Realitäten steht. Diese Realitäten sind die Grundlage für den Filmplot, der sich in Form des griechischen Dramas entspinnt, Handlungszentrum ist die serbische Kleinstadt Bor (die mit ihren riesigen Kupferminen einem weiteren Cottbusser Wettbewerbsfilm als Kulisse diente.) Auf dem Höhepunkt jedenfalls explodieren so viele dramatische Ereignisse innerhalb weniger Minuten auf einmal, dass die in den Bildern und im Schauspiel vermittelte Authentizität arg leidet. Hinzu kommen Gesangpassagen, die an zwei, drei Stellen gut passten, aber insgesamt zu oft und auch etwas kitschig angelegt sind. Neben Jasna Đuričić überzeugte mich Nebojša Glogovac als alkoholkranker Mann, dessen Bruder von Ružička getötet wurde (was der Grund für ihren Knastaufenthalt war). Glogovac hatte übrigens auch die Hauptrolle im tollen Eröffnungsfilm Žena sa slomljenim nosem/ Die Frau mit der gebrochenen Nase.

Ich hatte drei Favoriten für den Hauptpreis, die allesamt leer ausgingen. Oder nicht ganz. Denn Tilva Roš, ein weiterer serbischer Film, der auch noch in Bor spielt, erhielt einen der unzähligen Preise, die in Cottbus von Stiftern und Förderern neben dem Wettbewerb verliehen wurden. In diesem Film spielen Skater sich selbst, was von einem in Cottbus anwesenden Darsteller auch mehrfach betont wurde („We are no actors!“). Der Film ist das bekennend skriptlose Portrait einer Generation Jackass, die sich zwischen sinnloser Gewalt und gesellschaftlichem Druck zu orientieren sucht. Er nimmt seine Figuren ernst, portraitiert sie weder herabblickend, noch moralisierend. Das Publikum wird auch von der Überfrachtung mit Jugoslawien-Zerfall-Symbolik oder Nachkriegsästhetik verschont, in Tilva Roš leiden die Menschen unter weit über Serbien hinaus bekannten Problemen: Lohnabhängigkeit und Existenzstress. Die 19-Jährigen Skater werden dabei nicht heroisiert, die Kamera wird eher beiläufig draufgehalten und in dieser Beiläufigkeit wird das Lebensgefühl der Perspektivlosigkeit ins Bild gesetzt. Die Perspektivlosigkeit resultiert aus der zugewiesenen Rolle in einer Gesellschaft, die ihre Teilhaber nach marktrelevanten Verwertungskriterien einstuft. In den gewachsenen Beziehungen zu Freunden entziehen sich die Jugendlichen den institutionellen Bewertungen. Während ihre Elterngeneration gegen Stellenabbau und Lohnkürzungen streikt, machen sich die Skater weniger Illusionen und setzen ihre Kreativität ein, um sich selbst und sich gegenseitig mit halsbrecherischen Stunts zu traktieren.

Tilva Roš, Trailer (vimeo)

Glücksspiel Internierung

Willkommen in der Europäischen Union – über Griechenland nach Nirgendwo


Menschen, die aus verschiedensten Gründen Zuflucht in Europa suchen, haben keine Lobby. Journalisten haben die politische Bezeichnung der „illegalen Einwanderung“ mehrheitlich übernommen – ungeachtet der Tatsache, dass dieser Begriff schutzsuchende Menschen mit egal welchen (lebensbedrohlichen) Gründen kriminalisiert. Während Polizei und Frontex im Jahr 2009 etwa 9000 Menschen an der EU-Grenze aufgriffen und verhafteten, wurden Ende Oktober für das Jahr 2010 bereits 34.000 Inhaftierungen gezählt, berichtet Pro Asyl.

Griechenland ist der Name eines europäischen Landes, in dem momentan wohl 80% der illegalisierten Flüchtlinge erstmals europäisches Festland betreten, so der ORF: Die Sendung WELTJournal widmete sich am 27.10.2010 mit einem Beitrag namens „Griechenland – Flucht ins Nirgendwo“ der Situation dieser Menschen, die an der Grenze abgefangenen und zumeist interniert werden (Bericht entdeckt via porrporr bei twitter). Spyros Kouloheris, der in dem ORF-Bericht als Rechtsanwalt für Asylangelegenheiten vorgestellt wird, sagt in dem Zusammenhang:

Ich schäme mich für das, was ich hier sehe. Es ist wie beim Glücksspiel Zufall, ob du interniert wirst oder nicht.

Kouloheris sagt auch, dass er es darum für ein „Verbrechen“ halte, wenn ein EU-Land Flüchtlinge nach Griechenland „zurück“schickt. Während Österreich auf die aktuelle Situation in Griechenland offenbar mit einem „teilweisen Abschiebestopp“ reagierte, beschäftigt sich in Deutschland noch das Bundesverfassungsgericht mit der Klage eines Irakers gegen seine Abschiebung nach Griechenland.

Der TV-Beitrag wurde vom ORF online gelöscht.


Siehe auch:
Ausführlicher Überblick zum Thema mit weiterführenden Links von ed2murrow im Freitag-Blog: Recht auf Asyl, die verlorene Unschuld.

Gewalt gegen eine Rumänin in Rom endet tödlich

Neuer mutmaßlich fremdenfeindlicher Übergriff in Italien mit Todesfolge


Wie hotnews.ro berichtet (englisch hier) wachte eine 32-jährige Rumänin in Italien nach Verletzungen am Kopf nicht mehr aus dem Koma auf und verstarb am letzten Freitag (15.10.10). Die Frau, die in Italien als Krankenschwester arbeitete, wurde Opfer einer mutmaßlich fremdenfeindlich rassistisch motivierten Gewalttat in einer Metro-Station in Rom am vorvergangenen Freitag (8.10.10). Offenbar war der Tat ein Streit vorausgegangen, wie hotnews.ro von einem Caféhaus-Besitzer erfahren habe (siehe hier). In dem Streit soll der 20-jährige Mann die Rumänin beleidigt und aufgefordert haben, in ihr Land zurückzukehren (rumänisch hier).


Siehe auch:
Ein etwas ausführlicherer Artikel auf Italienisch im Corriere della Sera: Lite alla biglietteria del metrò,
donna aggredita esce dal coma