Es gibt einen tiefschwarzen Bereich auf der Schattenseite Europas, in den nicht einmal das entfernte Echo der Bekundungen europäischer Ideale vordringt.
Das wirklich Beschämende an diesem Teil europäischer Realität ergibt sich aus den Versäumnissen europäischer und „internationaler“ Verantwortlicher, die, über Jahre hinweg, bis heute keine Veränderung der Situation erreichen konnten.
Isabel Fonseca beschreibt heute in der Frankfurter Rundschau das Lager, in dem unnatürliche Todesfälle, Fehlgeburten und Neugeborene mit Hirnschäden seit Jahren die Bewohner beschäftigen. (Über den zulässigen Höchstwerten) Es geht um die bleiverseuchten Behausungen hunderter Flüchtlinge nahe der Stadt Mitrovica im Kosovo.
„Die Lager wurden von den Vereinten Nationen errichtet, und die Vereinten Nationen tragen zusammen mit den Behörden im Kosovo die Verantwortung für diese Menschen, eine Verantwortung, der sie sich bewusst entziehen, trotz vieler Proteste von Europaabgeordneten, Roma- und Menschenrechtsvertretern, Umweltfachleuten, Anwälten, Journalisten, der Center for Disease Control and Prevention in den USA, dem Dänischen Flüchtlingsrat (DRC), dem Mercy Corps, der Norwegian Church Aid, der WHO und zumindest einer Baronin.“
Angesichts der Andeutungen Fonsecas zur langen Liste der Organisationen, die bereits auf die lebensgefährlichen Bedingungen in dem (von der internationalen Gemeinschaft geführten) Lager aufmerksam machten, erscheint der Fall umso unglaublicher. Viele Roma sind zusätzlich zu ihrer katastrophalen Wohnsituation bis heute andauernder Verfolgung im Kosovo ausgesetzt.
Einige, die auf die menschenunwürdigen Bedingungen unter der Aufsicht von UN, UNMIK, EU und NATO hinwiesen:
- Amnesty International machte 2005 auf den Fall aufmerksam und wirft der UNMIK vor, bereits seit 2000 von der hohen Bleibelastung der Region gewusst zu haben (Urgent Action 04. August 2005).
- Paul Polansky von der Gesellschaft für bedrohte Völker berichtet im Juni 2005, die UNMIK (bzw. UNHCR) seit 1999 auf die Gesundheitsrisiken hingewiesen zu haben (Roma und Aschkali im Kosovo: Verfolgt, vertrieben, vergiftet!).
- Ein Arzt beschreibt 2006 die Folgen für die Gesundheit einer bleivergifteten Familie aus dem Lager („Menschlich ist das eine Katastrophe, medizinisch eine Herausforderung“).
- Das European Roma Rights Centre informierte das Europäische Parlament 2005 detailliert über die Situation der Roma im Kosovo und auch in dem Lager (Members of European Parliament Hear Testimonies of Rights Abuse of Roma in Kosovo).
- Chachipe berichtet, dass die Weltgesundheitsorganisation seit 2000 und zuletzt im Januar 2009 auf die gesundheitsschädigenden Zustände für die Lagerinsassen im Kosovo aufmerksam macht (WHO calls for more efforts to reduce lead toxicity in temporary camps).
Vor dem Hintergrund dieser bis heute andauernden Zustände wird die Situation vom Europarats-Menschenrechtsbeauftragten Thomas Hammarberg als „humanitäre Katastrophe“ bezeichnet (Humanitäre Katastrophe in Nordkosovo). Der Europarat hat darum erneut betont, dass Abschiebungen von Flüchtlingen ins Kosovo unverantwortlich seien („Rückführung von Flüchtlingen kommt Menschenrechtsverletzung gleich“).
Österreich hat vor einigen Tagen Kosovo zu einem „sicheren Drittland“ erklärt (Kosovo gilt als „sicheres Drittland“).
Deutschland schiebt schon seit 2005 die bedrohte Minderheit ab (Abschiebung ins Kosovo) und wird dabei auch nicht müde (Erster Rom aus Hessen ins Kosovo abgeschoben).
Die für den NATO-Krieg im Kosovo aufgebauten westlichen Kameras sind heute, 10 Jahre später, abgebaut. Kein Interesse. Es geht um Roma.
update:
dROMa-Blog schreibt heute zum Thema: Kosovo: Lager hochgradig verseucht