„Deutschland, wohin zog es deine ***ner?“ – Teil 1

[Trigger-Warnung: Screenshot mit ausgeschriebener rassistischer Fremdbezeichnung von Rom_nija, Hinweise auf die rassistische Fremdbezeichnung von Rom_nija]

Die flotten 30er


Gestern titelte die online-Ausgabe der Mitteldeutschen Zeitung: «Schwarzer ***ner» bringt Glück.

Dieser lockere Titel mit Bezug zu deutschem Liedgut (für den Presserat vielleicht eine „musikhistorische“ Wendung) brachte mich auf die Idee, den Versuch einer kleinen Serie zu starten.

Unter dem Titel „Deutschland, wohin zog es deine ***ner?“ sollen kleine Exkurse in die deutsche Kulturgeschichte unternommen werden. Das liebevolle Motiv des exotischen „***ner“, das auch bei den Deutschen bis heute in kreativer Vielfalt lebendig bleibt, soll neben einige Fakten gestellt werden, die für die tatsächlichen Lebensumstände sogenannter „***ner“ standen oder stehen.

Die Spannweite einer Antwort auf die Frage „Deutschland, wohin zog es deine ***ner?“, die von „In das deutsche Volkslied“ bis zu „In die deutschen Gaskammern“ reicht, soll in der kleinen Serie ausgefüllt werden. Verdeutlicht werden soll damit auch, wie sich Bild und Wirklichkeit nicht nur widersprechen, sondern ausschließen können.

Den Anfang macht das Lied „Du Schwarzer ***ner“, an das die Mitteldeutsche Zeitung uns gestern mit Blick auf einen verliebten Tanz von 1946 erinnerte. Eine der heute bekanntesten Interpretationen ist wohl die von Vico Torriani, 1953.

http://www.youtube.com/watch?v=UAOu6rts79I


Dieser bei den Deutschen nach wie vor beliebte Schlager steht für eine Unterhaltungskontinuität, die ohne historischen Entstehungskontext und politische Ereignisse der Zeit auskommt. Größere Verbreitung in Deutschland hatte das Schunkelliedchen auf Schallplatte in den 30er Jahren erlangt.


Carl Lindström AG „Du schwarzer ***ner“ mit Luigi Bernauer, Wikipedia/ Mediatus (CC)


Zu diesem Lied von Karel Vacek (Original: „Cikánka“) stammt die deutsche Übersetzung von Fritz Löhner-Beda, einem Juden, der 1943 in Auschwitz ermordet wurde. Der Tod dieses und anderer Menschen war kein Zufall. 1933 war nämlich eine Partei von reichsweit 44% der Deutschen gewählt worden, in deren Parteiprogramm seit 1920 unter Punkt 4 stand:

„Volksgenosse kann nur sein, wer deutschen Blutes ist“.

Mit diesem Punkt wurde von der NSDAP die konsequente Ausgrenzung der Juden und die Fortführung der schon unter der Weimarer Verfassung praktizierten „***nerbekämpfung“ versprochen. 1935 wurde dann mit dem „Reichsbürgergesetz“ und dem „Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre“ die juristische Grundlage zur praktischen Umsetzung des Wahlversprechens gelegt:


„Blutschutzgesetz“, de.wikipedia.org (gemeinfrei)


Damit war der Weg für die Juden und „***ner“ in Richtung Gaskammern geebnet. Die industrielle Vernichtung von Millionen Menschen konnte beginnen.

Diese Zusammenhänge sind Nebensache, wenn es um ein verliebtes Pärchen im Jahre 1946 geht. Da bringt der „Schwarze ***ner“ nämlich schon wieder Glück. Nachdem er selbst gerade ein bisschen Pech hatte.


Screenshot Mitteldeutsche Zeitung


„Deutschland, wohin zog es deine ***ner?“ – Teil 2