Medien machen Moldau

Was Spiegel Online zu unserem Bild von einem Land (und von dem der Roma) beiträgt


Über „ferne Länder“ kann man sich oft nur indirekt informieren. Ein Mitteleuropäer, der nicht selbst an einen Ort reist oder mindestens Menschen von dort kennt, wird über diesen vornehmlich aus den Medien informiert. So entsteht ein Bild im Kopf der Zielgruppe von Medien, das schnell mit der Realität verwechselt wird, obwohl es zunächst nicht mehr als das Bild der vermittelnden Journalisten ist. Da diese Bilder nicht die Realität sind, müssen sie kritisch durchleuchtet werden.

Was für „ferne Länder“ gilt, ist auch für europäische Länder zutreffend, die einzig mit Schlagworten wie Korruption, Kriminalität und Krieg hier und da für Aufsehen in der deutschen Presse sorgen. Eine mediale Instanz ist wohl der Spiegel, der als eines unter sehr wenigen „Meinungsbildern“ hin und wieder über die Republik Moldau informiert. Während in vielen Zeitungen Randnotizen über die Ereignisse nach den umstrittenen Wahlen gelesen werden konnten, versucht Uwe Klußmann in seinem Spiegel-Online-Artikel Europas Armenhaus wird zwischen Ost und West zerrieben vom 19.4. Hintergrundinformationen zu liefern – auf eigene Weise.

Sein Artikel vermittelt einmal mehr den Eindruck, die meisten Einwohner der Moldau wünschten einen sofortigen „Anschluss“ an Rumänien. Dass ausgerechnet dieses Bild von Vladimir Voronin, dem kommunistischen Präsidenten und Sieger des angefochtenen Wahlergebnisses, persönlich mit aufgebaut wurde, das schreibt Klußmann nicht. Dabei wurde längst enttarnt, dass es eigens vom Staat zu Show-Zwecken eingesetzte Provokateure waren, die nach Vereinigung riefen und rumänische sowie EU-Flaggen schwenkten (siehe Weiter Unklarheit in Chişinău). Es ist gar nicht sicher, dass die demonstrierende Masse viel mehr wollte, als einfach nur über die schmutzigen Wahltricks der Regierungspartei aufgeklärt zu werden und faire Neuwahlen zu fordern. Das Bild der staatsgefährdenden Großrumänien-Anhänger entstand im Interesse Voronins, der seine autoritären Gebärden so angesichts eines vermeintlichen rumänisch gesponserten Putsches rechtfertigen konnte. Dass nun das Bild der Vereinigungs-Provokationen sogar bei Spiegel Online auftaucht, bedeutet sicher einen medialen Erfolg für Voronin.

Die zurecht kritisierte Korruption der Regierenden in Moldova ruft bei Klußmann weitere Bildhaftigkeit auf den Plan. Feuilletonistische Ausdrucksweisen wie der „brummelige Bonze“ mögen zum Schmunzeln anregen, wobei generell interessant ist, ob solche etwas herabschauenden Formulierungen in der deutschen Pressesprache auf Berichte über bestimmte geografische Räume reduziert sind. Schwieriger wird es dann schon mit dem Begriff „Clan“ und dem „Z***baron“, an den sich Klußmann von Voronin erinnert fühlt. Wird hier an die beim Leser vorausgesetzten rassistischen Vorurteile appelliert?

Warum sonst werden hier die „Z***“ erwähnt? Und welches Bild sollen diese genau implizieren? „Machenschaften“? „Unzivilisiertheit“? „Die Wilden da unten“? Genügt es nicht, neben dem „brummeligen Bonzen“ darauf hinzuweisen, dass dieser und auch sein Kabinett korrupt sind? Offenbar nicht, also hält „der Z***“ her. Der „Z***baron“ wohlgemerkt. In einem etablierten deutschen Medium wird im 21. Jahrhundert ein ethnisches Attribut verwendet, um eine verwerfliche Eigenschaft zu beschreiben. Bei anderen ethnischen Gruppen wäre dies tabu, die „Z***“ hingegen sind wohl noch uneingeschränkt zur Negativ-Bebilderung „nutzbar“.

Dass dann von „cleveren KP-Ideologen“ mit ihrer „Taschenspieler-Art“ die Rede ist, gehört ins selbe Bild. Das Bild von der Republik Moldau. Ein Bild.


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