Literarische Inspiration und Diplomatie

Die Begeisterung über Dragan Velikićs neuen Roman Das russische Fenster bleibt aus.


Dem Schriftsteller Dragan Velikić wurde am Freitagmorgen bei Deutschlandradio Kultur für seinen neuen Roman „Das russische Fenster“ ein nur mittelmäßiges Zeugnis von Martin Sander ausgestellt. Bereits Michael Martens äußerte sich im Dezember 2008 in der FAZ nicht positiv über den Roman. Noch auf der Frankfurter Buchmesse im Oktober 2008 übte sich Barbara Wahlster in freundlicher Zurückhaltung gegenüber dem Autor, den Sie persönlich auf dem „Blauen Sofa“ zu einem Fernsehinterview in deutscher Sprache begrüßen durfte – ihre Fragen enthielten zwar Skepsis, aber keine derart direkte Kritik, wie sie von Martens und Sander zu vernehmen ist.

Dafür äußert Velikić in diesem Gespräch einige Eckpunkte seiner Ansichten über Literatur und Politik, die in den letzten Jahren in der deutschen Medienwelt etwas rar geworden sind. In den 90er Jahren war er bekannt für seine Kritik am „westlich“-medialen sowie NATO-ischen Kriegswahn gegenüber Serbien, wobei er selbst sich als Kritiker der Milošević-Regierung sah. In FAZ, FR und ZEIT wurde ihm Platz gegeben, sich auch gegenüber der tendenziös berichtenden europäischen und insbesondere deutschen Presse kritisch zu äußern.

Sein Roman „Der Fall Bremen“ gibt einen Eindruck von dem Europa, das für Velikić Bedeutung hat, jenseits von Nation und Staatsterritorium. Hier zeichnet er einen fragmentierten Raum ohne Rahmen, der sich aus den individuellen Lebensentwürfen und Gedankenwelten seiner Figuren zusammensetzt. Der Roman gibt keine Antworten, er fragt. Ohne Nostalgie und verklärte Visionen eröffnet sich den Lesern die mentalte Reise ins „Mögliche“.

Ich bleibe neugierig, was mir „Das russische Fenster“ für einen Ausblick gewähren wird, wenn nun auch der Vorgeschmack mit den vorhandenen Buchkritiken etwas getrübt wurde. Vielleicht ist also doch wichtig, dass dieser Roman Velikićs erster ist, den er während seiner Amtszeit als serbischer Botschafter in Österreich schrieb – Sanders Schlussworte sind jedenfalls: „Die Diplomatie mag der literarischen Inspiration nicht immer förderlich sein.“