Republik Moldau hat gewählt

Ein vorläufiges Wahlergebnis, eine unzufriedene Opposition und in deutscher Presse nichts darüber


update4: (7.4.09, 14:00):
Moldauische Nachrichtenseiten im Internet sind OFFLINE bzw. blockiert. Das rumänische Nachrichtenportal Hotnews berichtet von Zusammenstößen zwischen Polizei und Demonstranten in der moldauischen Hauptstadt. Die Fensterscheiben des Präsidentenamtes sollen von Demonstranten eingeworfen worden sein. Ob die Zahl von 30.000 gegen das Wahlergebnis Protestierenden stimmt, ist unklar.

Die Demonstranten trügen die Trikolore (ohne Wappen = rumänische Staatsflagge) und EU-Flaggen und würden Parolen gegen die moldauische Regierung rufen, die nach bisherigem Ergebnis mit 50% die Parlamentswahlen am Sonntag gewann.

Straßen nach Chişinău seien blockiert. Auch rumänische Internet-Medien seien in der Republik Moldau nicht mehr zu empfangen. In rumänischen Städten sind Solidaritätsveranstaltungen geplant.

Die Opposition in der Republik Moldau hatte die Wahlergebnise angezweifelt und rief gesternabend zu den Protesten auf. Handfeste Beweise für gravierende Wahlfälschungen gibt es bisher nicht, die OSZE hat von Mängeln im Wahlverlauf gesprochen, kündigte nachträgliche Untersuchungen an, hat aber das Wahlergebnis bisher nicht angezweifelt.

update3: (7.4.09, 11:30)
Darüber ob und wie die Proteste in Chişinău heute eventuell fortgesetzt werden, gibt es noch keine genauen Angaben und Zahlen. Die Meldungen über die Anzahl der gestern Protestierenden weichen jedenfalls voneinander ab. Manche moldauische Medien sprechen von über 20.000 Teilnehmern, andere vorsichtiger von „Tausenden“ und wieder andere berufen sich auf Angaben von Sicherheitsorganen, denen zu folge 2,5 bis 4000 Spontandemonstranten gezählt wurden.

Auch die Einschätzungen der OSZE werden verschieden interpretiert – mal dramatisiert und mal als insgesamt positiv dargestellt (hier der englischsprachige Bericht, um sich selbst ein Bild zu machen).

In deutschen Medien wurden die Parlamentswahlen noch immer nicht thematisiert.

update2: (6.4.09, 21:30)
Die Liberal-Demokratische Partei und die Allianz „Unser Moldau“ werfen der Regierungspartei der Kommunisten massive Wahlfälschungen vor und erkennen das Wahlergebnis nicht an. Eine anstehende detaillierte Untersuchung der Wahlen soll die Vorwürfe untermauern. Als Beispiele werden Bestechung von Oppositionspolitikern, illegale Geldströme und andere Einflussnahmen auf die Wahlen durch finanzielle und administrative Vorteile der Regierungspartei angeführt.

Inzwischen seien zwischen 15 und 20.000 Menschen in der moldauischen Hauptstadt Chişinău auf der Straße, um gegen das Wahlergebnis zu protestieren, wie das moldauische Internetportal Unimedia berichtet.

Die OSZE hat ihren Bericht über den Wahlverlauf geändert. Es wird nun wesentlich stärker auf Unregelmäßigkeiten im Wahlverlauf hingewiesen und es sind nachträgliche Untersuchungen angekündigt, wenn dem Land auch insgesamt noch ein „Fortschritt an Demokratie“ bescheinigt wird.

update: (6.4.09, 17:30)
Nach fast abgeschlossener Stimmenauszählung nähern sich die Kommunisten der 50%-Marke und damit erneut der absoluten Mehrheit, die eine Suche nach einem Koalitionspartner überflüssig machen würde.

Die OSZE erklärt sich insgesamt zufrieden mit dem Verlauf der Wahlen , wenn auch der punktuelle Missbrauch administrativer Vorteile durch die Regierungspartei und die tendenziöse Medienberichterstattung im Bericht festgehalten werden (hier auf Englisch) (siehe update 2).

In der deutschen Presse sucht man noch immer nahezu vergeblich nach Meldungen über die Parlamentswahlen. Die online-Ausgabe des Handelsblatt hat inzwischen eine Meldung zum Thema, ansonsten berichtet nur die bereits erwähnte schweizer NZZ. Daneben meldet Die Presse (ich wusste gar nicht, dass das Wort „Sieg“ im Österreichischen Neutrum ist) das Wahlergebnis sowie die Oberösterreicherischen Nachrichten.

Taz, FAZ, FR, Süddeutsche, SpiegelOnline und ZeitOnline ignorieren die gestrigen Wahlen in dem europäischen Land.

ursprünglicher Artikel: (6.4.09, 00:24)
Nach den Wahlen in der Republik Moldau bleiben die Kommunisten stärkste Kraft. Sie verloren ihre absolute Mehrheit, erhielten aber 44,7% – während die zweitgrößte Kraft bei unter 15% blieb.

Die Wahlbeteiligung lag bei knapp 60% (bei der dt. Bundestagswahl 2005 lag sie bei 77,7%). Neben den Kommunisten schaffen es zwei liberale Parteien (mit jeweils knapp 14%) und die Allianz „Unser Moldau“ (mit 10%) ins Parlament (verschiedene Quellen mit den Ergebnissen hier, hier und hier).

Einige Bewohner der Region Transnistrien, die für die moldauische Wahl registriert waren, sollen von den transnistrischen nach Unabhängigkeit strebenden Autoritäten eingeschüchtert und am Wahlsonntag in der Stadt Corjova auch an der Stimmabgabe gehindert worden sein.

Der Wunsch der Moldauer nach einer sogenannten „Wiedervereinigung“ mit Rumänien, von dem Uwe Klussmann auf Spiegel Online berichtet, spiegelt sich zumindest nicht in dem Wahlergebnis wider (es sei denn, sämtliche Nichtwähler sind Befürworter einer Vereinigung). Der Großteil der Wählenden vertraut der kommunistischen Regierung – die alles andere als eine Vereinigung mit Rumänien anstrebt. Der Spiegel-Artikel über die vermeintlichen Vereinigungs-Wünsche wird in der moldauischen Presse aber zur Kenntnis genommen.

Das Centrul Independent de Jurnalism hatte auch in der letzten, am 1.April veröffentlichten Untersuchung auf die parteiische Berichterstattung der Medien hingewiesen (hier auf Englisch). Während staatliche Medien zugunsten der Regierungspartei berichtet haben sollen, hätten private Medien die Opposition bevorzugt.

Einen großen Change haben die wahlberechtigten Moldauer nicht hervorgerufen, wahrscheinlich wollten sie auch keinen. Dies gilt mindestens für die politische Sphäre, die sich nach Wählerstimmen formt – und hier herrscht nicht mehr nur in osteuropäischen Ländern unter den Menschen immer größerer Zweifel, ob mit einem regelmäßig gesetzten Kreuz auch Lebenswirklichkeiten beeinflusst werden können.

Es wäre falsch, den Moldauern das Wahlergebnis als „ewig-gestrig“ oder ähnlich vorzuhalten, nur weil die favorisierte Partei die Bezeichnung Kommunisten trägt (in allen östlich-europäischen Ländern finden sich auch in der Opposition ehemalige Staatskader). Die Republik Moldau und ihre Bewohner haben mehr Aufmerksamkeit aus dem übrigen Europa verdient. Vielleicht wird eines Tages in deutschen Medien von „Parlamentswahlen in Moldova“ in dem Umfang berichtet, wie von anderen europäischen Ländern.


Die NZZ berichtet von den Wahlen.

Nach diesem Posting ab 14:30 erschienene Meldungen siehe:
Proteste in der Republik Moldau nach den Wahlen,
andere Artikel über Republik Moldau

Spannungen zwischen Republik Moldau und Rumänien

Anzeichen einer Kaltfront

Das angespannte Verhältnis zwischen Rumänien und der Republik Moldau wird mit Blick auf die am kommenden Sonntag (5. April) bevorstehenden moldauischen Parlamentswahlen immer kühler. Nachdem rumänischen Meldungen zufolge (hier eine auf Englisch) inzwischen mehrfach rumänischen StaatsbürgerInnen die Einreise in die Repblica Moldova verwehrt wurde, richtete der rumänische Außenminister Christian Diaconescu heute scharfe Worte an das Parlament in Chişinău. Er forderte die moldauische Regierung auf, den rumänischen Staatsbürgern das Recht auf freie Mobilität und das Einreiserecht nach Moldova zu gewähren, das in den letzten drei Tagen über 200 Personen durch die Behörden verwehrt worden sein soll.

„Wir zeigen uns enttäuscht darüber, dass die Behörden in Chişinău ihre Verpflichtungen verletzen, die sich aus dem Bündnis mit der Europäischen Union ergeben. […] Die Einschränkungen der Reisefreiheit von Bürgern im europäischen Raum zeugen vom Fehlen tatsächlichen Einsatzes auf dem Weg nach Europa, der von Rumänien in Brüssel energisch unterstützt wird.“ (die ganze Pressekonferenz als Text und Audio beim rum. Außenministerium und als Video ungeschnitten bei Antena3, beides auf Rumänisch)


Die neue Unterkühlung zwischen der Republik Moldova und Rumänien kann nur vor dem Hintergrund der Geschichte beider Länder gesehen werden, die eng miteinander verbunden ist. Die Mehrheit der moldauischen Staatsbürger braucht keine neue Sprache zu lernen, um Rumänisch zu verstehen, und doch heißt die Staatssprache der Republica Moldova „Moldauisch“. Die eigene Bezeichnung der Sprache ist in der ehemaligen Sowjetrepublik ein letztes, wenn nicht das zentrale identitätsstiftende Element, das die Abgrenzung zu Russland und Rumänien sichert, die beide historisch bedingte Verbindungen zu der Region haben (zum Problem der Nationalsprache in der Republik Moldau siehe eine überblickgebende Arbeit zu dem Thema als pdf, von 2005).


andere Artikel über Republik Moldau

Wahlwerbung in Chişinău verbildlicht

Plakativ plakatiert


Der Wahlkampf zeigt sich in den Straßen der moldauischen Hauptstadt Chişinău, Opposition und Regierung stehen hier zumindest auf dem Foto dicht beieinander.

links: „Partidul Comuniştilor din Republica Moldova / Eu votez stabilitatea. / Pe 5 aprilie 2009 Moldova învinge!“ („Partei der Kommunisten der Rep. Mol. / Ich wähle die Stabilität. / Am 5. April gewinnt Moldova!“)

rechts: „Stop Comunism / Verde pentru Moldova! / Votează Stejarul! / Votează Partidul Liberal Democrat din Moldova!“ („Stop Kommunismus / Grün für Moldova! / Wähle Stejarul (die Eiche, Parteisymbol)! / Wähle die Liberal-Demokratische-Partei Moldova!“)


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