Dreimal darfste raten!
„Die Jüdische Gemeinde hat sich besorgt über einen antisemitischen Angriff in Wedding geäußert“
Mit diesem Satz beginnt eine Meldung, die sich in identischer Formulierung und mit Quellenangabe „ddp“ u.a. bei berlinonline, yahoo, euronews oder Open-Report finden lässt. Zur originalen ddp-Meldung habe ich keinen Zugang, tippe aber mal, dass das die tatsächliche Quelle ist, da sich die Online-Meldungen Wort für Wort gleichen.
[update, s.u.:] Jedenfalls wurde die Jüdische Gemeinde Berlin, ob vom ddp oder den Medien, hier definitiv falsch zitiert. [update Ende, s.u.]
Das Problem: der Vorfall passierte nicht in Wedding. Stattdessen gab es am letzten Wochenende zwei antijüdisch motivierte, gewalttätige Vorfälle – einen in Wannsee und einen in Charlottenburg-Wilmersdorf. Problemlos bei der Berliner Polizei nachlesbar: Erstere Tat ereignete sich am 26.3. mittags auf dem Vorplatz des S-Bahnhofs Wannsee und letztere (derzeit nur als Screenshot einer Google-Suche verfügbar) in der Nacht zum 27.3. am Wilmersdorfer U-Bahnhof Güntzelstraße. Die Güntzelstraße wird übrigens in der ddp-Meldung auch genannt und damit als Wedding verkauft.
Auch die Rheinische Post verbannte einen antisemitischen Vorfall, allerdings nur per Kurzmeldung, nach Wedding – mit ddp-Kürzel.
Ursache für die Weddingisierung der Vorfälle ist scheinbar ein ddp-Polizeimeldungssalat (und die Faulheit der anderen Medien, selbst nachzulesen): Eine dritte Polizeimeldung über eine Gewalttat am Weddinger Leopoldplatz (27.3. um 17 Uhr, ohne Hinweise auf antijüdische Motive) wurde hier offenbar einfach mit den offen antijüdischen Vorfällen gemischt.
Wedding passt vielleicht besser ins Bild, wenn es um den Antisemitismus „südländisch aussehender“ Jugendlicher geht. In Wannsee und Wilmersdorf gibt es sowas nicht.
Immerhin der Tagesspiegel berichtete korrekt – hätten Rheinische Post und berlinonline (!) mal lieber da abgeschrieben, statt vom ddp.
update: (13.4.2010)
Ich habe bei der Jüdischen Gemeinde Berlin nachgefragt, die Pressemitteilung liegt mir nun vor. Das Wort Wedding taucht darin nicht auf und wurde vom ddp also falsch zitiert. Ich frage beim ddp nach.
update2: (16.4.2010)
In einem Telefonat versicherte mir eine ddp-Mitarbeiterin, bei ihren Recherchen sei sie zunächst auf den Bezirk Wedding (U-Bhf. Leopoldplatz) als Ausgangspunkt des Vorfalls gestoßen, der in der U-Bahn bis zur Station Güntzelstraße andauerte und dort in Gewalt eskalierte, wobei sie sich auf ein Telefonat mit der Berliner Polizei berief. Die Pressemitteilungen der Berliner Polizei (ohne die Erwähnung Weddings) wurden erst nach der ddp-Meldung veröffentlicht. Damit wäre das Thema erledigt.