Im gestrigen Tatort „Melinda“ kamen Charaktere aus einem nicht weiter benannten „nordafrikanischen Land“ vor, die auf plumpe Weise stereotyp rassistisch dargestellt wurden. Regie führte der Tatort-erfahrene Hannu Salonen, der schon bessere Filme als „Melinda“ gemacht hat.
OK, in Melinda waren alle Charaktere überzeichnet, somit können auch die für „Nordafrika“ stehenden Figuren nicht so bierernst genommen werden — doch! Denn diese standen kollektiv für das gewalttätig Böse überhaupt, abgesehen von ihrem Opfer, dem Mädchen Meldinda. Die Figuren um das Tatort-Team behielten bei aller Überzeichnung nämlich ihre Individualität, standen jeweils mit eigenen Persönlichkeitsmerkmalen für sich und waren untereinander klar abgegrenzt. Dagegen besaßen die arabischsprechenden Männer untereinander keine charakterlichen Abstufungen und standen gemeinsam homogen für Kriminalität, Gewalt, Skrupellosigkeit, Kindesmissbrauch … Dazu gehörten alle arabisch markierten Figuren des Films. Die Ausnahme bildete das hilflose Mädchen, das von den deutschen Polizist*innen gerettet werden muss. Plumper geht’s nicht.
Symbolhaft für diese Darstellungen war die Szene mit den Bildern der Krankenhaus-Überwachungskamera: Der Dolmetscher läuft mit dem Erstickungs-Tatmittel Handtuch über den Krankenhausflur und schaut, ganz typisch für einen Menschen mit Mordabsicht, lange direkt in die Überwachungskamera. Dabei zieht er zu allem Überfluss eine fiese Fratze in bester Disney-Manier. Hier Leute, einen der das Böse derart in sich trägt braucht ihr nur genau anzusehen!
Zur Stereotypisierung der Figuren trug ferner bei, dass ihr Herkunftsland unerwähnt blieb. „Ein nordafrikanisches Land“ hieß es die ganze Zeit. Ein Land, dessen Namen das Filmpublikum also für den Kontext der Story nicht kennen braucht. OK, Arabisch wird dort gesprochen. Mit anderen Worten: Eines dieser Länder eben, da unten, ihr wisst schon. Über die braucht ihr nichts weiter wissen als: Arabischsprachig, Afrika, böse, böse und böse. Ziemlich billig für eine traditionsreiche nordeuropäische Krimiserie. Zumal in einem Deutschland, das sich gerade als Hausaufgabe selbst gestellt hat, Rassismus in den Medien zu reflektieren.
Die dramaturgischen Rollenbezeichnungen sprechen auch Bände. So wird die weibliche Figur, die sich als Melindas Mutter ausgibt, in der Besetzungsliste als „Afrikanische Mutter“ benannt. Während andere Figuren Namen haben oder sogar Berufsbezeichnungen, reichen für diese weibliche Figur die Attribute Kontinent und Eigenschaft als Mutter, also Rassifizierung und Typisierung. Ich will nicht wissen, wie das Casting war.
Der Schauspieler Kida Khodr Ramadan, der in „Melinda“ einen der bewaffneten Gangster spielt, sprach in einem Interview 2010 über die Schwierigkeit, als Schauspieler*in mit der Markierung „Migrationshintergrund“ klischeefreie Rollen in Deutschland zu finden. Ramadan, der seine Kindheit in Kreuzberg verbrachte und neben Arabisch auch akzentfreies Deutsch und Berliner Dialekt spricht, durfte im gestrigen Tatort einmal mehr den gebrochen Deutsch sprechenden Araber mimen. Im Cast von „Melinda“ ist er aber nicht gelistet. Vielleicht ja auf ausdrücklichen Wunsch.
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Zu rassistischen Klischees im deutschen Fernsehen berichtete ZAPP Ende 2011 mal:
[Video leider von den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten depubliziert]