Das Jobcenter und die Berliner Sozialwohnung. Oder: Der unerlaubte Umzug

Zu dieser Meldung:

Günstige Wohnungen werden nach einer Studie innerhalb des Berliner S-Bahn-Rings knapper. In Innenstadtbezirken wie Friedrichshain-Kreuzberg und Mitte sowie in Tempelhof-Schöneberg wuchsen die Angebotsmieten 2011 mit zweistelligen Raten, wie der Wohnmarktreport des Immobilienunternehmens GSW ergab. (Quelle: dpa via berlin.de)

eine Gesprächssituation, die sich jüngst wie folgt ereignete:

Zeit: März, wochentags 8:20/ Ort: Empfangs-Schalter (für Menschen, die bereits ALG II beziehen) eines Berliner „Jobcenters“ in einem relativ zentral gelegenen Stadtteil (innerhalb des S-Bahn-Rings). Personen: 3 Jobcenter-Mitarbeiter*innen hinter dem Epfangsschalter, 2-3 ihnen gegenüberstehende und 4-5 anstehende Menschen mit Anliegen.

Eine (sichtlich) schwangere Frau und ihr männlicher Begleiter betreten den Raum, zeitglich betritt ein männlicher Security-Mitarbeiter durch eine separate Tür hinter dem Schalter den Raum und blickt auf das Paar (vielleicht weil alle anderen Menschen mit Anliegen einzeln in dem Raum sind und das Paar in seiner Paar-Konstellation auffällt?) Das Paar wartet in der Schlange, die Anliegen der am Schalter Stehenden sind für alle unvermeidbar deutlich zu hören. Zum Beispiel geht es um auszufüllende Anträge oder um Kontoauszüge, die ein Mann nicht vorlegen kann, weil er kein Konto hat. Nach 5 Minuten Warten und Zuhören begibt sich das Paar dem Aufruf „Nächste bitte“ folgend an den Thresen zur mittleren Empfangs-Mitarbeiterin. Der Security-Mann im Hintergrund hat alles im Blick. Die Atmosphäre ist beklemmend.

Schwangere Frau: „Guten Tag, ich will aus meiner WG (Anm.: innerhalb des S-Bahn-Rings) ausziehen und mit meinem Partner zusammenziehen, weil wir ein Kind erwarten. Weil ich ALGII beziehe hätte ich gern ein Gespräch über die Konditionen der Wohnung und des Umzugs usw.“
Empfangs-Mitarbeiterin: „Wie viele Personen sollen dort wohnen? Haben Sie schon ein Angebot?“
Schwangere Frau: „Zu dritt. Ein Angebot (Anm.: außerhalb des S-Bahn-Rings) haben wir bereits.“
Empfangs-Mitarbeiterin: „Gut dann füllen Sie bitte diesen Antrag auf Wohnungswechsel aus und lesen sich das Merkblatt dazu durch“ (Die Mitarbeiterin reicht zwei beidseitig bedruckte A4-Blätter).
Schwangere Frau: „Können wir für die Konditionen der Wohnung und Details zum Umzug einen Gesprächstermin erhalten?“
Empfangs-Mitarbeiterin: „Nein brauchen Sie nicht. Die Konditionen stehen auf dem Merkblatt. Für drei Personen darf die Warmmiete 542€ nicht übersteigen.“
Schwangere Frau: „Oh, unser Angebot liegt drüber, dann zahlen wir die Differenz selbst?“
Empfangs-Mitarbeiterin: „Nein. Sobald die Miete einen Euro über unserer Vorgabe ist, wird der Umzug gar nicht genehmigt und Sie erhalten gar keine Wohnkosten mehr.“
Partner der schwangeren Frau: „Was? Das ALGII wird dann gekürzt?“
Empfangs-Mitarbeiterin: „Der Wohnkostenabschlag wird dann gestrichen. Wenn Sie Glück haben könnte sein, dass der bisherige Abschlag weiter bezahlt wird.“
Schwangere Frau: „… von meinem WG-Zimmer.“
Partner der schwangeren Frau: „Wir haben lange gesucht und das ist mit die billigste Wohnung, die wir finden konnten. Was, wenn’s keine Wohnungen nach Ihren Vorgaben gibt?“
Empfangs-Mitarbeiterin: „Gibt es. Glauben Sie mir.“
Schwangere Frau: „Dieses Angebot ist sogar eine Sozialwohnung, die wir nur mit unserem Wohnberechtigungsschein bekommen. Das ist ein Mietpreis vom sozialen Wohnungsbau.“
Empfangs-Mitarbeiterin: „Dann sagen Sie dem Vermieter, er soll die Miete senken. Wir können nichts dafür.“

Inzwischen haben die anderen Empfangs-Mitarbeiter*innen bereits mehrfach zu dem Gespräch zwischen dem Paar und der mittleren Mitarbeiterin geschaut. Der Security-Mann, hinter den Mitarbeiter*innen mal langsam laufend, mal stehend, hat auch alles im Blick. Das Paar bedankt sich, wünscht einen schönen Tag, die Grüße werden erwidert. Das Paar verlässt den Raum, die zwei A4-Blätter in der Hand. Zeitgleich verlässt auch der Security-Mann den Raum durch seine separate Tür hinter den Empfangs-Mitarbeiter*innen.

Nicht nur innerhalb des S-Bahn-Rings gibt es hohe Mieten in Berlin, sondern die Miete einer Berliner Sozialwohnung außerhalb des S-Bahn-Rings übersteigt in dem konkreten Fall die vom Jobcenter anberaumte Übernahme-Obergrenze. Den Interessierten, die diese WBS-Wohnung trotzdem anmieten wollen und die Differenz selbst übernehmen würden, wird vom Jobcenter der Umzug in diese Wohnung verweigert. Dabei ist die Bedingung für diese Wohnung ein 3-Zimmer-WBS, das heißt diese Wohnung ist für einkommensschwache 3-Personenhaushalte gesetzlich reserviert. Nur was nutzen einer einkommensschwachen Familie Sozialwohnungen, wenn das Jobcenter die Kostenübernahme für diese Sozialwohnungen verweigert?

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Auch im Hauptstadblog wird mein Beitrag Im Hauptstadtblog wird der Beitrag ziemlich heiß diskutiert.