Ein Land zwischen den Sphären
Die zuletzt von den Vorwürfen des rumänischen Außenministers weiter strapazierten Spannungen zwischen Rumänien und der Republik Moldau müssen für die amtierende „Partei der Kommunisten der Republik Moldau“ am 5. April zu den Parlamentswahlen nicht unbedingt zum Nachteil sein. Wie erwartet, hat die moldauische Premierministerin Zinaida Greceanîi heute die rumänischen Vorwürfe zurückgewiesen und erklärt, die Abweisungen rumänischer Staatsbürger an der moldauischen Grenze seien alle begründet und legal gewesen. Sie stellt einen Zusammenhang mit den bevorstehenden Wahlen her, in die sich der rumänische Staat einmischen wolle. In der Online-Ausgabe der Revista Moldova Azi wird sie zitiert:
„Warum muss jemand in unser Land kommen, mit, sagen wir, destruktiven Absichten, zudem jetzt in der Wahlkampfzeit? (…) Niemand hat das Recht, sich in die internen Angelegenheiten unseres Staates einzumischen. Es gibt akkreditierte Wahlbeobachter, die dazu bestimmt sind, die Wahlen bei uns im Land zu beobachten.“
Dem mag man zustimmen, aber wovor haben die regierenden Kommunisten dann Angst, dass sie so vielen Rumänen die Einreise verweigern? Natürlich braucht die Republik Moldau sich keine großrumänistischen Nationalisten ins Land holen, aber unter den Abgewiesenen waren harmlose Teenie-Pop-Bands. Ja, diese wollten das Jubiläum der Vereinigung Bessarabiens mit Rumänien feiern, aber das geschieht nicht zum ersten Mal und stellt an sich noch keine Gefahr für die unangezweifelte Souveränität des Landes dar. Die moldauischen Behörden haben, wie die Ausführungen der Regierungschefin zeigen, Angst vor der Beeinflussung der Wahlen.
Die Befürchtungen der moldauischen Regierung sind an dieser Stelle aber keine spezifisch kommunistischen. Es ist auch keine Besonderheit, dass die Republik Moldau als langjähriges Mitglied der GUS intensive Beziehungen zu Moskau pflegt. Vielmehr liegt in der nach 1989 nötig gewordenen Selbstdefinition einer moldauischen nationalen Identität das Bedürfnis nach einem gesunden Abstand zu Rumänien und Russland – beides Länder, die in den letzten Jahrhunderten die kulturelle Identität der Region prägten. Wer der kommunistischen moldauischen Regierung unkritische Russophilie vorwirft, braucht nur nach Transnistrien zu fragen: Die auf der Grundlage russischer Identität nach Unabhängigkeit strebende Region und die dort stationierten russischen Soldaten sind den moldauischen Behörden mindestens ein Dorn im Auge. Auf der anderen Seite liegt der Staat namens Rumänien, der ohne sein Zutun eine potentielle Bedrohung darstellt – nämlich für die moldauische Identität. Straßen und Plätze in Chişinău sind nach den gleichen Künstlern und historischen Gestalten benannt, wie die in Bukarest und Iaşi, man beruft sich auf die gleichen historischen Mythen und man spricht eben auch dieselbe Sprache, wie diese auch immer genannt werden mag (in Transnistrien wird diese Sprache, wie vor 1989, wieder mit kyrillischen Buchstaben geschrieben).
Zurecht oder zu Unrecht, die moldauische Regierung fürchtet um die eigene moldauische Identität und sieht es darum nicht gern, wenn die Oppositionsparteien mit rumänischen Gästen Wahlkampf machen. In der rumänischen Presse existiert die Auffassung, dass der rumänische Staat nicht ganz unbeteiligt an der distanzierten Haltung der Republik Moldau ist: Seit fünf Jahren fehlen auf Seiten Rumäniens Anstrengungen zu gemeinsamen kulturellen Projekten mit Moldova, es wurde nichts getan, um auf der einfachen Ebene den ernstgemeinten Austausch zu fördern. Das gehört zur Vervollständigung ins Bild von den Rumänen, die jetzt im moldauischen Wahlkampf plötzlich zu Hunderten in die Republik Moldau reisen.
Mit den Einreiseverweigerungen für Rumänen könnte die derzeitige moldauische Regierung von den Wählern sogar als konsequent schützende Hand gedeutet werden, die das Ideal einer moldauischen Identität vor fremden Einflüssen bewahrt.
Die Rumänen werden sich in den nächsten Tagen auf die Zunge beißen müssen, wenn sie an einem rumänienfreundlichen Wahlergebnis interessiert sind. Und abgesehen davon, wie stark oder gering der Einfluss Rumäniens auf den moldauischen Wahlverlauf ist, wird sich der rumänische Staat nach dem 5. April in ernsthafter Austauschförderung üben müssen, um glaubhaft zu bleiben. Denn funktionierende Kontakte könnten neben dem einseitigen Transfer billiger Arbeitskräfte endlich auch einen konstruktiven Dialog zwischen den Menschen bewirken.
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