Deutschland muss sich von anderen UNO-Mitgliedsstaaten am heutigen Donnerstag im Menschenrechtsrat kritische Fragen stellen lassen. Alle UNO-Mitgliedsstaaten werden wohl regelmäßig auf diese Weise befragt, um gravierende Menschenrechtsverstöße aufzudecken und Empfehlungen für deren Beseitigung zu geben. Neben Übergriffen durch die Polizei und die Situation der Frauen in Deutschland sind Rassismus und die terroristischen Morde des NSU Themen der Fragen. Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning (FDP) sagte laut taz zu den bevorstehenden Fragen:
„Wir stellen uns diesem Verfahren mit großer Ernsthaftigkeit, damit es auch andere Regierungen tun, und stellen damit unsere Fähigkeit zur Selbstkritik unter Beweis“ (taz.de: Bundesregierung im Kreuzverhör)
Diese Ansage vom deutschen Menschenrechtsbeauftragten ist ziemlich überheblich. Was hat Deutschlands Selbstbild als Musterschüler mit der Befragung durch das UN-Gremium zu tun? Es gibt mit den oben genannten Themen ja offenbar ausreichend Stoff für eine Befragung. Im besten Fall können deutsche Behörden durch die Befragung etwas über die Menschenrechtssituation in Deutschland lernen. Stattdessen wird schon im Vorfeld auf „andere Regierungen“ verwiesen.
Außerdem ist der Begriff Selbstkritik, wenn er auch ins Selbstbild passt, logisch falsch. Es kann berechtigte Kritik von anderen UNO-Mitgliedsstaaten erwartet werden, aber das hat nichts mit Selbstkritik zu tun. Schon gar nicht angesichts einer solchen regelmäßig stattfindenden Befragung aller UNO-Mitgliedsstaaten. Die Themen der Befragung — sowie die Rüge der Antirassismuskommission der UNO vor ein paar Tagen (CERD-report, english, pdf) — sind eher ein Hinweis darauf, dass der angebrachte Zeitpunkt für Selbstkritik von deutschen Behörden längst überschritten wurde.