Die Ethnie im Visier

Rassistische Gewalt erklärt sich aus herrschenden Vorurteilen und braucht nicht zum „ethnischen Konflikt“ stilisiert werden – das heizt den Konflikt nur an


In diesem Jahr, 2009, brannten in der östlichen EU bereits mehrere Häuser – vorsätzlich angezündet. Menschen starben auch schon, darunter Kinder.

Roma stehen in Medien und Köpfen der hellhäutigen Europäer für ein bilderreiches Spektrum. Das reicht vom vermehrungsfreudigen, verwahrlosten Vagabunden, der ein Wohnzimmer nur als WC oder Kochstelle zu nutzen weiß bis zum Baron, der als moderner mittelalterlicher Fürst Mercedes fährt. Diese rassistischen Vorurteile werden in der Krise sichtbar. Sündenbock Roma.

Der Standard, 8. April: Slowakei – Polizisten misshandelten Roma-Kinder,
taz, 4. Juni: Hatz auf Roma in Ungarn,
Deutschlandfunk, 15. Juli: Tschechische Roma suchen Asyl in Kanada,
Der Standard, 3. August: Erneut Roma-Mord in Ungarn ,
dROMa-Blog, gestern: Anti-Roma-Hetze in Ungarn und der Slowakei.

Auch in Rumänien gab es 2009 bereits in mehreren Dörfern Ausschreitungen mit Brandanschlägen auf von Roma bewohnte Häuser. In deutschsprachigen Medien ist das kein Thema, ich finde eine Meldung dazu nur im Beitrag von Keno Verseck bei DFunk und bei Brimbog.

Schauplatz mehrerer Ereignisse war der vorwiegend von Ungarn bzw. Szeklern bewohnte siebenbürgische Kreis Harghita. Hier waren im Juni die Kommune Sânmartin/ Csíkszentmárton und im Juli Sâncrăieni/ Csíkszentkirály im Gespräch. Dorfstreitereien entluden sich in Brandanschlägen, die Roma wurden kurzerhand in die Flucht getrieben. Der Tenor in der Berichterstattung: Die kriminellen Roma sind ein Ärgernis, aber darum muss man ja nicht gleich Häuser anzünden. Zwar gibt es auch Fälle, in denen vor Ort und bei offenbar mehrtägigem Aufenthalt etwas intensiver recherchiert wird, aber der Ton macht die Musik – und die klingt immer nach Distanz, wenn über „die ***ner“ und „die Ungarn“ berichtet wird.

Um nicht nach individuellen Hintergründen suchen zu müssen, die vielleicht das grundlegende menschliche Miteinander berühren könnten, werden komplexe, soziale Zusammenhänge von vornherein ausgeblendet. So können die rumänischen Medien dann vom „ethnischen Konflikt zwischen Ungarn und Roma“ sprechen. Versteht jeder, auch ohne Nachdenken.

Die örtlichen Polizisten, Behörden und aufgebrachten Bürger bedienen und befruchten in Interviews diese Entdeckung eines neuen ethnischen Konflikts. Anstatt aus vergangenen Ereignissen zu lernen, dass Gewalt mit ethnischen, religiösen oder anderen Vorzeichen nur auf die Instrumentalisierung latenter Vorurteile abzielt, zählen die Medien akkurat auf, was „die ***ner“ in Dorf XY alles geklaut haben, dass „die Magyaren“ jetzt böse werden. Der rumänische Zuschauer kann sich lächelnd zurücklehnen und aussuchen, auf wessen Seite er ist. Nein, er kann sich mit Blick auf beide ungeliebten „Minderheiten“ bestätigt sehen: Die machen beide nur Probleme.

Die Bewohner von Sâncrăieni/ Csíkszentkirály handelten eine „Einigung“ mit dem Bruchteil der Roma aus und stellten einen Regelkatalog aus 11 Punkten auf – mit Forderungen an die Roma: „Die Roma“ sollen zum Beispiel nicht mehr stehlen, sich WCs bauen und ihre Hunde anleinen. Der Bürgermeister glaubt nicht daran, dass „die Roma“ sich an die Regeln halten. Dieser Regelkatalog von 90 Prozent der Bewohner für die kleine, unliebsame Minderheit steht exemplarisch für einen über Jahrhunderte alten Habitus europäischer Politik gegenüber Roma, „Minderheiten“ oder einfach den „Anderen“: Wir, die Zivilisierten, erziehen die Wilden.

Und nicht anders haben das auch die Dorfbewohner verstanden. Diese versammeln sich seit der „Einigung“ wöchentlich einmal zusammen vor den Häusern der Roma und kontrollieren die Einhaltung der Regeln. Die Roma in Sânmărtin/ Csíkszentmárton trauen sich deswegen nicht mehr auf die Straße. In Sâncrăieni/ Csíkszentkirály versteckten sich auch nach der „Einigung“ noch mehrere Dutzend Menschen in den umliegenden Wäldern, darunter viele Kinder. Aus Angst vor den patrouillierenden Dorfbewohnern, Angst vor neuen Anschlägen.

Mehrere rumänische Roma-Organisationen reagierten und haben ihrerseits auch einen Forderungskatalog mit 11 Punkten formuliert: Unter anderem wird verlangt, dass Magyaren die korrekte rumänische Aussprache erlernen, dass sie sich zivilisiert verhalten und nicht wie Hunnen, dass sie in Freibädern nur rot-weiß-grüne Badehosen nutzen dürfen und wenn sie Immobilien verkaufen, dann nur mit dem Hinweis „Vorsicht, Brandgefahr“. Mit dieser Ironie demonstrieren die zahlreichen mitzeichnenden Roma-NGOs, wie schwachsinnig es ist, das Problem unnötig zu ethnisieren. Noch stehen sie mit dieser Erkenntnis allein da. Nicht nur in Rumänien.


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